Falsches Essen, langes Sitzen: Ein aufgeblähter Bauch ist oft mehr als nur ein kurzes Unwohlsein. Ein Ernährungsmediziner erklärt, was gegen Bauchschmerzen hilft – und wie sie die Lebensqualität einschränken.

Noch schnell eine Zwiebelsuppe, und dann ins Kino: eine Kombination, die unangenehm und sogar schmerzhaft werden kann. Wenn die Bakterien im Darm erst einmal ihr Werk verrichten, der Bauch sich wie eine Kugel wölbt und der Hosenbund zu kneifen beginnt. Der schönste Film wird unter solchen Umständen zur Tortur. Aber was passiert da im Körper?

Bei der Verdauung produzieren Bakterien Gase, das ist ganz normal. Doch bestimmte Lebensmittel wie etwa Kohl, Bohnen, Linsen und eben auch Zwiebeln sind reich an Bestandteilen, bei deren Verstoffwechselung die Bakterien besonders große Mengen Gas freisetzen. Diese Blähungen gehen bestenfalls als „Winde“ ab, oft verbunden mit Geräuschen und unangenehmen Gerüchen, was den Betroffenen in bestimmten Situationen sehr peinlich sein dürfte.

Wenn die Gase aber im Darm über Stunden „festsitzen“, kann sich ein Blähbauch bilden, wie Professor Christian Sina erklärt. Sina ist Darmspezialist und Direktor des Instituts für Ernährungsmedizin am Universitäts-Klinikum Schleswig-Holstein in Lübeck. Menschen mit einem gesunden Darm könnten Zwiebelsuppe oder Kohlgemüse meist ohne Probleme genießen. Bei einem sensibleren Darm aber genügten schon geringere Mengen, um Beschwerden zu verursachen. Doch für einen Blähbauch gibt es weit mehr Ursachen.

Ein gesunder Darm wird von einer Vielzahl verschiedener Mikroorganismen besiedelt, die mit jeweils anderen Enzymen die Nahrungsbestandteile verstoffwechseln. Mikrobiom wird heute genannt, was einst Darmflora hieß. Ist es gut ausbalanciert, funktioniert die Verdauung in der Regel optimal. Erst wenn das Mikrobiom aus dem Gleichgewicht gerät, entstehen Probleme wie etwa der Blähbauch.

„Und es gibt viele Dinge, die Einfluss auf unser Darmmikrobiom haben“, sagt Sina. Antibiotika zum Beispiel zerstören nicht nur Krankheitserreger, sondern auch „gute“ Darmbakterien, das gilt auch für Chemotherapien. Chronischer Durchfall nach einem Magen-Darm-Infekt kann ebenso wie Rauchen oder Alkohol zu einem Ungleichgewicht der Darmbakterien führen. Natürlich spielt auch der Lebensstil eine Rolle: Fast Food und stundenlanges Sitzen am Computer sind schlecht für den Darm.

Aber Vorsicht: Zu viel des Guten kann ebenfalls Symptome verursachen. „Gerade junge Frauen neigen dazu, sich sehr gesund ernähren zu wollen“, sagt Sina. Wenn aber die Ernährung recht einseitig nur aus Körnern und Salaten bestehe, kann ein Blähbauch die Folge sein. Empfohlen werden für Frauen und Männer 30 Gramm Ballaststoffe pro Tag – im Rahmen einer vielseitigen Ernährung.

Das Blähbauch-Problem tritt bei beiden Geschlechtern auf, wobei Frauen in einem Punkt besonders betroffen sind. Im Rhythmus des Menstruationszyklus wird der Darm unter dem Einfluss des Hormons Progesteron etwas träger, was Blähungen und einen Blähbauch begünstigt. Auch in den Wechseljahren und den damit verbundenen Hormonumstellungen leiden Frauen häufiger unter diesen Beschwerden.

Ein weiterer Risikofaktor ist chronische Verstopfung. Sina rät bei akuten Beschwerden etwa zu Bauchmassagen, Fencheltee oder Spaziergängen. Seine Patienten mit Blähbauch-Problemen behandelt er auch mit einem hoch dosierten Pfefferminz-Kümmelöl-Extrakt.

Was lässt sich tun, um einen Blähbauch von vornherein zu vermeiden? Die Antwort ist so einfach wie komplex: „Eine abwechslungsreiche Ernährung nach dem Motto ,Eat the rainbow‘ – also von allem etwas“, rät Sina. Obst, Gemüse, Vollkornprodukte – und als besonderer Tipp stichfester Joghurt, der noch lebende Bakterienkulturen enthält und sich damit häufig besonders positiv auf das Mikrobiom auswirkt.

Grundsätzlich sind fermentierte Lebensmittel – neben Joghurt zum Beispiel auch Sauerkraut und Bier – gut für die Darmgesundheit, weil sie die Vielfalt der Bakterien im Darm fördern. Und je vielfältiger das Mikrobiom ist, umso geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Blähbauch bildet.

Um den Darm in Schwung zu bringen, empfiehlt Sina morgens ein Glas Wasser auf nüchternen Magen. Eine geregelte Verdauung, so Sina, ist die beste Vorbeugung gegen einen Blähbauch. Ein Blähbauch kann allerdings auch Symptom einer ernsthaften Erkrankung wie etwa Darmkrebs sein.

Daher sollte die Ursache der Beschwerden, gerade wenn sie immer wieder auftreten, unbedingt abgeklärt werden, sagt Sina. Etwa acht bis zwölf Millionen Deutsche leiden am sogenannten Reizdarm-Syndrom, einer Darmerkrankung, die mit Krämpfen, Durchfall, Verstopfung, starken Blähungen und Blähbauch verbunden ist.

„Aus Angst, unangenehm aufzufallen oder nicht rechtzeitig eine Toilette zu finden, ziehen sich viele Betroffene immer mehr zurück und gehen oft nicht mehr unter Menschen“, sagt Sina. Depressionen könnten die Folge sein. Daher müsse auch die soziale Dimension des Leidens in die Behandlung einfließen.

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