Es ist eine seltene Mischung aus Behaglichkeit und Eleganz. Mindestens acht Meter hoch erheben sich um die Besucher herum an allen vier Seiten des Saals funkelnde Büchervitrinen. Ihr Inhalt stammt schwerpunktmäßig aus dem 18. Jahrhundert, als die Literatur-Produktion explodierte; einzelne Bände reichen bis um 1500 kurz nach Erfindung des Buchdrucks zurück. Dekor und Patina der Bände machen auf den ersten Blick deutlich: Hier atmet Geschichte, die es in sich hat.
Wohnzimmer-Atmosphäre und bequeme Sessel und Stühle laden zum längeren Bleiben ein.
Foto: Sieg
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Ihre ältesten und prächtigsten Stücke hat die Landesbibliothek in diesem neuen Herzstück ihres Gebäudes am Kieler Wall schräg gegenüber vom NDR-Landesfunkhaus versammelt. Sie stammen aus den einstigen Herrenhausbibliotheken von Salzau, Rantzau (beide Kreis Plön) und Noer (Kreis Rendsburg-Eckernförde), der Privatbibliothek des Dichters Klaus Groth und aus dem einstigen Rendsburger Lehrerseminar.
Zwischen all dem Papier stehen Büsten berühmter Schleswig-Holsteiner, etwa des Eutiner Komponisten Carl Maria von Weber, des Husumer Nationalökonomen Ferdinand Tönnies oder des Kieler Chirurgen Friedrich von Esmarch. Verteilt im Raum stehen Stühle, Sessel und Tische.
Neueröffnung am 20. September
Hier lässt es sich aushalten – und das soll es auch. Nach zweijährigem Total-Umbau öffnet die Institution am Samstag, 20. September, wieder ihre Pforten. Nicht wie vorher ausschließlich als wissenschaftliche Einrichtung, sondern als sogenannter „Dritter Ort“: als öffentliche Aufenthalts- und Begegnungszone.
Wer will, kann hier durchaus auch blättern, lesen und forschen wie in einer herkömmlichen Bücherei. Aber man kann sich auch einfach hinsetzen, Kaffee trinken, Gespräche führen oder den Blick durch die Fenster auf die Kieler Förde schweifen lassen.
Die Bibliothek heißt jetzt „Kulturspeicher“
Deshalb firmiert die Landesbibliothek fortan auch nicht mehr unter ihrem bisherigen Namen, sondern als „Kulturspeicher“ mit eigenem Logo. „Die Wortschöpfung steht für einen Speicher von Wissen und Geschichte ebenso wie für die Vergangenheit des Standort selbst“, erklärt Bibliotheksdirektor Prof. Martin Laetzel. Die Adresse ist nämlich der 1926 errichtete Sartori & Berger-Speicher, einst Lagerstätte für Getreide, Kaffee und anderes Stückgut.
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Tag der offenen Türgrößer alsGrößer als Zeichen
Am Samstag, 20. September, feiert die Landesbibliothek in Kiel, jetzt unter dem Namen „Kulturspeicher“, ihre Wiedereröffnung mit einem Tag der offenen Tür von 11 bis 17 Uhr. Es gibt dabei unter anderem Führungen mit Einblicken hinter die Kulissen, offene Magazine, Autorenlesungen mit Arne Suttkus und Arne Rautenberg, Kamishibai – ein Erzähltheater mit Bildern – Infostände des Landesamts für Denkmalpflege und des Vereins Historische Landeshalle, ein Mitmachangebot des Comic Centers Kiel und ein riesiges Schachspiel, anknüpfend an eine schachhistorische Sammlung der Landesbibliothek.
Bereits an diesem Mittwoch findet im Beisein von Ministerpräsident Daniel Günther und geladenen Gästen die offizielle Einweihung des „Kulturspreichers“ statt.
„Man kann sich bei uns eigentlich mit allem beschäftigen, was mit Schleswig-Holstein zu tun hat.“
Prof. Martin Laetzel
Direktor der Landesbibliothek
Ziel der Neugestaltung ist es, einer oft übersehenen kulturhistorischen Schatzkammer mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen. „Man kann sich bei uns eigentlich mit allem beschäftigen, was mit Schleswig-Holstein zu tun hat“, sagt Laetzel. Die Landesbibliothek bündelt jegliche Erkenntnisse zu Geschichte, Traditionen und Kultur des nördlichsten Bundeslands.
Die Landesbibliothek füllt einen großen Teil des Sartori & Berger-Speichers aus dem Jahr 1926 am Kieler Wall.
Foto: fju
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Unter anderem jedes Buch, das je erschienen ist und irgendwie einen Bezug zu Schleswig-Holstein oder Schleswig-Holsteinern hat, befindet sich hier. Auf 450.000 Exemplare summiert sich allein die Zahl der Druckmedien. Hinzu kommen 60.000 historische Bilddokumente von so gut wie jeder Stadt und anderen Orten im Land, 8000 Landkarten, 200.000 Handschriften, 28.000 Notenblätter und 13.000 Münzen und Geldscheine. Nicht zu vergessen alle je in Schleswig-Holstein herausgegebenen Zeitungen auf Mikrofilm.
Architekten-Größe aus den Niederlanden
Für den neuen Rahmen all dessen hat Ex-Kulturministerin Karin Prien den niederländischen Architekten Aat Vos vom Büro „Includi“ angeheuert. Er ist international eine Größe in seiner Branche und hat außer in seiner Heimat zum Beispiel auch in Oslo und im Ruhrgebiet herkömmliche Bibliotheken in Dritte Orte verwandelt.
Eine neue Eingangshalle verbindet die beiden öffentlich zugänglichen Etagen der Landesbibliothek.
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Kosten von 4,3 Millionen Euro
1,8 Millionen Euro hat sich das Land die neue Innenausstattung kosten lassen. Teurer noch war mit 2,5 Millionen Euro der eigentliche Gebäudeumbau. Den hat nicht das Land bezahlt, sondern die Reederei Sartori & Berger als Eigentümer der Immobilie. Aber im Gegenzug erhöht sich wegen der gestiegenen Wertigkeit die Miete, die das Land über die nächsten 15 Jahre zahlt, um monatlich 32.783 Euro.
Weite Bereich des Hauses sind entkernt worden. Sogar einen neuen Eingang gibt es, anders als der alte nicht tiefergelegt, sondern auf einer Ebene mit der Sichtachse von der gegenüberliegenden Straßenseite. Das soll den „Kulturspeicher“ besser zur Stadt hin öffnen.
Bullaugen zum Hinlegen schlagen einen Bogen zwischen der maritimen Vergangenheit des Gebäudes als Hafenspeicher und der heutigen Nutzung als Bibliothek.
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500 Quadratmeter im Erdgeschoss und 250 Quadratmeter in der ersten Etage sind jetzt öffentlich zugänglich, unterteilt „in eine gewisse akustische Zonierung“, wie Dezernentin Sonja Grund es ausdrückt. Soll heißen: Unten Kommunikationsbereich, oben Lernbereich.
Mehrere Büsten schleswig-holsteinischer Kulturpersönlichkeiten wie hier der Dichter Klaus Groth lockern die Bücherwände auf.
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Verschiedene akustische Zonen
In jeder beliebigen Lautstärke unterhalten darf man sich im Café-Bereich, den die auch anderswo in Kiel tätige Rösterei Loppo betreibt. Schon ein bisschen leiser möge es zugehen in den angrenzenden Sitzbereichen. Noch ein bisschen zivilisierter im eigentlichen Lesesaal für wissenschaftlich orientierte Nutzer im ersten Obergeschoss.
Und mehr oder weniger still im Forscherzimmer, wo man sich kostbare Unikate vorlegen lassen kann. Aber selbst dort hat der Architekt statt auf Einzelarbeitsplätze auf einen ausladenden Gemeinschaftstisch gesetzt. Das Konzept: Selbst bei individueller Beschäftigung Kontakte knüpfen können.
Größere Teile der Flächen im Erdgeschoss sind für Tagungen und Vorträge nutzbar. Zudem wurde ein „durchsichtiges Archiv“ eingebaut. Große siebartige Löcher geben den Blick für Besucher ins Innere frei. „Es reicht nicht, Dinge einfach wegzusperren“, sagt Laetzel.
„Wir möchten das Publikum dazu anregen, den Archivaren beim Sichten von Material auf die Finger zu gucken und ihnen Fragen zu stellen.“ Eine andere Nutzungsmöglichkeit, zu der Dezernentin Maike Manske auffordert: „Zeigen Sie mir doch mal eine historische Abbildung meiner Heimatstadt.“
Nach außen hin firmiert die Landesbibliothek jetzt als „Kulturspeicher“ mit eigenem Logo.
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Nicht mehr wie bisher historisch mit Zetteln und Papier erfolgt künftig die Ausleihe: Auch die Landesbibliothek hat jetzt Selbstverbuchungsautomaten installiert. Zudem können vorbestellte Bücher zum Ausleihen eine Stunde länger abgeholt werden als das Bibliothekspersonal im Haus ist.
Lyrik mit Virtual Reality-Brillen
„An viele Zielgruppen sind wir bisher nicht herangekommen“, weiß Maike Manske. Nicht allein durch die offeneren, einladenderen Räumlichkeiten wolle man „Zukunftsbesucher herlocken“, wie sie insbesondere Angehörige jüngerer Generationen nennt.
Auch in Form eines neuen digitalen Formats ist dafür ein Anfang gemacht: Mit zwei Virtual-Reality-Brillen soll man, im Sessel sitzend, peu à peu in die Welt schleswig-holsteinischer Autoren eintauchen können. Den Anfang macht Lyrik von Theodor Storm und Klaus Groth.
Für etwa zehn Minuten lang kann man sich da zum Beispiel so fühlen, als würde man zu passenden Versen am Nordseedeich spazieren gehen. So lädt der „Kulturspeicher“ nicht nur zu sich ein, sondern bewegt sich auch ein Stück hinaus ins Land.