„Pass dich den Dingen an, mit denen dich dein Los verbunden hat. Und die Menschen, mit denen dich das Schicksal zusammengebracht hat, die habe lieb, aber aufrichtig.“
Das kleine Büchlein, in dem dieser Rat geschrieben steht, passt in jede Tasche. Es ist ein Bestseller. Auch, wenn der Autor längst tot ist. Es ist Marc Aurel. Römischer Kaiser im 2. Jahrhundert nach Christus. Gefeiert wird er aktuell im Rheinischen Landesmuseum Trier in einer großartigen Landesausstellung, die noch bis zum 23. November zu sehen ist. Sie ist in jedem Fall eine Reise wert. Doch auch wer die Fahrt dorthin nicht auf sich nehmen will, hat Gelegenheit, den Autor durch die Lektüre seiner berühmten „Selbstbetrachtungen“ kennenzulernen.
Der berühmte bronzene Pferdekopf wurde in Augsburg gefunden
Marion Giebel, die im bayerischen Pullach beheimatete Altphilologin, arbeitet seit Jahren daran, den Philosophenkaiser mehr im Freistaat zu verankern und dort bekannter zu machen. „Denn hier in Bayern war er schließlich wirklich“, betont sie. So war Marc Aurel mit seinen Truppen nicht nur in der Nähe des heutigen Regensburg an der Donau stationiert, sondern auch in Augsburg. Der bekannte bronzene Pferdekopf einer Reiterstatue wie in Rom, eines Ehrenmonuments mutmaßlich für Marc Aurel, ist in Trier zu besichtigen. Er wurde im 18. Jahrhundert am Ufer der Wertach in Augsburg gefunden. Die Stadt war zur Zeit von Marc Aurel die Hauptstadt einer der Grenzprovinzen an der Donau, Verwaltungszentrum und Militärstützpunkt. Archäologische Untersuchungen weisen darauf hin, dass Augsburg anlässlich der von Marc Aurel geführten Markomannenkriege seine Stadtmauer erhielt. Ein Grund mehr, Marc Aurel gerade in unserer Region wiederzuentdecken. „Und man sollte durchaus mehr machen aus Marc Aurel in Bayern und vor allem auch in Augsburg“, sagt Giebel.
Zumal Marc Aurel mit seinem „Tagebuch“, den „Selbstbetrachtungen“, gerade den aktuellen Zeitgeist trifft: Wann, wenn nicht jetzt, in einer Welt des rasanten Wandels, wäre der Rat eines Stoikers wertvoller? Notiert hat er seine Überlegungen allerdings nicht im stillen Kämmerlein, sondern in Kriegslagern. Denn man darf nicht vergessen: So gerne dieser Kaiser mit seinen klugen Aphorismen zitiert wird, in seiner Regierungszeit musste er vor allem eines tun: Kriege führen. Grausame Kriege. Bei denen kein Feind geschont wurde.
In einer Friedenszeit musste plötzlich auf Krieg umgerüstet werden
Und hier gibt es Parallelen zur Jetztzeit, die weitere Gründe liefern, sich mit dieser Kaiserfigur und ihrer Zeit zu beschäftigen: Marc Aurel wuchs in einer Epoche auf, in der noch weitgehend Frieden herrschte, die sogenannte Pax Romana. Sein Vorgänger, Antoninus Pius, ging als Friedenskaiser in die Geschichte ein. Als Kaiser sah sich Marc Aurel plötzlich gezwungen, die Grenzen zu verteidigen, ein riesiges Heer aufzustellen, Waffen zu organisieren. Wer durch die Ausstellung in Trier spaziert, wird nicht umhinkommen, an die aktuelle politische Lage in Europa zu denken. An all die Konflikte, an eine plötzliche Mobilmachung, an die Wiederkehr alles Militärischen.
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Marc Aurels berühmte „Selbstbetrachtungen“ nehmen in der großartigen Landesausstellung in Trier einen breiten Raum ein.
Foto: GDKE, Rheinisches Landesmuseum Trier, Foto: Th. Zühmer.
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Marc Aurels berühmte „Selbstbetrachtungen“ nehmen in der großartigen Landesausstellung in Trier einen breiten Raum ein.
Foto: GDKE, Rheinisches Landesmuseum Trier, Foto: Th. Zühmer.
Doch Altphilologin Giebel geht noch einen Schritt weiter: „Neuere Forschungen etwa des amerikanischen Historikers Kyle Harper ergeben, dass nicht etwa willkürliche Eroberungsgelüste zu den damaligen Kriegen geführt haben, sondern ein Klimawandel, eine Dürre, Ursache der Völkerwanderung gewesen ist. Ackerbauern und Viehzüchter verloren ihre Existenzgrundlage und verließen ihre Heimat in der Hoffnung, dass es ihnen anderswo besser gehen würde – und das ist ja auch heute längst wieder der Grund für viele Fluchtbewegungen.“ Auch habe eine Seuche geherrscht, eine Art Pest, die viele Menschen tötete. Auch Marc Aurel, der 180 nach Christus in Wien gestorben ist, erlag wohl der Pest. Für Giebel steht daher fest: „Marc Aurel ist aktueller denn je.“
Der „Neue Stoizismus“ ist sehr angesagt – auch unter Unternehmern und Politikern
Die Ausstellungsmacher in Trier beweisen das: Gerade in Zeiten eines Donald Trumps, eines Wladimir Putins gewinnen auch Fragen wie „Was ist gute Herrschaft?“, „Was macht Herrscher zu einem gerechten Herrscher?“, eine andere Dynamik. Ein Kaiser, der sich trotz brutaler Kriege hinsetzt, sich und sein Handeln reflektiert, ist da besonders spannend. Zumal Aurel oft um Begriffe Pflichtbewusstsein, Gemeinwohl, Tugend, Glück kreist. Politiker und Unternehmer sagen von sich oft, die „Selbstbetrachtungen“ seien für sie ein Leitfaden. Was zum Nachdenken darüber einlädt, ob und wie sich der angesagte „Neue Stoizismus“ auch mit Kriegstreiberei und Ausbeutung vereinbaren lässt?
Stoff für Diskussionen bietet Marc Aurel also in Hülle und Fülle. Wer nicht bis nach Trier fahren will, dem rät die Altphilologin Giebel in die Glyptothek nach München zu gehen und Marc Aurel dort zu besuchen. „Je nachdem, wie das Licht auf ihn fällt, hat man oft den Eindruck, er schaut einen direkt an.“ Das kleine Büchlein, seine „Selbstbetrachtungen“ kann man auch dort wunderbar studieren.
Mehr Infos zu der Landesausstellung unter www.landesmuseum-trier.de
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Daniela Hungbaur
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