Trump Venezuela RaketenangriffEin Schiff der U.S. Navy auf dem Meer. Foto: StockMix via stockvault, CC0 1.0.

(4. September 2025, InSight Crime).- Die Vereinigten Staaten haben ihre Politik, Gruppen des organisierten Verbrechens als Terroristen zu behandeln, mit einem tödlichen Raketenangriff auf ein angebliches Drogenschmuggelboot in der Karibik auf die Spitze getrieben. Am 2. September hat Präsident Donald Trump verkündet, dass bei einem militärischen Schlag gegen ein mutmaßliches Drogenboot in der südlichen Karibik 11 angebliche Drogenschmuggler*innen getötet wurden.

Ein von den Behörden veröffentlichtes unscharfes Video scheint mehrere Menschen auf einem Boot im offenen Meer zu zeigen, bevor das Schiff in Flammen aufgeht.

Der Schlag ist Teil einer breiter angelegten Militärkampagne, die darauf zielt, Drogenhandelsrouten in der Karibik zu unterbrechen und den venezolanischen Präsidenten Nicolás Maduro einzuschüchtern. „Viele andere Menschen werden das nicht mehr machen“, sagte Trump auf einer Pressekonferenz. „Wenn sie das Video sehen, werden sie sagen: ‚Lasst uns das nicht machen‘“.

Das Weiße Haus hat wenig Details zu dem Angriff bekanntgegeben, was mehrere strategische und operative Fragen aufwirft. Im Folgenden die fünf wichtigsten Aspekte, um diese Entwicklung zu verstehen.

1. Der Angriff hatte angeblich den Tren de Aragua zum Ziel; dieser ist keine Bande des internationalen Drogenhandels

Trump sagte, die Operation zielte auf Mitglieder der venezolanischen Bande Tren de Aragua, wobei er sie als „Drogenterroristen“ bezeichnete.

Aber die Regierung brachte keinen Beweis, der die Bande mit dem mutmaßlichen Schmuggelboot in Verbindung bringt. Umfangreiche Nachforschungen von InSight Crime zum Tren de Aragua haben keinerlei Hinweis darauf ergeben, dass diese Bande in nennenswertem Maße in transnationalem Drogenschmuggel verwickelt ist.

Trump wiederholte auch seine Behauptung, dass der venezolanische Präsident Nicolás Maduro die Aktivitäten des Tren de Aragua bestimmt, obwohl US-amerikanische Geheimdienste dieser Einschätzung widersprachen.

Die Vereinigten Staaten haben auch behauptet, dass Maduro an der Spitze einer kriminellen Organisation stehe, die als Kartell der Sonnen (Cartel de Los Soles) bekannt sei. Das Kartell der Sonnen ist jedoch keine formale Organisation, sondern eher eine Beschreibung eines Systems weitverbreiteter Korruption innerhalb der Maduro-Regierung, das Drogenhandel erleichtert.

Während die venezolanische Regierung beim Drogenhandel eine Mitschuld trägt, ist das von den USA gezeichnete Bild des Kartells der Sonnen als eine koordinierte und von Maduro angeführte geopolitische Organisation nicht zutreffend. In Wirklichkeit lässt die Regierung zwar illegale Aktivitäten zu, aber führt sie nicht direkt an.

2. Der Angriff ist Teil einer breiteren Militärpräsenz in der Karibik

Der Raketenangriff ist Teil einer erheblichen Zunahme US-amerikanischer Militäraktivitäten in der Südkaribik. In den letzten Wochen hat Trump mehrere Kriegsschiffe und Tausende von US-Truppen im Rahmen dessen, was offiziell Anti-Drogen-Initiative genannt wird, in die Region verlagert.

Verschiedene Regierungen der Region, darunter Venezuelas Nachbar Kolumbien sowie Mexiko und Brasilien, haben ihre Besorgnis angesichts der Machtdemonstration und der Möglichkeit einer militärischen Konfrontation zwischen den USA und Venezuela zum Ausdruck gebracht.

Andere Regierungen jedoch haben die aggressiven Aktionen der USA begrüßt. Guyana, das in einem territorialen Konflikt mit Venezuela verstrickt ist, veröffentlichte eine Erklärung, in der es den Einsatz begrüßte. Und Premierministerin Kamla Persad-Bissessar von Trinidad und Tobago, einem Inselstaat vor der Küste Venezuelas, unterstützte den tödlichen Angriff, wobei sie äußerte, dass sie „keine Sympathie für Drogenhändler“ habe und dass die Vereinigten Staaten „sie alle gewaltsam töten“ solle.

3. Wir wissen nicht, was das angebliche Drogenboot beförderte

Das Gebiet, in dem das angebliche Drogenboot in die Luft gejagt wurde, ist ein gern genutzter Korridor für den Transport nicht nur von Drogen, sondern auch von anderer Schmuggelware und sogar von Migrant*innen

Die Behauptung der USA, dass in dem Angriff elf Menschen getötet wurden, ist erwähnenswert, denn die Besatzung von mit Drogen beladenen Boote ist üblicherweise weniger als halb so groß – ein oder zwei Schiffsführer*innen, ein*e Ingenieur*in und ein oder zwei zusätzliche Sicherheitskräfte.

Quellen vor Ort in Venezuela berichteten gegenüber InSight Crime, dass das Boot vom Bundestaat Sucre ablegte und möglicherweise zusätzlich zur Mannschaft einige Migrant*innen mit an Bord hatte. Obwohl diese ersten Informationen unbestätigt blieben, würden sie in die normalerweise in der Gegend beobachtete Muster krimineller Aktivität passen.

Darüber hinaus hatten die Drogen – falls es welche gab – möglicherweise nicht die USA als Ziel gehabt. Illegale Waren, die durch diese Region transportiert werden, sind oft für Europa oder andere Konsumentenmärkte bestimmt.

4. Die USA haben schon früher tödliche Militärgewalt gegen Drogenhändler*innen eingesetzt, wenn auch sehr selten.

Die Anwendung von tödlicher Gewalt durch das US-Militär gegen Drogenhandel ist selten, aber nicht ohne Präzedenz. Das bekannteste Beispiel ist die US-Invasion von Panama im Jahr 1989, in der US-Kräfte Hunderte panamaische Soldat*innen und Zivilist*innen töteten und den Diktator Manuel Noriega stürzten, um ihn in die Vereinigte Staaten zu bringen und ihn dort wegen Drogenhandels zu inhaftieren.

Die USA haben auch tödliche Aktionen in Mexiko, Kolumbien, Honduras und anderen Staaten indirekt unterstützt. Aber der direkte militärische Angriff gegen mutmaßliche Drogenhändler*innen markiert einen qualitativen Kurswechsel in der Strategie, mit möglicherweise unvorhergesehenen Folgen.

Hochrangige US-Beamte, unter anderem Außenminister Marco Rubio und Verteidigungsminister Pete Hegseth, sagten, dass der Angriff vom 2. September der erste von weiteren sei, die noch folgen werden.

Aber es gibt wenig Grund zu glauben, weitere Angriffe würden eine dauerhafte Wirkung auf die Drogenströme haben. Drogenhändler*innen sind anpassungsfähig und werden einfach neue Routen und Methoden finden, um die stationierten Kräfte des US-Militärs zu umgehen.

Zudem wären die Ziele der Angriffe nicht die Mitglieder mächtiger Drogenbanden, sondern die schwächsten und am einfachsten ersetzbaren Glieder der Drogenhandelskette – oft arme Fischer*innen oder andere Küstenbewohner*innen mit begrenzten Einkommensmöglichkeiten.

Die Angriffe sind nicht nur teuer und wahrscheinlich wirkungslos, sie könnten auch gefährlich sein. Weitere Angriffe erhöhen das Risiko auf irrtümliche Attacken gegen unschuldige Menschen oder einen zufälligen Zusammenstoß mit venezolanischen Streitkräften, was zu einem ernsthaften Konflikt führen könnte.

5. Die USA haben keine rechtliche Grundlage für den Angriff vorgelegt

Die Trump-Regierung hat die rechtliche Basis für den Angriff nicht öffentlich dargelegt. Trump hat angeblich geheime Befehle an das Militär unterschrieben, gegen Drogenhandelsgruppen vorzugehen; diese könnten die rechtliche Grundlage für den Angriff bilden, aber sie sind nicht veröffentlicht worden.

Die Vereinigten Staaten haben internationale Abkommen rund um die Anwendung militärischer Gewalt unterzeichnet, welche den Angriff auf Nichtkombattanten verbieten. Angesichts der Tatsache, dass rein gewinnorientierte Drogenhändler*innen nicht in gleicher Weise wie ideologische motivierte Terrorist*innen eine unmittelbare Sicherheitsbedrohung für die USA bedeuten, stellt dies die Attacke auf eine zweifelhafte Basis.

Trotz offensichtlicher Unterschiede setzt die Trump-Regierung zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität zunehmend Anti-Terror-Maßnahmen ein. In den letzten Monaten hat sie Dutzende Organisationen aus Lateinamerika und der Karibik auf die schwarze Liste ausländischer Terror-Organisationen gesetzt, darunter auch den Tren de Aragua.

Eine Einstufung als ausländische Terror-Organisation schafft nicht unbedingt die rechtliche Befugnis für die außergerichtliche Tötung von Menschen, das heißt ohne ordnungsgemäßes Verfahren, die des Drogenhandels verdächtigt werden. Die US-amerikanischen Gerichte und Gesetzgeber stehen jedoch traditionell dem Einsatz tödlicher Militärgewalt durch den Präsidenten gegen mutmaßliche Mitglieder der Gruppen auf der schwarzen Liste äußerst respektvoll gegenüber.

Übersetzung: Christa Röpstorff

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5 Dinge, die man über den Raketenangriff in der Karibik wissen sollte von Nachrichtenpool Lateinamerika ist lizenziert unter Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international.