Leipzig/Dresden. London, Tirana, Bukarest – der Flugplan der mitteldeutschen Flughäfen hat in den vergangenen Monaten gleich mehrere Verluste hinnehmen müssen. Am Wochenende hoben in Schkeuditz nun die letzten Wizz-Air-Flüge nach Tirana und Bukarest ab – nach Ryanair ist es die zweite Billigfluggesellschaft, die ihre Maschinen aus Sachsen abgezogen hat. Zurück bleiben zwei Flughäfen, die diese Abgänge verkraften müssen – und mit Ryanair eine Fluggesellschaft erleben, die heftig gegen die Standorte austeilt.

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Im aktuellen Interview mit dieser Zeitung rechnete Ryanair-Country-Manager Marcel Pouchain Meyer regelrecht mit Sachsens Flughäfen ab: Zu teuer, zu wenig kompromissbereit – so lässt sich seine Standort-Kritik zusammenfassen. Wie reagiert das Flughafen-Management? Und wie entwickelt sich das Angebot an den Airports? Der Überblick.

Ryanair-Chef Eddie Wilson hatte den Rückzug aus Leipzig/Halle und Dresden verkündet.

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Wie reagiert das Flughafen-Management auf die harte Ryanair-Kritik?

Ryanair hat der Mitteldeutschen Flughafen AG (MFAG) vorgeworfen, nicht gesprächsbereit zu sein – doch aus dem Management kommt jetzt deutliche Kritik in Richtung Airline. „Schlicht falsch“ sei diese Aussage, betont das Airport-Management. „Ryanair hatte bereits sehr attraktive kommerzielle Rahmenbedingungen an beiden Standorten“. Die Flughäfen hätten in den vergangenen zwei Jahren konkrete Angebote vorgelegt und den eigenen Spielraum voll ausgereizt. Doch für Ryanair war es nicht genug.

Laut Informationen dieser Zeitung war Ende August ein Spitzengespräch zwischen Flughafenchef Götz Ahmelmann, Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und der Ryanair-Spitze geplant. Dieses habe Ryanair jedoch selbst abgesagt, schildern Insider.

Wir machen kein Rabattroulette – wir investieren in Partnerschaft. Das ist nicht immer am lautesten, aber am stabilsten.

Maret Montavon

Leiterin Kommunikation & Politische Beziehungen bei der Mitteldeutschen Flughafen AG

Maret Montavon, Leiterin Kommunikation & Politische Beziehungen bei der MFAG, betont: „Ryanair kennt uns besser, als das Interview glauben lässt. Wer Partnerschaft will, findet bei uns offene Türen. Was wir nicht machen: uns öffentlich unter Druck setzen lassen.“ Zwar sei die Tür offen, doch betont Montavon: „Wir machen kein Rabattroulette – wir investieren in Partnerschaft. Das ist nicht immer am lautesten, aber am stabilsten.“

Wie sehr treffen die Airline-Rückzüge Leipzig/Halle und Dresden?

Dass Ryanair und Wizz Air ihre Maschinen abgezogen haben, gilt zweifelsohne als Rückschlag für die Anbindung Sachsens. Leipzig schmerzt dabei vor allem der Wegfall der London-Strecke. Dass Wizz Air nun die Ziele Bukarest und Tirana gestrichen hat, sorgte für keinen so großen Aufschrei – dafür ist die wirtschaftliche und touristische Bedeutung der Ziele zu gering.

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Rückzug aus Sachsen: Auch die Billig-Fluggesellschaft Wizz Air hat sich vom Flughafen Leipzig/Halle verabschiedet.

Für den Dresdner Flughafen sind die Rückzüge insgesamt weniger gravierend: Ryanair stellte nur die Verbindung nach Mallorca ein – diese bedient aber weiterhin Eurowings. Wizz Air war in Dresden gar nicht präsent.

Wie sind die Airports jetzt beim Angebot aufgestellt?

Zunächst ein Blick auf die Anbindung an die Drehkreuze: Ab Leipzig gibt es aktuell bis zu fünf tägliche Flüge nach Frankfurt. Außerdem fliegt Austrian bis zu zweimal am Tag nach Wien. Darüber startet Turkish Airlines aktuell täglich nach Istanbul – ab November sind laut Flugplan noch fünf wöchentliche Flüge vorgesehen. Ab Dresden starten mehrfach am Tag Maschinen nach Frankfurt und München sowie einmal täglich nach Zürich.

In den vergangenen Jahren hatten Airlines innerdeutsche Verbindungen massiv zusammengestrichen: Ab Leipzig/Halle stellten Airlines der Lufthansa Group die Linienverbindungen nach Stuttgart, Köln/Bonn, Düsseldorf und München ein. Ab Dresden entfielen Verbindungen nach Stuttgart und Köln/Bonn. Düsseldorf ist zwar noch im Programm, allerdings mit reduziertem Angebot.

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Und jetzt? In der Wintersaison werden ab Leipzig/Halle bis zu 19 Ziele angeflogen – fünf weniger als im Vorjahr. Ab Dresden sind bis zu 13 Ziele geplant, neu ist Bozen/Südtirol ab Dezember. Dafür fallen Las Palmas und Fuerteventura weg.

Bei touristischen Zielen wie Antalya, den griechischen Inseln, Mallorca und Kanaren ist das Angebot damit weitestgehend stabil. Doch das Vor-Corona-Niveau ist noch immer nicht erreicht. Leipzig/Halle liegt derzeit bei 88 Prozent des Sitzplatzangebots vor der Pandemie. Zum Vergleich: Bundesweit liegt diese Erholungsrate bei 93 Prozent.

Reisende im Leipziger Flughafenterminal: Das Angebot bleibt auch in Sachsen unter Vor-Corona-NiveauWas ist dran an Ryanairs Kostenkritik?

Im Interview sagte Ryanair-Manager Marcel Pouchain Meyer: „Dresden sowie Leipzig gehören zu den teuersten Standorten in Deutschland. Teurer sind nur Frankfurt, München und Hannover.“

Der Flughafenverband ADV widerspricht: „Die Kritik von Ryanair trifft in ihrer Pauschalität nicht den Kern“, sagt ADV-Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel. „Die Flughäfen Leipzig/Halle und Dresden leiden – wie der deutsche Luftverkehr insgesamt – unter dem massiven Wettbewerbsnachteil durch hohe staatlich induzierte Standortkosten.“ Dazu zählen neben der Luftverkehrssteuer (15,53 Euro pro Fluggast) und der Luftsicherheitsgebühr auch die Flugsicherungsgebühr.

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Nach ADV-Berechnungen entstehen bei einem Flug von Leipzig nach Mallorca Kosten von 5088 Euro durch staatliche Steuern und Gebühren. Von Mailand hingegen nur 1589 Euro, von Prag 358 Euro. Beisel betont: „Nicht die Flughäfen machen den Standort Deutschland teuer – sondern die politischen Rahmenbedingungen. Die Flughafenentgelte beider Standorte liegen im unteren europäischen Durchschnitt.“

Laut sächsischer Staatsregierung sind die Entgelte an beiden Flughäfen seit 2010 um durchschnittlich 50 Prozent gestiegen. Sie hätten sich damit „kostenbezogen entwickelt“. Die hohen Kosten resultierten „insbesondere aus großen Investitionen in Terminal- und Startbahnen-Neubau, deren Amortisation sich in den Entgelten niederschlägt“, erklärt das Infrastrukturministerium auf eine Kleine Anfrage des AfD-Landtagsabgeordneten Tobias Keller.

In Leipzig/Halle und Dresden wirft man Ryanair sogar vor, die pauschale Kritik an „teuren Standorten“ sei irreführend: Sie suggeriere, die Flughäfen könnten die staatlichen Kosten beeinflussen – was aber nicht der Fall sei. MFAG-Kommunikationschefin Montavon betont: „Wer uns hohe Kosten vorwirft, sollte zuerst nach Berlin oder Brüssel schauen – nicht nach Dresden.“

Können die Flughäfen Ryanair nicht einfach einen Rabatt geben?

Nein. Die Flughäfen können ihre Entgelte, etwa für Starts und Landungen, nicht beliebig anpassen. Die Details regelt das Luftverkehrsgesetz: Die Entgelte müssen demnach diskriminierungsfrei sein – dürfen einzelne Airlines also nicht bevorzugen.

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Die Flughäfen Leipzig/Halle und Dresden versichern, man handele auf Basis „klarer gesetzlicher Regeln“. Doch Sonderkonditionen, wie sie Ryanair fordere, seien beihilferechtlich nicht zulässig und wirtschaftlich nicht tragfähig. „Einige Flughäfen mögen großzügiger sein – ob das langfristig trägt, wird sich zeigen. Wir stehen für Verlässlichkeit, Fairness und Rechtssicherheit“, betont Kommunikationsleiterin Montavon.

LVZ