Die Verwaltung kommt mit ihrer Planung für den Etat 2026/2027 ins Schlingern. Infrastrukturvorhaben verteuern sich erheblich. Die Spardebatte beginnt mit Verzögerung.
Am kommenden Montag beginnt auch für die Stuttgarter Stadträte nach sechs Ferienwochen wieder die Arbeit. Der erste Termin, von Finanzbürgermeister Thomas Fuhrmann (CDU) auf 10 Uhr im Kleinen Sitzungssaal angesetzt, wird wenig erquicklich. Fuhrmann wird den Bürgervertretern erneut einschärfen, dass die von den städtischen Ämtern für die Haushaltsplanung gemeldeten Investitionswünsche „den zur Verfügung stehenden finanziellen Raumen bei Weitem übersteigen“. So steht es in der Einladung. Also muss die Axt angesetzt werden.
Auf manchen Feldern hat die Finanzverwaltung bereits einen begrenzten Hieb vorgenommen. Im Kulturbereich zum Beispiel finden sich weder das geplante Konzertforum in Bad Cannstatt noch der lange ausgetüftelte Erweiterungsbau am Theaterhaus auf dem Pragsattel. Wenn der Gemeinderat mitzieht, ergäbe das in der Summe rund 230 Millionen Euro weniger Ausgaben. Dennoch quillt die Wunschliste über. Allein für 2026 haben alle Referate 760 Millionen Euro an Investitionsbedarf gemeldet, für 2027 sogar 908 Millionen, bis 2030 wären es in Summe 3,9 Milliarden. Teils, wie beim Haus für Film und Medien am Leonhardsplatz, finden sich alte Ansätze. Hier waren beim Vorprojektbeschluss rund 60 Millionen anvisiert, die noch in der Liste stehen, jetzt ist man aber bei rund 120 Millionen. Insgesamt sollen die neuen Investitionen auf 350 Millionen pro Jahr gedeckelt werden, in Summe bis 2030 wären das 1,7 statt 3,9 Milliarden Euro. Stand heute müssten sie größtenteils über Kredite finanziert werden.
Sparsamkeit im Stuttgarter Haushalt nicht hoch im Kurs
Schwäbische Sparsamkeit stand im Rathaus in den vergangenen Jahren nicht hoch im Kurs. Daher braucht Fuhrmann jetzt einen größeren Hieb, das Finanzreferat ist mit seinen Rodungsplänen allerdings heftig in Verzug. Eigentlich sollte der Doppeletat am 25. September durch OB Frank Nopper (CDU) in den Gemeinderat eingebracht werden. Dieser Auftakt muss erstmals seit Jahrzehnten verschoben werden, und zwar auf den 9. Oktober. Mit der Folge, dass die Fraktionen nur 14 Tage statt vier Wochen Reaktionszeit bis zur Aussprache am 23. Oktober hätten, in der sie ihre Schwerpunkte setzen wollen. Die Unzufriedenheit über die Planung wird Fuhrmann am Montag zu hören bekommen.
Der Stuttgarter Gemeinderat steht bei den nötigen Kürzungen im Haushalt vor schweren Entscheidungen. Foto: IMAGO/Achim Zweygarth Ampelfarben für den Projektstatus in Stuttgart
Als Entscheidungshilfe für die 60 Bürgervertreter hat die Verwaltung die Investitionsliste farbig unterlegt. „Begonnene Projekte“ sind grün, sie summieren sich in 2026/2027 auf 320 und 363 Millionen Euro. Auf mattem Gelb stehen Projekte, die „begonnen werden können, teilweise begonnen sind“. Sie machen in der Summe beider Jahre 352,6 Millionen Euro aus. Hier könnte an vielen Stellen noch die Notbremse gezogen werden. Als obsolet kann alles gelten, was auf rotem Papier steht: „Projekte noch nicht begonnen“, lautet die Überschrift. Allein für die nächsten beiden Jahre werden Projekte für 629,6 Millionen Euro zusammengefasst.
Fast jeder vierte Euro für Schulen
Schwergewichte auf der Investitionsliste sind die Schulen, für die bisher 23 Prozent aller Investitionen vorgesehen sind, Verkehrsinfrastruktur und ÖPNV mit 15 Prozent und das Stuttgarter Klinikum, in das bis 2030 elf Prozent aller Mittel fließen sollen, folgen.
Die Sanierung von Schulen verschlingt auch in Stuttgart einen Großteil der städtischen Hausahaltsmittel. Foto: dpa
Ins Geld geht auch die Sanierungs- und Neubauoffensive der Bäder, die für Ersatzbauten in Zuffenhausen und Sonnenberg sowie die Sanierung in Untertürkheim 127 Millionen Euro benötigen. Das mobile Ersatz-Hallenbad für beide Standorte kostet 15,1 Millionen, es wurde 2025 finanziert. Auch bei den Bädern könnte trotz fortgeschrittener Planung der Rotstift angesetzt werden, befürchtet Geschäftsführer Alexander Albrand. Seit 2013 wird in Sonnenberg mit Bordmitteln geflickt, die Betriebsgenehmigung läuft bis 2028. In Zuffenhausen hat sich die 50 Jahre alte Badehalle einseitig gesenkt. Für beide Standorte gab es Architektenwettbewerbe, in Zuffenhausen könnte der Neubau in diesem Jahr vergeben werden. Allerdings kostet auch er nicht mehr, wie im Bäder-Wirtschaftsplan Ende 2023 dargestellt 29 Millionen Euro, sondern 46,8 Millionen. Den in Sonnenberg führt die Finanzverwaltung mit 62 Millionen Euro.
Hang zu Luxusbauten in Stuttgart?
Fuhrmann dürfte angesichts dieser Entwicklung am Montag erneut das Klagelied über den Stuttgarter Hang zu Luxusbauten anstimmen. 2024, bei der Investitionsentscheidung zum Betriebshof der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB), intonierte er es erstmals. Tenor: Müsse alles immer so schick und teuer sein? Fuhrmann beklagt die aus seiner Sicht kostspieligen Ergebnisse von Architektenwettbewerben. Baut die Stadt nur Notwendiges, oder ist da tatsächlich auch ein bisschen Luxus mit dabei? Auch im Fall der Bäder gab es sehr ansprechende Entwürfe. Albrand verweist auf die stark gestiegenen Baupreise sowie teure städtische Vorgaben zur Klimaneutralität als Kostentreiber – und dazu die Wirtschaftlichkeit der neuen Hallen. Man baue „keine Prestige- oder Spaßbäder, sondern Pflicht“, stelle in erster Linie Schulen und Vereinen Wasserflächen zur Verfügung. Der Bäderchef will die Einnahmeseite durch Preiserhöhungen stärken und setzt auf Hilfe durch das Sondervermögen des Bundes.
Stuttgarter Bäder sind schuldenfrei
Anders als manche städtische Beteiligung präsentieren sich die Bäderbetriebe nahezu schuldenfrei. Investitionen laufen nicht über ihren, sondern den städtischen Haushalt. Jährliche Fehlbeträge aus dem Betrieb – bei den Bädern rund 22 Millionen Euro – gleicht die Kommune aus. Andere Beteiligungsunternehmen wie Stadtwerke, der Wohnungsbauer SWSG oder die SSB haben Kredite für Investitionen dagegen in den eigenen Büchern stehen. Auch diese unterschiedlichen Systematiken könnten für den Gemeinderat ein Thema werden.