Nahe der polnischen Grenze beginnen etwa 12.000 Soldaten aus Belarus und Russland mit einer Militärübung. Experten sehen darin eine Provokation des Westens – und die Gefahr einer versteckten Mobilmachung.
Es ist die erste gemeinsame Militärübung von Russland und Belarus auf belarusischem Staatsgebiet seit 2021. Damals bereitete das Manöver den russischen Überfall auf die Ukraine vor, so sehen es Analysten im Nachhinein. Denn Russland griff damals auch von Nordwesten, also von belarusischem Staatsgebiet aus an.
Dass Russland nun noch einmal von Belarus aus einmarschieren könnte, hält die Staatsführung in Kiew für unwahrscheinlich. Zu gut schütze die Ukraine inzwischen ihre Grenze, sagt Andrij Demtschenko, Sprecher des ukrainischen Grenzschutzes.
Ukraine beobachtet Manöver genau
„Unsere Einheiten beobachten natürlich, was sich dort tut, inwiefern durch dieses Manöver die Gefahr für unser Land noch weiter wächst“, sagt der Sprecher. „Wir sehen schon, dass sich auf der anderen Seite der Grenze russische Truppen und russisches Militärgerät befinden.“
In den ersten Tagen der Invasion vor dreieinhalb Jahren stießen russische Truppen von Belarus aus zunächst zum Gelände des ehemaligen Atomkraftwerks Tschernobyl vor, dann weiter Richtung Kiew. Dieser Vorstoß kam erst wenige Kilometer nördlich und westlich der ukrainischen Hauptstadt zum Stehen. Nach wenigen Wochen gelang es der Ukraine jedoch, die russischen Truppen von dort wieder zu vertreiben. Russland verschob diese Truppen weitgehend ins Donezbecken, an die Front in der östlichen Ukraine.
Neue Reservisten für die Front?
Zumindest Provokationen an der Grenze könne es im Zuge des russisch-belarusischen Manövers geben, sagt der ukrainische Militärexperte Wasyl Pechnjo im Fernsehsender Espreso. „Darüber hinaus kann die Übung für Russland eine Art versteckte Mobilmachung darstellen“, warnt Pechnjo.
Die russische Armee könne Reservisten zur Übung schicken, ohne zu sagen, dass sie eigentlich für die in Russland sogenannte militärische Spezialoperation in der Ukraine vorgesehen seien. „Und danach werden sie dann zum Beispiel an die Front im Osten der Ukraine geschickt“, sagt der Militärexperte. So bekäme Russland neue Soldaten und könnte seine Angriffe an den umkämpften Frontabschnitten verstärken.
Hauptziel: Einschüchterung des Westens
Vor allem aber diene das Manöver dazu, die westlichen Partner der Ukraine einzuschüchtern, heißt es in Kiew. Deshalb habe die belarusische Militärführung angekündigt, auch den Einsatz von Atomwaffen und neuen Mittelstreckenraketen zu üben.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj nannte das Manöver in einem Atemzug mit den russischen Drohnen, die in der Nacht zu Mittwoch auf polnisches Staatsgebiet, also auf NATO-Gebiet, flogen und dort abgeschossen wurden.
„Die Russen testen aus, was sie sich erlauben können, wie die NATO-Staaten reagieren“, sagte Selenskyj. „Das belarusisch-russische Manöver hat de facto begonnen. Die Reaktion der NATO zu testen, kann zu den Plänen für diese Militärübung gehören.“
Medwedew unterstellt Finnland Angriffsplanung
Auch wenn die russische Staatsführung die Drohungen gegen die westlichen Unterstützer der Ukraine nicht offen ausspricht – Figuren im Umkreis des Kreml tun dies seit Jahren. Wie zuletzt Ex-Präsident Dmitri Medwedew, der behauptete, Finnland bereite einen Angriff auf Russland vor. Der würde dann zum Zusammenbruch der finnischen Staatlichkeit führen, so Medwedew.