Die Stuttgarter Kripo verstärkt und konzentriert ihre Kräfte: Die neu gegründete Ermittlungsgruppe Titan soll nun auf die Spur eines Überfallkommandos kommen, das vor einigen Tagen in ein Einfamilienhaus im Stuttgarter Norden eindrang und mit Beute in Millionenhöhe verschwand. Die Bewohner, ein älteres Ehepaar, wurden erst nach knapp 16 Stunden entdeckt und befreit. Die Polizei will hart dran bleiben – wohl daher auch der Begriff des chemischen Elements Titan: Auch am Montag waren Polizeibeamte im Wohnquartier Lenzhalde mit Nachbarschaftsbefragungen beschäftigt.

Wem fielen verdächtige Personen oder Fahrzeuge auf, die auf ein Ausbaldowern der Opfer hindeuten könnten? Schon seit Monaten häufen sich in Stuttgart und der Region die Fälle, bei denen Bewohner in ihren eigenen vier Wänden von unbekannten Einbrechern oder Klingelgangstern überfallen und beraubt werden. Im jüngsten Fall gingen die maskierten Täter so zielgerichtet vor, dass von einer zufälligen Tat kaum die Rede sein kann. Am vergangenen Donnerstag, 11. September, gegen 2 Uhr drangen die Unbekannten über die Terrassentür in das Einfamilienhaus ein und zwangen den Hausherrn, den Tresor zu öffnen. Wussten sie von dem Stahlschrank oder hatten sie nur darauf spekuliert?

Nach Angaben der Polizei sperrten die Eindringlinge ihre Opfer in einen Raum ein, um ungestört entkommen zu können – mit Schmuck, Geld und Wertgegenständen in Millionenhöhe. Die leicht verletzten Eheleute wurden schließlich von Angehörigen befreit, nachdem ihre Tochter sich Sorgen gemacht hatte. Da war es bereits 18 Uhr – ein langer Albtraum. Die Täter waren da freilich schon über alle Berge.

Ermittler tappen im Dunkeln – auch in Degerloch

Noch immer gibt es keine heiße Spur – wie auch schon nach einem ähnlichen Raubüberfall sechs Wochen zuvor in einem Einfamilienhaus am Eschenweg in Degerloch. In der Nacht zum 1. August war eine Seniorin von drei Einbrechern überrascht und überwältigt worden. Die Täter, über das Kellerfenster eingedrungen, machten mehrere Zehntausend Euro Beute und ließen ihr Opfer gefesselt zurück. Die Männer in dunkelblauen Jogginganzügen, mit schwarzen Sturmhauben und schwarzen Schuhen verschwanden spurlos.

Diese zwei Männer sollen am 6. März eine Frau in einem Haus in Sindelfingen überfallen haben. Foto: Polizeipräsidium Ludwigsburg

Wie geraten die Opfer ins Visier? Das fragt sich auch die Kriminalpolizei des Polizeipräsidiums Ludwigsburg, die nach einem Wohnungsüberfall in der Bahnhofstraße in Sindelfingen, Kreis Böblingen, ermittelt. In diesem Fall waren es Klingelgangster, die am 6. März an der Wohnungstür eine 21-jährige Bewohnerin überwältigten und Schmuck und Bargeld raubten. Hatte sie womöglich in sozialen Medien die Aufmerksamkeit der Täter geweckt?

Dabei hat die Polizei in diesem Fall sogar einen viel versprechenden Ermittlungsansatz: Fotos aus einer Überwachungskamera im Mehrfamilienhaus. Doch die Öffentlichkeitsfahndung hat bisher noch keine heiße Spur gebracht: „Es gab noch keine Festnahmen“, sagt Ludwigsburgs Polizeisprecher André Kielneker, „die Ermittlungen dauern an.“

Krasse Fälle: Eine Bande war mit Wohnmobil auf Beutezug

Manchmal gibt es Vorbeziehungen, manchmal ist es Zufall oder ein Tipp, manchmal sind es reisende Banden. Der Blick in die kriminalistische Historie zeigt, dass es immer wieder Einbrüche und Überfälle in gehobenen Wohngegenden im Großraum Stuttgart gegeben hat. Dabei gab es gar eine besonders heftige Serie in den Jahren 2010 und 2011, als eine Familienbande einen Beutezug in Luxusvillen durch ganz Süddeutschland startete. Die Täter waren mit einem Wohnmobil als Basislager und mehreren Fahrzeugen unterwegs, spähten exklusive Wohnhäuser aus und bereiteten die Einbrüche generalstabsmäßig vor. Am Ende mit 4,9 Millionen Euro Beute.

Es traf das Haus eines Immobilienmaklers am Kräherwald, ein Einfamilienhaus an der Hasenbergsteige, eines am Bismarckturm. Neben dem Killesberg war auch die Gänsheide im Stuttgarter Osten betroffen. Tresore wurden aufgeschweißt und geplündert. Der einzige Unterschied zum aktuellen Fall: Die Täter achteten darauf, dass die Hausbesitzer nicht anwesend waren. Am Ende wurden die Villen-Einbrecher in Leonberg (Kreis Böblingen) erwischt, in Zusammenarbeit mit der Münchner Kripo, die ebenfalls Dutzende Fälle registriert hatte. Als Haupttäter wurde ein 48-Jähriger aus der Toskana entlarvt, ein Italiener, der nur mit seiner Verwandtschaft arbeitete.

Und manchmal fallen Schüsse

Die Geschichte liefert immer wieder reisende Täter – mal aus Mazedonien, etwa bei einem früheren Europaabgeordneten und Daimler-Vorstand im Stuttgarter Westen, mal aus Ungarn, wie bei einem Luxusuhren-Coup in einer Villa im Stuttgarter Osten.

Dass Überfälle, wie nun in der Feuerbacher Heide, sogar noch weitaus schlimmer ausgehen können als ohnehin schon – das zeigt ein Fall im November 2009 in der Heilbronner Straße in Feuerbach. Einbrecher waren in ein Geschäfts- und Wohnhaus eingedrungen, um einem 41-jährigen Geschäftsmann aus der Mode- und Immobilienbranche aufzulauern, der am späten Abend zurückkehrte. Man wollte ihn zwingen, den Tresor zu öffnen – doch als er auf die Eindringlinge zuging, feuerte einer mehrere Schüsse ab. Das Opfer wurde lebensgefährlich verletzt. Über eine zurückgelassene Reisetasche konnten am Ende vier italienische Täter identifiziert werden, die zu neun bis elf Jahren Haft verurteilt wurden. In diesem Fall war ein ehemaliger Mitarbeiter der Drahtzieher gewesen.