Pousttchi: „Ich bin da etwas erschrocken“
Besonders kritisch sieht der Forscher die Haltung von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU), die seiner Ansicht nach „bewundernd nach China“ blicke. „Ich habe nicht den Eindruck, dass der Geist des Artikel 10 Grundgesetz, also Briefgeheimnis, Postgeheimnis, Fernmeldegeheimnis oder auch der Europäischen Menschenrechtskonvention in der EU-Kommission noch gültig ist. Ich bin da etwas erschrocken.“
Politiker hätten eigentlich den Auftrag, den freiheitlichen Rechtsstaat zu verteidigen und eben nicht Begehrlichkeiten nachzugeben, die Bürger immer mehr zu überwachen. Es könne nicht sein, dass die eigenen Staatsbürger stärker überwacht werden als Terrorverdächtige im Ausland, kritisiert Pousttchi im Gespräch mit MDR SACHSEN-ANHALT.
Rechtsstaat lässt Überwachung bei konkretem Verdacht auf schwere Straftaten zu
„Jeder ausländische Terrorverdächtige irgendwo auf der Welt hat deutsche Grundrechte. Das hat das Bundesverfassungsgericht vor einiger Zeit so entschieden. Deswegen können unsere deutschen Geheimdienste Terrorwarnungen nur noch sehr selten wirklich selbst herausfinden. Das sind immer Tipps von ausländischen Geheimdiensten, mit denen wir hier die Anschläge verhindern.“ Auf der anderen Seite solle jeder völlig unverdächtige Nutzer überwacht werden, weil er ja Kinderpornografie hin und her schicken könnte, kritisiert Pousttchi.
Der Rechtsstaat sehe vor, dass Verdächtige überwacht werden können, wenn es um schwere Straftaten geht. Das sei vollkommen in Ordnung, so Pousttchi. „Aber dass jeder Nutzer überwacht wird, weil er ja vielleicht mal irgendwann verdächtig werden könnte, das lehne ich selbstverständlich ab.“
Ein „vorgeschobenes Argument“
Die EU-Kommission rechtfertigt die Pläne damit, Darstellungen sexualisierter Gewalt gegen Kinder aufspüren zu wollen. Für Pousttchi ist das ein vorgeschobenes Argument. „Kinderpornographie muss immer herhalten, wenn man Maßnahmen durchsetzen will, die man sonst nicht durchbekäme.“
Die Bundesregierung hat sich bislang nicht eindeutig zu den Plänen positioniert. Pousttchi äußerte Zweifel, ob CDU und SPD sich klar dagegenstellen würden. Lediglich die FDP habe sich bisher kritisch geäußert – deren politische Zukunft sieht er jedoch skeptisch.