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Einer von Russlands Top-Bankern warnt vor Stagnation. Ökonomen sehen darin eine versteckte Botschaft. Es kriselt in wichtigen Sektoren.
Moskau – Russlands Wirtschaft steht der „Kollaps“ bevor: jedenfalls, wenn die USA und die EU bei neuen Sanktionsplänen auf einen gemeinsamen Nenner kommen und es nach US-Finanzminister Scott Bessent geht. Gleichzeitig schwächeln sowohl die Sektoren Öl, Kohle und Gas. Die Ukraine greift weiter russische Infrastruktur an und sorgt für Benzinmangel in mehreren Regionen. Eine Menge verschiedener Einflüsse schwächen die Wirtschaft. Die Kreml-Linie ist dagegen eindeutig: Es wird keine Rezession geben.
„Stagnation“ in Russlands Wirtschaft – Putin widerspricht Top-Banker
Trotz Sanktionspolitik und Krieg wächst die Wirtschaft. Das Land ist widerstandsfähig, stärker als der Westen. So sendet es die russische Regierung jedenfalls nach außen. Analysten sehen in einem Zusammenstoß zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und Sberbank-CEO German Gref ein Zeichen dafür, dass zwischen dem Kreml und der Wirtschaftselite in Russland eine Kluft wächst.
Wladimir Putin in Moskau (Symbolfoto). © IMAGO / ZUMA Press
Am fünften September kamen die beiden auf dem Eastern Economic Forum zusammen. In diesem Rahmen teilte Gref mit, dass das russische Wirtschaftswachstum sich drastisch verlangsamt hat und nun nahe null liegt. „Das zweite Quartal kann praktisch als technische Stagnation betrachtet werden“, sagte Gref dazu. Putin legte hier postwendend Einspruch ein. Er wies die Prognose Stagnation zurück und gab an, Russlands Wirtschaft brauche eine „sanfte Landung“, um die Inflation wieder in den Griff zu bekommen.
Experten werten das als ein Zeichen für mehr. „Eine öffentliche Diskussion ist der einzige Weg für Ökonomen, dieses Problem zu Russlands Führung zu tragen“, sagte der Ökonom Oleh Pendzin gegenüber dem Nachrichtenportal Kyiv Independent. „Man sieht, wie vorsichtig Gref spricht und sicherstellt, dass der russische Federal Security Service (FSB) ihm keine Vorwürfe machen kann“. Allerdings stecke mehr dahinter.
Doch eine technische Rezession für Putins Wirtschaft? Ökonomen sehen Kluft zum Kreml
Pendzin und andere Ökonomen gehen jetzt davon aus, dass Gref den wahren Zustand von Russlands Wirtschaft sogar beschönigt hat. „Die Wirtschaft ist nicht dabei, in eine Stagnation einzutreten – sie befindet sich bereits in einer“, sagte Pendzin dazu. Die offiziellen Zahlen zeigen ein Wachstum von 1,1 Prozent im zweiten Quartal, was gegenüber den 1,4 Prozent vom ersten Quartal 2025 und dem wesentlich höheren Wachstum vom Vorjahr schon ein deutliches Minus bedeutet.
Die russische VTB-Bank aber hatte schon über zwei Quartale des Schrumpfens bemerkt. „Darum geht die VTB davon aus, dass Russland in eine technische Rezession eingetreten ist, nicht in eine Stagnation“, sagte Ivan Us vom United Ukraine Analytical Center dazu. „Gref ist näher an der Wahrheit dran, wenn er von Stagnation spricht – er schwächt den Effekt ab, weil es sich in Wahrheit schon um einen Rückgang handelt.“ Das Problem dabei: Die offiziellen Zahlen stammen zwangsläufig aus dem Kreml, und ob der unter Putin je negative Zahlen veröffentlichen würde, ist fraglich.
Kriegswirtschaft ist abgekühlt – mehrere Probleme sorgen für Stagnation
Russlands Wirtschaft steht derzeit wegen mehrere Gründe unter hohem Druck. 2023 und 2024 noch hatte der Kreml stets ein stabiles Wachstum berichtet, wofür vorrangig die Umstellung auf Kriegswirtschaft verantwortlich war. Die Produktion läuft auf Hochtouren und die Regierung in Moskau hatte dafür gesorgt, dass neben dem Militärbudget aus dem Haushalt auch noch Geld aus dem Bankensektor in die Kriegsmaschinerie fließt. Experten hatten früh vor einer Überhitzung der Wirtschaft gewarnt; das Wachstum sei nicht nachhaltig.
Die Banken-Strategie ist jetzt einer der Gründe dafür, warum es am Kreditmarkt knirscht. Weil der Kreml die Banken dazu gebracht hatte, Kredite zu eigentlich nicht machbaren Konditionen zu vergeben (zumindest an Unternehmen aus der Kriegswirtschaft oder solche, die sie beliefern), stieg die Sorge um die Nichtbedienung dieser Kredite. Ökonomen sahen hier „toxische Schulden“, die den Markt für Unternehmenskredite gefährden. Innerhalb der großen Banken kamen bereits Gerüchte auf, dass der Kreml eine Rettungsaktion starten müsste.
Zuletzt hat der Krieg den Arbeitsmarkt leer gefegt; teils, weil die Arbeitskräfte jetzt an der Front kämpfen oder weil sie geflüchtet sind. All das hat dafür gesorgt, dass der russische Finanzminister Anton Siluanow die Wachstumsprognose für Russland gesenkt hat. Statt den vorher angesagten 2,5 Prozent sollen es 2025 noch 1,5 Prozent sein.
Zentralbank versucht, Russlands Wirtschaft zu stützen – aber die Inflation macht Sorgen
Zumindest an einer Front kommt es derzeit zu einer Erleichterung für Russlands Wirtschaft. Mitte September hat die russische Zentralbank die Leitzinsen gesenkt. Diese betragen nurmehr 17 Prozent. Unternehmen haben es also wieder ein bisschen leichter, sich bei den Banken Geld zu leihen. Gref warnte allerdings davor, dass die Zinsrate auf zwölf Prozent fallen müsse, bevor Hoffnung auf ein wirtschaftliches Comeback bestehe. Zentralbank-Chefin Elvira Nabiullina muss hier allerdings darauf achten, dass zu schnelle Zinssenkungen die ohnehin schon zu hohe Inflation weiter befeuern könnten.