Einen Ort der Begegnung schaffen und Raum geben für den Diskurs über aktuelle gesellschaftliche, politische und kirchliche Themen: Dieses Ziel verfolgt der Hildegardis-Verein mit dem alle zwei Jahre stattfindenden FrauenForum.
Am 12. und 13. September war es wieder soweit und mehr als 60 Frauen trafen sich am Freitagabend im Katholisch-Sozialen Institut in Siegburg. Für mich war es das zweite Forum, an dem ich teilnahm.
Ich hatte bereits beim letzten Mal viele spannende Frauen aus Kirche und Gesellschaft kennengelernt und freute mich auf ein Wiedersehen und auf neue Begegnungen. Besonders das Motto des diesjährigen Forums sprach mich an. „Wo Mut wächst und trägt – Christinsein in der Welt von heute.“ Welche Aspekte von Mut werden diskutiert und was bedeutet Christinsein konkret in der heutigen Zeit? Ich war gespannt darauf, welche Antworten mir das Forum geben würde.
Mut als Wegweiser
Die Veranstaltung begann mit der Begrüßung durch die Vorsitzende Charlotte Kreuter-Kirchhof. Sie betonte, dass seit der Gründung des Hildegardis-Vereins im Mai 1907 Bildung und Gleichberechtigung von Frauen eines der Hauptanliegen des Vereins gewesen seien. Mit der Vergabe von zinslosen Darlehen an Studentinnen ebnet der Verein bis heute vielen jungen Frauen den Weg in eine berufliche Unabhängigkeit.
Die erste Keynote hielt die Bundestagsabgeordnete Elisabeth Winkelmeier-Becker aus dem Rhein-Sieg-Kreis. Sie sprach über ihre Begeisterung für Politik und über die Gestaltungsmöglichkeiten für politisches Handeln. Außerdem plädierte sie dafür, seine Talente einzusetzen und aus allen Aufgaben das Beste zu machen. „Es ist wichtig, dass Frauen weiterhin an öffentlichen und gesellschaftlichen Entscheidungen mitwirken“, betonte die CDU-Politikerin.
Den zweiten Impuls des Abends hielt ich. Dabei stand für mich die zentrale Frage im Vordergrund, wo ich in meinem Leben schon mutig gewesen war. Dazu gehört unter anderem, dass ich als einziges blindes Kind in Grundschule- und Gymnasium früh lernte, selbst für mich einzustehen und für mein Ziel, das Abitur am Gymnasium in meinem Wohnort zu kämpfen.
Zum Mutigsein gehören auch meine Auslandsaufenthalte in Paris und Pisa während des Studiums. Auch hier lernte ich, in fremder Umgebung zurechtzukommen und begegnete vielen spannenden Menschen in beiden Ländern. Die Freundlichkeit der Menschen in Frankreich und Italien hatte es mir erleichtert, dort Fuß zu fassen.
Ich berichtete auch von meinem Berufsweg in den Journalismus. Es war Anfangs nicht leicht für mich, da ich mir erst ein Netzwerk aufbauen musste. Es gibt in Deutschland nicht viele blinde Journalisten und Journalistinnen. Hinzu kamen die außergewöhnlichen Bedingungen während der Corona-Pandemie, die mich in meiner Ausbildung vor neue Herausforderungen stellten.
Mittlerweile habe ich meinen Platz im Journalismus gefunden und bin der Überzeugung, dass Mut und Hartnäckigkeit sich auszahlen. Auch sprach ich über mein Verständnis von Christinsein in der heutigen Welt. Mir persönlich tut mein Glaube gut und ich tausche mich gern mit anderen darüber aus. Gemeinsam in der Bibel lesen und über die Texte diskutieren bereitet mir Freude.
Viel Raum für Begegnung
Der Netzwerkabend beim FrauenForum stand ganz im Zeichen des Themas Mut. In Kleingruppen diskutierten wir die Frage, was Mut für uns bedeutet und in welchen Situationen wir schon mutig waren. Dabei kam heraus, dass Mut oft mit Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten einhergeht, aber auch ein Sprung ins Ungewisse sein kann, bei dem wir unsere Angst überwinden müssen.
Ziel des Workshops war es, das jede Gruppe ein Wort findet, das für sie Mut symbolisiert und dies kreativ und bildlich für die anderen Teilnehmerinnen darstellt. In meiner Gruppe fiel die Wahl sehr schnell auf das Wort Weite, da Mut auch Offenheit für Neues bedeuten kann.
Im Anschluss an die Gruppenarbeit gab es ausreichend Zeit zum Netzwerken unter den Teilnehmerinnen. Dabei konnte ich viele neue Kontakte knüpfen.
Vom Pilgern und anderen Aufbrüchen
Auch der zweite Tag des FrauenForums stand im Zeichen von Begegnungen, Mut und christlichem Glauben. Beim Workshop von Stephanie Feder zum Thema Pilgern tauschten wir uns darüber aus, was Pilgern für jede von uns bedeutet. Pilgern ist nicht nur eine Art Aufbruch, sondern auch eine spirituelle Reise zu Gott und sich selbst.
Während beim Wandern eher das Erleben in der Natur im Vordergrund steht, ist es beim Pilgern die Spiritualität. Anhand eines Impulstextes des Priesters und Autors Andreas Knapp arbeiteten wir heraus, dass wir als Christen auf eine gewisse Art heimatlos sind. So wie Jesus als Wanderprediger unterwegs war, so sind auch wir als Christinnen und Christen in der heutigen Zeit auf dem Weg.
Eine Achtsamkeitsübung führte uns zu einer kleinen Pilgererfahrung nach Draußen. Hier sollten wir darauf achten, was wir in unserer unmittelbaren Umgebung schmecken, riechen und hören. Ich stand im Rosengarten vor dem Haus und eine Teilnehmerin beschrieb mir die Farben der verschiedenen Rosen.
Ich roch Lavendel und Rosmarin und hörte die Kirchenglocken im Hintergrund läuten. In dieser Übung konnten wir innehalten und erfuhren wie es beim Pilgern ist, wenn man nur im Hier und Jetzt ist und alle anderen Gedanken ausblenden kann.
Eine mutige Christin
Besonders beeindruckte mich der Lebensweg von Berta Lungstras, die uns Juliane Rams in einem weiteren Workshop des Forums vorstellte. Berta Lungstras wurde 1836 in Wahlscheid geboren und zog 1858 nach Bonn. Dort engagierte sich die evangelische Christin unter anderem in Zusammenarbeit mit den Diakonissinnen in der Krankenpflege.
Eine Begegnung mit einer jungen Frau ließ den Wunsch in ihr entstehen, sich zukünftig für Frauen einzusetzen, die unehelich schwanger geworden waren. Diese Frauen waren von der damaligen Gesellschaft ausgestoßen. Oft trieb sie die Armut in die Prostitution. Berta Lungstras‘ Vorhaben stieß auf heftige Wiederstände von Seiten ihrer eigenen Familie sowie der Kirche.
Sie aber war der Überzeugung, dass Gott ihr dabei helfen würde, für diese Frauen bessere Lebensbedingungen zu schaffen. Aller Wiederstände zum Trotz gründete sie 1873 das erste sogenannte Versorgungshaus für gefallene Mädchen, wo die jungen Frauen nach der Entbindung ein Obdach fanden.
Das war insofern eine Revolution, da die Frauen 12 Tage nach der Entbindung die regulären Kliniken verlassen mussten und es bis dato keine Aufnahmezentren gab, in denen Mutter und Kind gemeinsam eine Unterkunft fanden. In diesen Versorgungshäusern von Berta Lungstras konnten die Frauen bleiben, bis sie eine Anstellung gefunden hatten und auf eigenen Füßen stehen konnten. Heute ist nach Berta Lungstras eine Straße in Bonn benannt.
Der inneren Berufung folgen
Den Teilnehmerinnen des Frauenforums standen noch weitere Workshops zur Auswahl. Dazu gehörte unter anderem ein Workshop zum Umgang mit diskriminierenden Aussagen oder ein Workshop zum Thema Klimaschutz.
Das Abschlusspodium wurde von der Franziskanerin Sr. Dr. Katharina Ganz und der Referentin für Engagementförderung beim Diözesan-Caritasverband für das Erzbistum Köln, Bianca Pohlmann, gestaltet. Dabei stand vor allem die Frage im Vordergrund, welche Prozesse die Kirche von heute prägen.
Dazu gehört unter anderem der Synodale Weg als Reformprozess. Die Podiumsgäste sprachen sich für eine aktive Teilnahme von Frauen in der Kirche aus sowie für die Unterstützung der ehrenamtlich Tätigen, denn nur diese machten die Kirche lebendig.
Neue Perspektiven
Mir persönlich hat das diesjährige FrauenForum des Hildegardis-Vereins viele neue Perspektiven eröffnet und Einblicke in die Themen Mut und Christin sein gegeben. Christinnen wie Berta Lungstras waren mir bisher unbekannt gewesen. Auch heute gehen engagierte Frauen mit mutigem Beispiel voran.
„Frauen gehen mutig ihren Weg, folgen der inneren Berufung und setzen sich für andere ein. Das hat mir Mut gemacht“, sagte mir Geschäftsführerin Birgit Mock in einem Gespräch zum Abschluss der Veranstaltung. Diese neuen Impulse nimmt nun jede der Teilnehmerinnen auf ihren eigenen Weg mit.
Hildegardis-Verein
Der Hildegardis-Verein e.V. ist der älteste Verein zur Förderung von Frauenstudien in Deutschland und blickt auf eine mehr als hundertjährige Geschichte zurück. Er wurde im Jahr 1907 von Maria Schmitz und weiteren engagierten Katholikinnen gegründet.