Melsdorf. Größere Städte wie Kiel, Lübeck oder Neumünster langen für gewöhnlich bei der Grundsteuer am meisten zu. Die Gemeinde Melsdorf mit gerade mal etwas mehr als 2000 Einwohnern toppt sie neuerdings aber fast alle. Sie nimmt einen Hebesatz von sage und schreibe 734 Prozent – allerdings nur für Nichtwohngrundstücke, bei denen es sich in aller Regel um gewerblich genutzte Flächen handelt.

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Mit der seit Jahresbeginn gültigen Reform der Grundsteuer hat der Gesetzgeber auch die Möglichkeit geschaffen, diese Abgabe zu splitten. Wie schon immer gilt die Grundsteuer A allein für landwirtschaftlich genutzte Flächen. Bei der Grundsteuer B dagegen können die Städte und Gemeinden unterschiedliche Hebesätze für Flächen verlangen, die zum Wohnen oder für andere, in aller Regel gewerbliche Zwecke genutzt werden.

Grundsteuer in Melsdorf: Wer wohnt, zahlt weniger

Insofern nehmen sich die 734 Prozent aus Melsdorf nicht ganz so dramatisch aus, denn wer in der Gemeinde einfach nur wohnt, kommt mit einem vergleichsweise bescheidenen Hebesatz von 478 Prozent davon.

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Zum Vergleich: Lübeck ist mit 575 Prozent dabei, Kiel sogar mit lediglich 565. Allerdings verzichten diese Städte auf ein Splitting und setzen diese Hebel einheitlich für alle nicht landwirtschaftlichen Grundstücke an. Anders als die Stadt Neumünster, die genauso wie Melsdorf auf die differenzierte Methode setzt. 529 Prozent werden fürs Wohnen fällig, spektakulär anmutende 1009 Prozent bei gewerblicher Nutzung. Die Stadt Nortorf splittet ebenfalls und kommt auf Hebesätze von 420 beziehungsweise 800 Prozent.

Zweigeteilte Grundsteuer nicht für alle Gemeinden sinnvoll

Marco Carstensen, Kämmerer im für die Gemeinde Melsdorf zuständigen Amt Achterwehr, hält ein solches Splitting nur unter bestimmten Voraussetzungen für sinnvoll. Kommunen mit wenig Gewerbe können sich die Sache aus seiner Sicht sparen. Bei wirtschaftsstarken Gemeinden wie Melsdorf sehe es hingegen anders aus. Die Erklärung: Seit der Grundsteuerreform setzen die Finanzämter die Messbeträge und damit den rechnerischen Wert für Gewerbeflächen eher niedrig an, die für Wohnflächen dagegen eher hoch. Ohne Differenzierung würden Private also im Prinzip die Entlastungen fürs Gewerbe bezahlen, meint der Fachmann.

Firmen können die Ausgaben für die Grundsteuer ja zumindest teilweise als Betriebsausgaben gegenrechnen.

Marco Carstensen

Kämmerer des Amtes Achterwehr

Deshalb plädierte die Gemeindevertretung Melsdorf bei nur einer Gegenstimme dennoch für das nach ihrer Einschätzung zwar kompliziertere, aber auch gerechtere Modell. Fürs Wohnen gilt rückwirkend zum 1. Januar der Hebesatz von besagten 478 Prozent. Nach dem sogenannten Transparenzregister des Landes wären es dagegen 563 Prozent gewesen.

Noch keine Proteste aus der Wirtschaft in Melsdorf

Und wie reagiert das Gewerbe auf die 734 Prozent? „Bisher gab es noch keine Resonanz“, sagt Bürgermeisterin Anke Szodruch (CDU). Sie will aber nicht ausschließen, dass Unmut aufkommt, wenn in einigen Wochen die Bescheide verschickt werden.

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Andererseits glaubt der Mann vom Amt Achterwehr nicht, dass der Beschluss aus Melsdorf die Wirtschaft ins Mark trifft. „Firmen können die Ausgaben für die Grundsteuer ja zumindest teilweise als Betriebsausgaben gegenrechnen“, erklärt er.

Gerichte urteilen unterschiedlich über neue Grundsteuer

Ziemlich gelassen beobachtet Kämmerer Carstensen unterdessen, was sich an der juristischen Front tut. Einzelne Finanzgerichte haben schon Urteile zur neuen Grundsteuer gefällt. Und das „mal so, mal so“, wie er berichtet. Interessant wird es für ihn und andere Praktiker erst, wenn sich höhere Gerichte eine Meinung gebildet haben.

Die rechtlichen Scharmützel im Amt Achterwehr halten sich derweil in Grenzen. Um die 7500 Grundsteuerbescheide hat die Behörde in diesem Jahr verschickt, dazu trudelten gerade mal knapp 30 Widersprüche ein. Und selbst die richten sich nicht gegen das Amt an sich, sondern gegen als zu hoch empfundene Messbeträge, die allein von den Finanzämtern errechnet werden.

KN