Caracas. Caracas hat einen neuen Zwischenfall der US-Marine mit einem Zivilboot in venezolanischen Gewässern angeprangert. Die Regierung von Venezuela erklärte, dass ein Schiff der US-Marine am 12. September das venezolanische Fischerboot Carmen Rosa mit neun Fischern an Bord acht Stunden lang festgehalten habe. Der Vorfall soll sich 48 Seemeilen nordöstlich der Insel La Blanquilla in Gewässern ereignet haben, die zur ausschließlichen Wirtschaftszone Venezuelas gehörten.
Laut dem venezolanischen Außenministerium setzte der US-Zerstörer Jason Dunham, ausgerüstet mit leistungsstarken Marschflugkörpern, 18 bewaffnete Soldaten ein, die das Schiff enterten. Es bezeichnete die Aktion als „illegalen und feindseligen Übergriff“, der „eine direkte Provokation durch den unverhältnismäßigen Einsatz militärischer Mittel“ darstellt.
Der Vorfall ereignet sich während des Militäreinsatzes von acht US-Kriegsschiffen seit August im südlichen Karibikraum, darunter Zerstörer und Versorgungsschiffe. Den Einsatz begründete die US-Regierung von Donald Trump mit der Bekämpfung des internationalen Drogenhandels.
Bereits am 2. September griff das US-Militär ein aus Venezuela stammendes Zivilboot an und versenkte es. Dabei kamen elf Menschen ums Leben, die laut der Darstellung Trumps im Drogenhandel tätig waren. Die Operation löste Ablehnung in den Regierungen der Region aus. Caracas hatte den Vorfall allerdings nicht bestätigt und von einem gefälschten Video gesprochen, welches Mittels Künstlicher Intelligenz hergestellt wurde.
Der venezolanische Außenminister Yván Gil präzisierte zu dem aktuellen Vorfall, dass das Schiff Carmen Rosa ein Langleinenfischer ist, der vom venezolanischen Fischereiministerium für Fangfahrten im Karibischen Meer genehmigt wurde. Die US-militärische Aktion hätte daher keine rechtliche Grundlage.
Venezuela verlangte am Wochenende offizielle Erklärungen und prüft unterdessen, die Beschwerde bei den zuständigen internationalen Organisationen einzureichen.
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Gil warnte, dass Machtkreise in Washington darauf abzielten, Vorfälle zu provozieren, die eine militärische Eskalation in der Karibik rechtfertigen sollen. Dies sei Teil ihrer „gescheiterten Regimewechselpolitik“ gegen Venezuela.
„Die venezolanische Regierung fordert, dass die Vereinigten Staaten diese Aktionen, die die Sicherheit und den Frieden in der Karibik gefährden, unverzüglich einstellen“, heißt es im Kommuniqué des venezolanischen Außenministeriums.
Die US-Militärpräsenz in der Karibik hat Kritik mehrerer Regierungen der Region geerntet. Der Präsident von Kolumbien, Gustavo Petro, lehnte die Entsendung von Kriegsschiffen ab. Er bekräftigte, dass Konflikte auf politischem und nicht auf militärischem Wege gelöst werden müssen.
Ebenso betonte die brasilianische Regierung in regionalen Foren wie der Gemeinschaft der Lateinamerikanischen und Karibischen Staaten (Celac), dass Lateinamerika eine Friedenszone bleiben müsse. Sie lehnte Operationen ab, die Spannungen verschärfen könnten. Die Celac selbst forderte Anfang September, Lateinamerika im Einklang mit UNO-Prinzipien und staatlicher Souveränität als friedliche, interventionsfreie Region zu sichern (amerika21 berichtete).
Das Entern des Carmen Rosa verschärft das Spannungsniveau in der Karibik. Für einige Experten handelt es sich um eine Wahlkampfstrategie Trumps, um die Republikanische Partei im Hinblick auf die Zwischenwahlen 2026 zu stärken. Für andere ist es eine Provokation mit dem Ziel einer Invasion Venezuelas. Die Zukunft des Friedens in der Karibik bleibt ungewiss.