Kiel. Während die Politik in Kiel höhere Abgaben erwägt, um das Defizit im Haushalt 2026 zu drücken, warnt die Wirtschaft: Knud Hansen, Präsident der Industrie- und Handelskammer zu Kiel, erteilt etwa der Bettensteuer eine Absage. Zudem fordert er im Interview, dass die Stadt nach der Oberbürgermeister-Wahl wieder ein separates Wirtschaftsdezernat einrichtet.
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Herr Hansen, wann kommt die Wirtschaft aus ihrem Tief?
Knud Hansen: Die Konjunktur hellt sich auf, in Kiel aber schleppender als im Rest des Landes. Besonders über die Ansiedlungspolitik sind wir in Kiel nicht glücklich. Das betrifft zum Beispiel die Debatten um die Autobahn 21 im Kieler Süden, um die Bettensteuer und um die Verpackungsabgabe, die die gebeutelte Kieler Gastronomie in Sorge versetzt. Das sind Themen, die nicht geeignet sind, die Stimmung zu verbessern. Die derzeitige Zuversicht ist noch ein zartes Pflänzchen. Diskussionen um neue Abgaben sind da kontraproduktiv.
IHK-Präsident fordert Wirtschaftsdezernat für Kiel
Was kann eine Stadt wie Kiel tun, um es der Wirtschaft leichter zu machen?
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Wichtig ist eine wirtschaftsfreundliche Haltung, da ist noch Luft nach oben. Mehr als die Hälfte aller Steuereinnahmen der Stadt Kiel stammen aus der Gewerbesteuer, das sind 210 Millionen Euro. Deshalb ist unsere Forderung ganz klar, dieser Klientel eine größere Aufmerksamkeit zu geben. Wir halten es für dringend geboten, wieder ein Wirtschaftsdezernat zu gründen.
Oberbürgermeister Ulf Kämpfer (SPD) betrachtet die Wirtschaft als Chefsache und ist selbst der zuständige Dezernent. Reicht das nicht?
Wenn ich in meinem Unternehmen alles zur Chefsache erkläre, dann funktioniert am Ende gar nichts mehr. Stattdessen muss ich dem Schwerpunkt, den ich setzen will, auch organisatorisch einen Schwerpunkt geben. Das bedeutet in Kiel, dass es ein Wirtschaftsdezernat geben muss, das die Kompetenzen erhält, Wirtschaftspolitik zu betreiben.
Die Wirtschaft braucht ein deutliches Signal, dass ihre Belange auf allen Ebenen ernst genommen werden.
Knud Hansen
IHK-Präsident
Das klingt nach einer klaren Erwartung an Ulf Kämpfers Nachfolger.
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Ja, die Wirtschaft braucht ein deutliches Signal, dass ihre Belange auf allen Ebenen ernst genommen werden. Zudem halten wir es für geboten, dass der künftige Oberbürgermeister die Verwaltungsstrukturen strafft, sowohl in der Bürokratie als auch beim Personal. Der Aufwuchs auf mehr als 5000 Stellen ist überdimensioniert. Wir erwarten auch, dass er sich für die richtigen Investitionen in die Infrastruktur und in die Verkehrsanbindung einsetzt. Außerdem muss es eine schnelle Einigung mit der Bundeswehr zur Zukunft von Holtenau-Ost geben. Nicht zuletzt brauchen wir mehr Gewerbeflächen.
Sie hatten zuletzt scharf kritisiert, dass die Vergabe in der künftigen Gewerbe- und Industrieflächenstrategie der Stadt Kiel an zu viele Kriterien geknüpft werden soll. Kommt man Ihnen entgegen?
Wir stehen mit den städtischen Vertretern im Dialog und sind auf einem guten Weg, sodass der Kriterienkatalog bereits etwas von seiner Übergriffigkeit verloren hat. Die Strategie ist noch nicht beschlossen. Deshalb plädieren wir weiter für wenige, aber klare Kriterien. Auch darin zeigt sich, ob Unternehmen in Kiel willkommen sind oder nicht.
Vergabe von Gewerbeflächen in Kiel: Kriterien zu kleinteilig
Was ist in den Verhandlungen bereits gekippt worden?
Wir halten es beispielsweise für zu kleinteilig, wenn als Kriterium für eine Ansiedlung das betriebliche Mobilitätsmanagement oder die bauliche Gestaltung einbezogen werden. So etwas sollte auch nicht entscheidend dafür sein, ob ein Unternehmen in Kiel eine Genehmigung erhält. Viele Details sind auch zum Zeitpunkt der Bewerbung um eine Fläche noch gar nicht planbar. Außerdem haben wir ein sehr waches Auge darauf, dass die Gewerbefreiheit durch die Regeln nicht eingeschränkt wird.
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Sie sprechen von „den richtigen Investitionen“. Was halten Sie etwa von der Alternative zur Stadtbahn, die der CDU/FDP-Kandidat Gerrit Derkowski vorgestellt hat?
Ich finde es grundsätzlich positiv, dass auch über alternative Konzepte nachgedacht wird – das kann den Blick weiten und die Gesamtstrategie schärfen. Ein einheitliches Bild pro oder contra Stadtbahn gibt es in der Kieler Wirtschaft nicht, aber ich kann jeden Unternehmer verstehen, der zum Beispiel in der Holtenauer Straße Angst vor der langen Bauzeit hat, weil dann die Kunden ausbleiben. Angesichts der Kosten von einer halben Milliarde Euro für die erste Stadtbahn-Linie habe ich kein Verständnis für das Argument, dass Bund und Land den größten Teil bezahlen, denn es sind alles unsere Steuergelder. Diese Bedenken müssen ernst genommen werden.
Starke wirtschaftliche Impulse verspricht sich die IHK von olympischen Wettbewerben in Kiel. Sie haben eine Kampagne angekündigt. Wie weit sind Sie?
Sehr weit. Wir werden eine GmbH gründen, wie wir es vor zehn Jahren schon einmal gemacht haben. Das Ziel ist, Sponsorengelder in der Privatwirtschaft zu sammeln, um eine Kampagne auf die Beine zu stellen. Damit werben wir vor dem Bürgerentscheid, der voraussichtlich am 19. April 2026 stattfindet, um Stimmen für die Olympia-Bewerbung in Kiel. Wir sind überzeugt, dass olympische Spiele einen nachhaltig positiven Effekt für eine Region haben. Das wird zwar öffentliche Gelder kosten, aber ein Vielfaches an privaten Investitionen nach sich ziehen.
Interview: Tilmann Post
KN