Der im Fall "Maddie" verdächtige Christian B. steht mit Handschellen im Landgericht Braunschweig.

Stand: 15.09.2025 11:54 Uhr

Christian B. gilt als Hauptverdächtiger im Fall des vermissten britischen Mädchens Maddie McCann. Doch bis heute wurde keine Anklage erhoben. Hat sich die Staatsanwaltschaft zu weit aus dem Fenster gelehnt?

von Sabine Hausherr

Es war eine denkwürdige Pressekonferenz im Juni 2020, als die Staatsanwaltschaft Braunschweig verkündete, sie ermittele gegen einen deutschen Verdächtigen im Fall „Maddie“. Und zwar wegen Mordes. Das Mädchen war drei Jahre alt, als es 2007 aus einer Ferienanlage in Portugal verschwand. Der Beschuldigte Christian B. hatte seinen letzten Wohnsitz in Braunschweig. Deswegen spielte einer der weltweit mysteriösesten Kriminalfälle plötzlich in Niedersachsen. 

Maddie-Verdächtiger: Medien aus aller Welt in Braunschweig

Maddie McCann.

Maddie McCann wird seit 2007 vermisst.

Auch wenn die Staatsanwaltschaft während dieser Pressekonferenz weder ein Foto noch den Namen von Christian B. genannt hatte, dauerte es nur wenige Tage, bis alles an die Öffentlichkeit kam. Die Boulevardmedien, allen voran die britischen, hatten die Informationen in Windeseile herausbekommen und verbreitet. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Braunschweig, Christian Wolters, war selbst überrascht von der riesigen Medienlawine, die 2020 plötzlich über ihn hereinbrach. Damit hatte er so nicht gerechnet, sagt er.

Staatsanwaltschaft hoffte auf neue Hinweise im Fall „Maddie“

Er würde aber auch jetzt wieder genauso vorgehen. Denn seit 2017 hatte die Polizei schon im Stillen gegen Christian B. ermittelt. Nachdem er eine andere Haftstrafe in der JVA Wolfenbüttel abgesessen hatte und 2018 freikam, wurde er von der Braunschweiger Polizei und Mobilen Kommandos des Bundes und des Landes ständig observiert. Die Ermittler hielten Christian B. für einen Serientäter. „Wir waren damals mit unseren Ermittlungen am Ende und erhofften uns durch den Schritt in die Öffentlichkeit neue Hinweise“, sagt Wolters. „Möglicherweise auch von anderen Opfern.“

Nach Zeugenaufruf folgte neue Anklage

Mögliche Opfer und weitere Zeugen meldeten sich tatsächlich. Bis heute arbeitet die Staatsanwaltschaft Braunschweig nach eigenen Angaben mehr als 1.000 Hinweise ab, die sie in den vergangenen Jahren bekommen hat. Im Oktober 2022 folgte daraus auch eine Anklage: wegen Vergewaltigung in drei Fällen und wegen zwei Fällen von Kindesmissbrauch. Doch die Indizien reichten letztendlich nicht aus, um Christian B. zu verurteilen. Er wurde im Herbst 2024 freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft hat beim Bundesgerichtshof Revision eingelegt.

Video:
Prozess wegen Sexualstraftaten ohne Verurteilung (1 Min)

Christian B.: Wegen anderer Sexualstraftat in Haft

Noch sitzt Christian B. wegen der Vergewaltigung einer 72-jährigen Amerikanerin in Portugal eine siebenjährige Haftstrafe in der JVA Sehnde ab. Am 17. September 2025 wird er seine Strafe verbüßt haben und nach Aussagen seines Anwalts an diesem Tag auch entlassen werden. Christian Wolters von der Staatsanwaltschaft Braunschweig ist bis heute davon überzeugt, dass der mehrfach vorbestrafte Sexualstraftäter Christian B. Maddie McCann entführt und getötet hat. „Und zwar allein er.“

Nach fünf Jahren immer noch keine Anklage im Fall „Maddie“

Doch die Anklage im Fall „Maddie“ ist immer noch nicht erfolgt. „Ich kann das gut verstehen, dass das für die Öffentlichkeit nur schwer nachzuvollziehen ist, dass wir uns so klar positioniert haben und sagen: Maddie ist tot“, sagt Wolters. „Aber bei den jahrelangen Ermittlungen haben wir nichts gefunden, was Christian B. entlastet.“ Im Gegenteil. Sein Handy sei am Tatabend in der Nähe des Tatorts eingeloggt gewesen, und Zeugen hätten ausgesagt, dass Christian B. ihnen gegenüber die Entführung des Mädchens eingeräumt habe. Und es gebe noch weitere Indizien. Doch der entscheidende Beweis fehlt offenbar noch.

Video:
Fall „Maddie“: Neue Suchaktion in Portugal gestartet (1 Min)

Ob die Anklage im Fall Maddie jemals folgt, ist ungewiss

Einer, der den Gerichtsprozess gegen Christian B. in Braunschweig von Tag eins an verfolgt hat, ist Gerichtsreporter Hendrik Rasehorn von der „Braunschweiger Zeitung“. Er glaubt nicht mehr an eine Anklage im Fall „Maddie“. „Wenn man sieht, wie lange jetzt schon die Ermittlungen im Fall Maddie dauern, ist es natürlich grenzwertig, ihn bis heute in einem Mordfall als Hauptverdächtigen zu führen und dann keine Anklage folgen zu lassen“, sagt Rasehorn. „Gerade mit Blick auf die Unschuldsvermutung.“ Aber das sei eben auch die Tragik an dem Fall, sagt Rasehorn. „Wenn man das Gefühl hat, man hat den Täter, aber nicht genügend Beweise, um ihn anzuklagen.“

Der Angeklagte Christian B. kommt mit Handschellen in den Gerichtssaal im Landgericht Braunschweig.

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hält Christian B. für gefährlich. Dennoch muss er jetzt wohl aus der Haft entlassen werden.

Der Angeklagte Christian B. steht zwischen seinen Verteidigern im Gerichtssaal in Braunschweig.

Eine Strafzahlung für Christian B. ist laut der Staatsanwaltschaft beglichen worden. Es geht um rund 1.450 Euro.

Der im Fall "Maddie" verdächtige Christian B. steht mit Handschellen im Landgericht Braunschweig.

Die Geldstrafe für Christian B. ist gezahlt worden. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig hatte diese Zahlung zunächst überprüft.

Portugiesische und deutsche Polizisten durchsuchen im Zusammenhang mit dem Verschwinden von Madeleine McCann in der Nähe von Lagos im Süden Portugals das Gelände.

Die neuen Ermittlungen waren von der Staatsanwaltschaft Braunschweig angestoßen worden. Ergebnisse sind bislang nicht bekannt.