Eine Frau mit braunen halblangen Haaren sitzt mit gefalteten Händen an einem Schreibtisch, im Hintergrund Poster des Wu-Tang Clans. Es ist Eva Ries.

Stand: 16.09.2025 06:00 Uhr

Eva Ries, war fast 30 Jahre lang die internationale Marketing-Managerin des Wu-Tang Clans – der wohl einflussreichsten Rap-Crew aller Zeiten. Die Doku „Evil-E – Eva Ries und der Wu-Tang Clan“ erzählt von ihrem Weg von der deutschen Provinz ins Herz der New Yorker Szene.

von Florian Schmidt

Neun Rapper, jeder mit einem eigenem Kopf und unverwechselbarem Stil, zusammen sind sie der Wu-Tang Clan und haben den Hip-Hop seit den 90er-Jahren revolutioniert. Und mittendrin: eine Frau aus Deutschland. „Authentisch, ungebändigte, rawste Rap-Energie“, sagt der ehemalige Viva-Moderator Tyron Ricketts. Auch die Stieber Twins, ein Rap-Duo aus Heidelberg, schwärmen noch heute vom Sound des Clans: „Die Männer haben den Zeitgeist geprägt. Aber das ist doch völlig absurd: Wie kann eine Frau aus Ladenburg mit dem Wu-Tang Clan in Amerika zusammenarbeiten?“

Von Nirvana zum Wu-Tang Clan

„Eigentlich habe ich den Wu-Tang Clan überhaupt erst auf die Landkarte gebracht“ – ein selbstbewusster Satz einer selbstbewussten Frau. Eva Ries begann im Rockgeschäft, arbeitete für Nirvana und Guns N‘ Roses – bis sie plötzlich in New York vor dem Clan stand. „Als International Marketing Managerin war es meine Aufgabe, den Wu-Tang Clan weltweit zu promoten. Loud Records war ein angesagtes Hip-Hop-Label in New York. Ich musste dafür sorgen, dass die Jungs mit der Presse redeten, keine Flüge verpassten und auf Tour gehen konnten.“

Mit eiserner Faust – und einem Augenzwinkern

Doch neun Männer mit großen Egos und rauen Umgangsformen unter einen Hut zu bekommen, das war alles andere als einfach, sagt Wu-Tang-Mitglied Raekwon: „Viele verstehen nicht, wie schwer das war, einen Haufen Männer aus kaputten Familien zu babysitten, die über Nacht zu Superstars wurden.“ Auch Ghostface Killah blickt im Gespräch mit Ries auf das damalige Chaos zurück. Auf die Frage, wie es für Ries gewesen sei, „sich mit so vielen Männern rumzuschlagen“ antwortet Ries: „Schlimm, wie im Zirkus.“ Inspectah Deck zieht mit einem Augenzwinkern Bilanz: „Früher hat sie sich wie ein Tyrann verhalten. Heute ist sie cool. Damals war sie wie ein Diktator – ich mache Spaß! Aber so muss man in diesem Game auch sein. Mit eiserner Faust regieren.“ 

Eva Ries ist „Evil-E“

Ries selbst sagt, sie habe sich nie angepasst – und genau das habe ihr am Ende Respekt eingebracht. „Ich habe sie nur überzeugen können, indem ich brutal ehrlich war. Ich habe mich weder angebiedert, noch hab ich mich an irgendjemanden rangeschmissen oder habe versucht, so zu sein, wie sie oder gar zu reden wie sie. Irgendwann hab ich auf einmal den Wechsel vollzogen vom Außenseiter zu jemandem, der Family war.“

Die Doku „Evil-E – Eva Ries und der Wu-Tang Clan“ kombiniert frisch geführte Interviews mit Clan-Mitgliedern mit seltenem Archivmaterial. Sie zeigt eindrucksvoll die Energie der 90er-Jahre – und stellt Ries kompromisslos ins Zentrum. Sie ist nicht immer die sympathischste Figur, beispielsweise wenn sie erzählt, dass sie schon sechs Wochen nach der Geburt ihrer Tochter wieder gearbeitet hat: „Ich war so happy, dass ich wieder raus durfte aus diesem Kinderding und wieder in einem Marketing-Meeting saß und gedacht hab: Wow, I’m back!“ Oder wenn sie auf Kritik an ihrer Person eingeht: „Es interessiert mich nicht, was andere denken. Vor allem, wenn sie nicht wissen, wie mein Verhältnis mit der Band ist. Die können glauben, ich sei von oben herab.“

Weibliche Selbstbehauptung in einer männerdominierten Welt

Genau dieser persönliche Einblick macht den Reiz der Doku aus. Sie erzählt vom Balanceakt zwischen deutscher Provinz und New York, zwischen männerdominierter Hip-Hop-Szene und weiblicher Selbstbehauptung. Von einer Frau, die Hip-Hop-Geschichte geschrieben hat – und dabei immer unbequem geblieben ist. Doch so „evil“ sei sie gar nicht gewesen, sind sich die Clan-Mitglieder einig: „Sie war ja nicht böse, sie war bloß streng, eigentlich ist sie lieb. Sie musste nur viele Rollen gleichzeitig ausfüllen.“ Viele Leute kommen und gehen in diesem Business, doch: „Sie ist immer noch hier.“

Die Doku „Evil-E – Eva Ries und der Wu-Tang Clan“ ist ab heute, Dienstag, 16.9., in der ARD-Mediathek zu sehen.