Ihr Job ist selten: Annika Geiger ist eine der wenigen Kranführerinnen in Deutschland. Sie begeistert 30.000 Follower auf Social Media. Auch auf offener See war sie schon unterwegs.

Es ist sieben Uhr morgens, die Sonne taucht den Himmel in rosa. Auf dem Betriebshof der Firma Scholpp in Leonberg herrscht geschäftiges Treiben – nach und nach treffen die Mitarbeiter ein. Unter ihnen: die 23-jährige Annika Geiger. Doch sie steuert nicht etwa das Büro an: Annika ist Mobilkranführerin – eine der wenigen Frauen in dieser eher doch noch männerdominierten Branche.

Bevor es an diesem Tag auf die Baustelle geht sitzt Annika mit ihren Kollegen zusammen, während andere draußen vor der Tür noch eine Zigarette rauchen. Es wird geschwätzt, Café getrunken und diskutiert. Vor ihr auf dem Tisch liegt eine Mappe mit dem heutigen Einsatz. „Wir fahren gleich zu einem zweitägigen Auftrag auf einer Baustelle in Leinfelden-Echterdingen“, erklärt sie. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Amelie, die erst im September ihre Ausbildung zur Kranführerin begonnen hat, soll es um 7.30 Uhr losgehen.

Sicherheitscheck und Anfahrt an die Baustelle

Nach einem kurzen Briefing machen sich Annika und Amelie auf den Weg zum Kran. Der große, rote Mobilkran – liebevoll mit Kinderzeichnungen verziert, eine Aktion im Rahmen einer Spendenkampagne – steht nur wenige Schritte vom Firmengebäude entfernt. Routiniert überprüfen die beiden Frauen das Fahrzeug. Annika kontrolliert alles und zeigt ihrer Azubine die wichtigsten Schritte.

Annika Geiger, erklärt ihrer 16-Jährige Auszubildenden den Kran. Foto: Elisabeth Remmert

Annika begann ihre Ausbildung zur Kranführerin bereits mit 16 Jahren. „Eigentlich wollte ich damals etwas im Bereich Hauswirtschaft machen“, erzählt die heute 23-Jährige. Doch da sie keinen Ausbildungsplatz in diesem Bereich fand, orientierte sie sich kurzerhand um. Ein Praktikum bei der Firma Wiesbauer in Bietigheim-Bissingen öffnete ihr die Augen – und das Herz – für die Welt der Kranfahrerinnen und Kranfahrer.

„Ab da war mir klar: Ich möchte Kranführerin werden.“ 2021 schloss sie ihre Ausbildung ab.

Beruflicher Tapetenwechsel auf offener See

Zwischen ihrer Ausbildung und dem heutigen Job bei der Firma Scholpp erlebte die 23-Jährige noch einen weiteren beruflichen Meilenstein: Offshore arbeitete sie auf einem Errichterschiff der belgischen Firma DEME. Dort war sie für mehrere Wochen fest angestellt und bediente Kräne auf offener See, um Bauteile für Windkraftanlagen im Ozean zu installieren. Den Job habe sie dann aber aus persönlichen Gründen nach kurzer Zeit aufgegeben.

Zudem stellte sie in diesem Jahr als erste Frau überhaupt die Fruchtsäule auf dem Cannstatter-Wasen-Gelände auf.

Zurück zum heutigen Arbeitsauftrag: Sobald alle Sicherheitschecks abgeschlossen sind, beginnt die Fahrt. Rund 30 Minuten sind für die Strecke zur Baustelle eingeplant. „Die Anfahrten dauern meist zwischen einer halben Stunde und anderthalb Stunden“, erzählt Annika. Längere Strecken sind eher die Ausnahme – für sie jedoch Alltag. Denn sie wohnt derzeit noch in der Nähe von Heilbronn und pendelt täglich etwa eine Stunde zur Arbeit. An diesem Morgen war sie also schon lange unterwegs, bevor der Betriebshof in Leonberg zum Leben erwachte.

Kaum auf der Baustelle angekommen, warten bereits die Bauarbeiter der Firma Schmid auf die beiden Kranführerinnen. Der Auftrag für den Tag: Mit dem Mobilkran sollen Betonfertigteile bewegt und auf das im Bau befindliche Bürogebäude gehoben werden. Für Annika ist dieser Einsatz Routine – sie ist sogar ein bekanntes Gesicht. Baustellenleiter Dacaj Driton kennt sie und schätzt ihre Arbeit sehr.

Lob und Respekt von Bauleitern und Followern für die Kranführerin

„Annika macht ihren Job wirklich hervorragend. Sie diskutiert nicht lange, sondern setzt die Anweisungen direkt und präzise um“, lobt er. „Manche männliche Kollegen sind da manchmal stur oder besserwisserisch – bei ihr ist das ganz anders.“

Auch in den sozialen Medien findet Annika große Anerkennung. Über 30.000 Menschen folgen ihr auf „die_kranfahrerin“ – was einst als Spaß begann, ist heute fester Bestandteil ihres Alltags. Die Kranführerin nimmt ihre Community mit auf Baustellen, setzt kreative Trends rund um ihren Kran oder gibt spannende Einblicke in ihren Beruf. Doch auch mit sogenannten „Hatern“ hat Annika Erfahrung. „Es gibt immer wieder Menschen die es natürlich immer besser wissen.“

Die Kranführerin hat viel Abwechslung

Der Arbeitstag endet für Annika und ihre Kollegin Amelie gegen 16 Uhr. Am Abend fahren sie mit dem Auto zurück zum Betriebshof – der Kran bleibt über Nacht auf der Baustelle. Annika platzierte an ihrem ersten Einsatztag unter anderem zwei Betontreppen sowie mehrere Betonfertigteile mit einem Gewicht von jeweils fünf Tonnen. Am nächsten Tag wird die Arbeit mit den restlichen Bauteilen fortgesetzt.

Für Annika ist der Job als Kranführerin genau das, was sie sich für ihren beruflichen Alltag wünscht. Einen besonderen Lieblingsauftrag habe die 23-Jährige nicht: „Alle Aufträge machen Spaß. Klar, manche sind anstrengender als andere – aber gerade die Abwechslung macht den Job so spannend.“