Kiel. Da kann man schon mächtig stolz sein: Der farbenfrohe Plakat-Entwurf des Grafikdesigners Erik Brandt (58) wird die kommende Kieler Woche prägen. Brandt wuchs in Norddeutschland auf. Inzwischen arbeitet er als Professor für Grafikdesign in den USA (Minneapolis College of Art and Design) und führt dort ein eigenes Grafikdesign-Studio (Typografika). Mit dem renommierten Designer sprachen wir über den Reiz der Kieler Woche, den Dialekt des Nordens und den Todestag seiner Mutter.
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Lieber Herr Brandt, erst einmal: Herzlichen Glückwunsch! Hätten Sie mit einem Sieg gerechnet?
Erik Brandt: Tausend Dank, und ehrlich gesagt – nein! Ich bewundere meine Mit-Designer. Ich war sicher, jemand anderes würde gewinnen. Ich bin einfach überglücklich, dass ich gewonnen habe. Es fühlt sich immer noch völlig unglaublich an – eine Mischung aus Schock und riesiger Freude.
Erik Brandts überraschender Sieg: Ein Kiwo-Plakat voller Emotionen
Fiel Ihnen der Entwurf eigentlich leicht?
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Wie immer steckt bei so etwas erst einmal unglaublich viel Arbeit drin, bevor man eine Richtung findet, die sich richtig anfühlt. Die Idee mit der Boje hat mich aber schon ziemlich früh angesprochen. Als sich dann die Möglichkeit ergab, ein echtes Segelrennen ins Plakat einzubinden, hat plötzlich alles zusammengepasst. Das typografische Spiel mit invertierter Schrift kam auch früh dazu – inspiriert von den Segeln, an denen man die Nummern mal normal und mal negativ sieht. Einfach wunderschön.
Herausforderungen im Design: Vom Kiwo-Plakat zum Gesamtkonzept
Worin lag für Sie die größte Herausforderung?
Der Wettbewerb verlangt ja eine Visualisierung auf so vielen Flächen und Anwendungen – das Plakat ist nur ein kleiner Teil eines größeren Systems, und alles muss zusammenpassen. Genau solche Herausforderungen liebe ich. Ich glaube, das Geheimnis meines Designs war, die Hauptelemente quasi explodieren zu lassen und sie über alle Flächen zu verteilen, dabei mit abstrahierten Formen und Farbkombinationen zu spielen.
Als der Anruf aus Kiel kam, dass Sie gewonnen haben, hatten Sie eigentlich einen ziemlich schweren Tag. Vor genau einem Jahr war Ihre Mutter gestorben. Freud und Leid lagen da ganz nah beieinander.
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Für mich war es irgendwie perfekt, an diesem Tag ihrer zu gedenken – das konnte kein Zufall sein. Ich hab so viel Freude für sie und ihr Leben gespürt, und ich weiß, sie wäre sehr stolz gewesen. Das Kiwo-Design habe ich deshalb ihr gewidmet.
Ein Blick zurück: Erik Brandts Verbindung zur Kieler Woche
Sie sind in Bad Schwartau und Hamburg aufgewachsen. 1980 fuhren Sie mit Ihrem Vater nach Kiel zur Kieler Woche. Was erinnern Sie noch von dem Ausflug?
Das ist eine lustige Geschichte. Ich erinnere mich noch gut daran und war sofort fasziniert von Kiel und seiner Geschichte.
Im Juni 2025 waren Sie nun wieder hier im Norden. Auf Einladung der Stadt. Wie haben Sie das Fest da erlebt?
Es war wirklich ein absolutes Highlight meines Lebens! Die Menschenmengen, die Parade der Schiffe, das Feuerwerk – einfach unvergesslich!
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Ich möchte die Fantasie des Betrachters einladen, mitzuspielen und Fragen zu stellen.
Erik Brandt
Grafikdesigner
Was vermissen Sie an Norddeutschland?
Den Horizont, die Ostsee und Nordsee, die Felder, die Wälder – einfach alles. Es hat sich so gut angefühlt, fast wie Heimkommen. Und ich vermisse auch den besonderen Dialekt mit Plattdeutsch und diese herrliche Direktheit. Mein Lieblings-Kommentar zum Plakat war bisher: ‚Schön ist wat anderes!‘ – so gut! Genau diese Sprache hat meine Seele geprägt.
Globale Einflüsse im Design fürs neue Kieler-Woche-Plakat: Von Afrika bis nach Japan
Sie haben unter anderem auch in Kamerun, Malawi, Ägypten und Japan gelebt. Die Jury in Kiel lobte denn auch die „globale Perspektive und die norddeutsche Bodenhaftung“ Ihres Plakat-Entwurfs. Woran erkennt der Laie das?
Meine Liebe zu starken Formen und Farben kommt ganz klar von den visuellen Eindrücken, die ich in Malawi und Kamerun erlebt habe. Die Stoffe und diese kraftvollen Formen waren so voller Freude und Inspiration. Ich habe übrigens zuerst Philosophie studiert. Dieses Studium hat mir vor allem beigebracht, gute Fragen zu stellen. Ich möchte die Fantasie des Betrachters einladen, mitzuspielen und Fragen zu stellen. Komm ein Stück näher – da ist die Antwort.
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Ein von Ihnen im Jahr 2020 entworfenes Plakat zeigt einen mit bunten Farben verfremdeten Donald Trump und den Schriftzug „Hope less“ – ein Wortspiel aus „hoffnungslos“ und der Aufforderung „hoffe wenig“. Fühlen Sie sich als „kritischer Ausländer“ in den USA derzeit noch wohl?
Ganz und gar nicht – es ist eine wirklich furchtbare Zeit, und es fühlt sich immer noch hoffnungslos an. Ich glaube immer noch daran, dass wir das überstehen werden, aber ehrlich gesagt habe ich Angst – um uns und um die ganze Welt.
Besteht die Hoffnung, dass Sie irgendwann wieder Norddeutscher oder gar Kieler werden?
Oh, das wäre wirklich ein Traum. Wenn sich für mich die Möglichkeit ergäbe, mit meinen beiden Töchtern nach Kiel zu ziehen, würde ich sofort ja sagen! Ich bin alleinerziehender Vater, und sie sind jetzt zehn und 15 Jahre alt und freuen sich riesig für mich. Ich habe fest vor, sie nächstes Jahr im Juni mitzunehmen, damit sie sehen können, wovon ihr Vater ein Teil geworden ist.
Interview: Kristiane Backheuer
KN