Darsteller tanzen auf der Bühne im Neonlicht

AUDIO: Strudel von Lebensfreude: Falk Richters „Pride“ in Hannover (4 Min)

Stand: 12.09.2025 11:36 Uhr

Wie leben, lieben, fühlen und tanzen Menschen, die queer sind? Antworten gibt das Schauspiel Hannover mit Falk Richters Stück „Pride“, das unter viel Szenenapplaus Premiere gefeiert hat – und auch in den Abgrund der Queerfeindlichkeit blickt.

von Agnes Bührig

Sieben Performer erzählen von ihrem Coming out. „Ich weiß nicht mehr genau, warum ich vor meinem Coming out so nervös war. Ich glaube, ich hatte einfach Angst. I was afraid of the reactions.“ Sie sind so unterschiedlich wie die vielen Räume, die die sich drehende Bühne mit den Spiegelflächen aufmacht. Die die vielen Kostüme, die die über den Bühnenraum verteilten Spinde andeuten: poppige Farben, viel Glitzer, hohe Plateauschuhe.

In einer Parodie aufs Mann- und Frausein heißt es: „Männer! Beine auseinander. Hüfte nach vorne schieben. Frauen! Lachen über Männerwitze, aber bitte nur kurz!“. Hier muss keiner diese Rollen erfüllen. „Das könnten auch heterosexuelle Menschen von der queeren Community lernen, dass man sich generell natürlich als Mensch befreien kann“, sagt Regisseur Falk Richter. „Man muss nicht alles erfüllen, was da so an Klischee-Erwartungen gestellt wird, an das Frausein, an das Mannsein und das passiert auch immer mehr, und das ist ja eine Befreiung einer gesamten Gesellschaft.“

„Pride“: Mehr als Spaß und liebevolles Einander-Zuhören

2021 entwickelte Falk Richter „Pride“ als Beitrag zur World Pride in Kopenhagen. Viel Show-Potential hat diese Inszenierung, die immer wieder durch begeisterten Zwischenapplaus unterbrochen wird. Signe Emma hat die Videoprojektionen entwickelt.

Einige Schwarz-Weiß-Fotos von Demos für die Rechte queerer Menschen wechseln sich mit emotional wirkenden, flächig bunten Bewegtbildern ab. Die Musik erinnert an die wilden Rave-Parties in den 90er-Jahren. Sofia Södergård hat dazu Clubmoves für alle choregraphiert, dann tanzt sie wieder modern, als sei sie von Birgit Cullberg inspiriert.

„Ich würde das keinem Genre zuordnen“, meint Sofia Södergård. „Es basiert eher auf dem, was jeder und jede im Ensemble mitbringt. Wenn sie im Club tanzen, geht es um keinen bestimmten Stil. In anderen Situationen geht es ums Erzählen: Wie fühlt es sich im Körper an, wenn man gerade verletzlich ist oder sich frei fühlt? Wie bewegt er sich, wenn wir älter sind, 80 Jahre etwa, wie bewegt sich dein Körper dann?“ Denn es bleibt nicht bei Spaß und liebevollem Einander-Zuhören.

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Entlang am Abgrund der Queerfeindlichkeit

Es werden auch schmerzhafte Erfahrungen zu queerer Elternschaft, Sexualität und zum Altern des eigenen Körpers verhandelt. Die Texte wurden zum Großteil im Ensemble neu erarbeitet, viele eigene Erfahrungen sind eingeflossen. Das Politische im Privaten kann man bei diesen Erzählungen nicht überhören. Denn seit der Uraufführung vor vier Jahren, nimmt die Gewalt gegen queere Menschen zu.

Der Kampf gegen Diskriminierung spiele für sie daher immer eine Rolle, sagt Falk Richter aus eigener Erfahrung. „Wenn ich zum Beispiel morgens aufwache und dann höre ich ein Zitat von Friedrich Merz, der sagt, die Pride-Flagge soll deshalb nicht gehisst werden, weil der Bundestag kein Zirkuszelt ist, dann ist das eine klare Herabwürdigung. Das würde er zum Beispiel über die jüdische Gemeinde nicht so formulieren. Also das traut er sich da nicht, aber bei den queeren Menschen glaubt er, die kann er beleidigen.“

„Pride“ zieht einen in den Strudel von Lebensfreude queerer Menschen hinein und führt einen entlang des Abgrunds der Queerfeindlichkeit. Ein gelungener Spielzeitauftakt am Schauspiel Hannover.

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