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Der Verdächtige im Vermisstenfall „Maddie“ McCann soll in wenigen Tagen aus der Haft entlassen werden. Die Ermittler warnen eindringlich vor der Gefahr des Mannes.
Braunschweig – Der Vermisstenfall um Madeleine „Maddie“ McCann zählt wohl zu den bekanntesten weltweit. Das damals dreijährige Mädchen verschwand im Jahr 2007 aus einer Ferienanlage im portugiesischen Urlaubsort Praia da Luz. Seitdem ist das Aufsehen rund um den „Fall Maddie“ enorm – vor allem in der britischen Heimat des Mädchens, aber auch hierzulande. Insbesondere, seitdem Ermittler im Jahr 2020 die Öffentlichkeit über einen deutschen Verdächtigen informierten: den 48-jährigen Christian B., der in wenigen Tagen aus dem Gefängnis entlassen werden soll. Die Strafverfolger halten den Mann weiterhin für extrem gefährlich und warnen.
Madeleine McCann ist seit dem 3. Mai 2007 verschwunden. Seitdem gibt es keine Spur von der damals Dreijährigen (Symbolfoto). © EPA/LUIS FORRA/EPA/REAL MADRID TV/dpa/Montage
Die Strafverfolger haben den mehrmals Vorbestraften B. im Fall der verschwundenen Maddie McCann unter Mordverdacht. Weil sie den Mann weiter für gefährlich hält, will die Staatsanwaltschaft Braunschweig, dem 48-jährigen Deutschen nach seiner Freilassung zumindest Auflagen erteilen. Ein Gutachter stufte ihn sogar in „die absolute Topliga der Gefährlichkeit“ ein. Trotzdem kommt er nun frei.
Maddie-Verdächtiger kommt bald aus Gefängnis frei – Staatsanwaltschaft warnt
„Spätestens am 17. September“ hat B. seine langjährige Haftstrafe abgesessen, zu der ihn das Landgericht Braunschweig im Jahr 2019 wegen Vergewaltigung einer 72-jährigen US-Amerikanerin in Portugal verurteilt hatte. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft kann er das Gefängnis damit in wenigen Tagen verlassen – und ist dann ein freier Mann. Das Justizministerium in Hannover verweist auf die eindeutige Rechtslage, nach der eine Entlassung aus dem Justizvollzug zum Strafende zwingend erfolgen muss. Das gelte auch im vorliegenden Fall. Über die Verurteilung wegen Vergewaltigung hinaus liegt bisher nichts öffentlich Bekanntes gegen den 48-Jährigen vor, was eine Haftverlängerung rechtfertigen würde.
Im Fall der verschwundenen Madeleine McCann gibt es weiterhin nur den Verdacht, dass Christian B. das Mädchen entführt und getötet hat. Diesen haben die Ermittler öffentlich geäußert. Es gibt jedoch keine Anklage – und es gilt die Unschuldsvermutung.
Strafverfolger überzeugt von Schuld des Maddie-Verdächtigen: „Keine entlastenden Beweise“
Christian B. ist ein mehrmals vorbestrafter Sexualstraftäter, der Anfang der 2000er in Portugal gelebt haben soll. Die Vergewaltigung der 72-jährigen US-Amerikanerin im Jahr 2005, für die B. 2019 für schuldig gesprochen wurde, geschah in dem Ort Praia da Luz. An dem Ort an der Algarve verschwand auch Maddie. Die deutschen Strafverfolger sind überzeugt davon, dass B. das Kind entführt und getötet hat. „Und zwar allein er“, bekräftigte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Braunschweig, Hans Christian Wolters.
Die Strafverfolger betonen, dass sie bei den jahrelangen Ermittlungen nichts gefunden haben, was den Tatverdacht entkräften könnte. „Keine entlastenden Beweise, kein Alibi, keinen Hinweis darauf, dass er nicht am Tatort gewesen sein könnte“, fasste Wolters zusammen.
Vermisste Kinder: Rebecca, Maddie, Sandra – die mysteriösesten Fälle, die Deutschland beschäftigenFotostrecke ansehenVerteidiger des Maddie-Verdächtigen wehrt sich: „Massive Vorverurteilungskampagne“
Für eine Anklage gebe es bisher aber offenbar keinerlei tragfähige Indizien, sagte B.s Verteidiger Friedrich Fülscher der dpa. Mit Blick auf die mittlerweile seit mehr als fünf Jahren im Raum stehenden Verdächtigungen sprach Fülscher schon mehrmals von einer „massiven Vorverurteilungskampagne“ gegen seinen Mandanten. „Hätte ein hinreichender Tatverdacht bestanden, so wäre längst Anklage erhoben worden“, erklärte er weiter.
Die Staatsanwaltschaft hält den Maddie-Verdächtigen aber weiterhin für extrem gefährlich. Die Strafverfolger verweisen unter anderem darauf, dass ein psychiatrischer Gutachter im jüngsten Prozess festgestellt habe, dass weitere Straftaten – insbesondere Sexualstraftaten – von Christian B. zu erwarten seien. Die Gefahr bestehe unter anderem, weil B. in der Haft keine Therapie absolviert habe.
„Absolute Topliga der Gefährlichkeit“: Gutachter stuft Maddie-Verdächtigen als sehr gefährlich ein
Seiner Einschätzung nach sei der Mann in „die absolute Topliga der Gefährlichkeit“ einzuordnen, sagte der Arzt im September 2024 in einem weiteren Prozess gegen B. vor dem Landgericht Braunschweig. Der Psychiater betonte aber auch, dass er nur eine Verdachtsdiagnose stellen könne, weil B. nicht bereit gewesen sei, sich mit ihm zu treffen und mit ihm zu sprechen.
In dem Prozess in Braunschweig hatte die Staatsanwaltschaft dem Maddie-Verdächtigen drei Vergewaltigungen und zwei Fälle sexuellen Kindesmissbrauchs vorgeworfen, die er zwischen 2000 und 2017 in Portugal begangen haben soll. Im Oktober 2024 wurde B. nach einem aufwendigen Prozess freigesprochen. Das Urteil ist allerdings nicht rechtskräftig, weil die Staatsanwaltschaft in Revision ging. Mit einer Entscheidung wird aber auf keinen Fall vor der bevorstehenden Haftentlassung gerechnet.
Haftentlassung des Maddie-Verdächtigen: Staatsanwaltschaft will zumindest Auflagen erwirken
Die Staatsanwaltschaft will dem Verdächtigen nach seiner Haftentlassung zumindest Auflagen erteilen. Der 48-Jährige soll nach dem Willen der Ermittler nach der Entlassung eine elektronische Fußfessel tragen, einen festen Wohnsitz wählen müssen und das Land nicht ohne Zustimmung der Führungsaufsichtsstelle verlassen dürfen. Eine Entscheidung über diesen Antrag steht allerdings ebenfalls noch aus.
Mit den Ermittlungen gegen B. ist die Hoffnung auf eine nicht mehr für möglich gehaltene Klärung des Schicksals von Maddie McCann verbunden. Der Vermisstenfall des dreijährigen Mädchens lässt vor allem die britische Öffentlichkeit bis heute nicht los. Es vergeht kaum eine Woche, in der Boulevardmedien keine neuen Maddie-Schlagzeilen produzieren – gerade jetzt, kurz vor der bevorstehenden Freilassung des Verdächtigen. (ph/dpa)