Richard Garbas hat das Zimmer seines Sohnes allein eingerichtet. Foto: Markus Brändli
Seit zwei Jahren hat Richard Garbas aus Esslingen seinen Sohn Yannick nicht mehr gesehen. Die Mutter ist mit ihm verschwunden, nachdem sie das Sorgerecht verloren hatte.
Eine ungewöhnliche Ordnung herrscht im Kinderzimmer des zehnjährigen Yannick. Auf dem Boden liegt nichts, das Bett ist gemacht, alle Lustigen Taschenbücher stehen geordnet im Regal. Der Raum in der Wohnung im Esslinger Stadtteil Berkheim wirkt für ein Kinderzimmer einfach zu steril. Der Grund: Gespielt hat Yannick hier nie. Denn obwohl Richard Garbas, Yannicks Vater, per Gerichtsbeschluss das alleinige Sorgerecht hat, hat er seinen Sohn inzwischen seit zwei Jahren nicht mehr gesehen. Die Mutter ist mit dem Kind verschwunden.
Die zuständige Staatsanwaltschaft Oldenburg bestätigt, dass Ermittlungen wegen des Verdachts der Entziehung Minderjähriger laufen. Nicht das einzige Verfahren gegen die Ex-Partnerin von Garbas. Beispielsweise wurde sie vom Amtsgericht Esslingen im April vergangenen Jahres wegen 13-facher Untreue, fünffacher Unterschlagung und Fälschung beweiserheblicher Daten zu einer einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dazu kommen Fälle, bei der die Frau versucht haben soll, Häuser zu kaufen, die sie nicht bezahlen konnte. Das geht aus dem Beschluss des Amtsgerichts Vechta hervor, das entschieden hat, dass Garbas das alleinige Sorgerecht bekommt. Ein Widerspruch seitens der Mutter wurde abgelehnt. Die Übertragung des Sorgerechts auf den Vater ist laut Gericht unter anderem wegen der kriminellen Vorgeschichte der Mutter „zum Wohl von Yannick zwingend erforderlich“.
Die Mutter zieht mit Yannick von Esslingen nach Niedersachsen
Der Streit um Yannick ist lang, kompliziert und voller gegenseitiger Anschuldigungen der beiden Elternteile. Richard Garbas hat alles ordentlich gesammelt auf hunderten Seiten mit Gerichtsurteilen, Gutachten, Einsprüchen, Schriftverkehr mit Behörden sowie Beteiligten und unzähligen weiteren Dokumenten.
Richard Garbas bittet: Wer Yannick sieht, soll es der Polizei melden. Foto: privat
Ende des Jahres 2022 trennte sich das Paar, nachdem es mehr als acht Jahre zusammen in Esslingen gelebt hatte. Die Mutter zog in den Kreis Oldenburg in Niedersachsen. Ein Grund für die Trennung ist laut Garbas unter anderem gewesen, dass er erfahren habe, dass die Mutter für Yannick illegalerweise vom Staat mehr als sechs Jahre Kindesunterhalt kassiert hat. Er zeigt ein Schreiben aus dem Trennungsjahr, in dem er aufgefordert wird, seine Daten an das zuständige Amt zu senden, um zu prüfen, ob es rechtens ist, dass er keinen Unterhalt bezahlt. Es sei bereits das dritte Schreiben dieser Art gewesen. Auf seine Nachfragen, habe die Ex-Partnerin die Briefe als Fehler abgetan, die auf dem Amt passiert sein müssen.
Dass ihn seine Partnerin oft belogen habe, habe er in all den Jahren nicht bemerkt. „Das Problem war: Sie war immer zuhause. Sie hat entschieden, welche Post ich bekomme.“ Später habe er erfahren, dass sie ein Postfach hatten, von dem er nichts wusste. Dort holte die Ex-Partnerin die Briefe nach Angaben von Garbas ab, bevor sie im heimischen Briefkasten gelandet sind.
Der Vater klagt auf das alleinige Sorgerecht
Nach der Trennung habe es anfangs mit den Besuchen noch geklappt. Zuletzt sei Yannick vor zwei Jahren in den Sommerferien bei ihm gewesen. Das sei auch das letzte Mal gewesen, dass er ihn gesehen habe. Noch eine Woche lang habe er telefonischen Kontakt zu seinem Sohn gehabt, bevor er niemanden mehr erreichen habe können. Über Yannicks Schule habe er erfahren, dass er nach den Sommerferien nicht zum Unterricht erschienen sei. Die ehemalige Klassenlehrerin habe ihn informiert, dass die Schule herausfinden konnte, dass Yannick in einer anderen Schule in Visbek im Kreis Vechta angemeldet worden war. Die Mutter sei umgezogen, ohne ihm zu sagen wohin. Ein langwieriger Rechtsstreit um das alleinige Sorgerecht wurde eingeleitet. „Ich wusste zwar, wo er war, wollte ihn aber nicht einfach vor der Schule abpassen, weil das auf ihn verstörend hätte wirken können“, sagt Garbas.
Gemeinsam hätten sie bei seinen Besuchen in Niedersachsen viele Ausflüge unternommen, erzählt Richard Garbas. Foto: privat Laut Gericht ist nicht zu erwarten, dass die Mutter sich ändert
Im August vergangenen Jahres gewinnt Richard Garbas den Prozess. Im Beschluss wird Yannicks Beziehung zu seinen Eltern beschrieben: „Nachdem er zunächst über guten Kontakt zu beiden Elternteilen verfügt hat, fühlt er sich mittlerweile offensichtlich derart belastet, dass er sich nur auf die Seite der Mutter gestellt hat und den Kontakt zu seinem Vater abgebrochen hat.“ Und an anderer Stelle: „Bei allen Fragen zu seinem Vater oder vorsichtigem Kontakt zu ihm fing Yannick an zu weinen.“ Der Mutter wird in dem Dokument „Empathiearmut“ attestiert und, dass es ihr zukünftig nicht gelingen wird, „das kriminelle und dissoziale Verhalten zu unterlassen“.
Wegen der Entfremdung hätte Yannick laut Gericht vorerst in einer sogenannten Fremdunterbringung leben sollen, wo mit Hilfe von Betreuern der Kontakt zum Vater wieder aufgebaut werden hätte sollen. Dazu sei es aber laut Garbas nie gekommen. Zwei Tage vor der geplanten Unterbringung in einer pädagogischen Einrichtung sei die Mutter abgetaucht. Für eine Darstellung ihrer Sichtweise der Sachlage gegenüber unserer Zeitung war sie dementsprechend nicht kontaktierbar.
Yannick könnte im umliegenden Ausland leben
Garbas befürchte, dass sich die beiden im Ausland aufhalten, da durch den Besuch einer deutschen Schule bereits herausgekommen wäre, wo sich sein Sohn befindet. Er vermutet in einem angrenzenden Land, da Yannick keinen Reisepass habe und somit keine Grenzkontrolle passieren könne.
Richard Garbas wirkt gefasst, wenn er über den Fall spricht. Auch außerhalb von Yannicks Zimmer stehen in der Wohnung überall Lego-Modelle in Vitrinen. Garbas öffnet diverse Schränke, in denen noch massenhaft ungeöffnete Lego-Sets warten. „Das ist meine Art, damit umzugehen“, sagt der 50-Jährige. „Ich bin ein alleinerziehender Vater ohne Kind“. Am Ende bekommt er dann doch glasige Augen, als er begründet, warum er mit seinem Fall nun an die Öffentlichkeit tritt: Die Behörden hätten ihm bislang nicht helfen können. Aufrufe auf Social-Media-Plattformen hätten ebenfalls keinen Erfolg gebracht. „Ich würde ja einen Detektiv einschalten, aber ich weiß einfach nicht, was ich dem erzählen soll. Ich habe noch die Hoffnung, dass vielleicht irgendwer zufällig Yannick auf der Straße erkennt und mir sagen kann, wo er ist.“
Er bittet, es der Polizei zu melden, wenn jemand Yannick sieht.