In seinem starken Debutroman „Märtyrer“ umspannt Kaveh Akbar eine Zeit von der iranischen Revolution bis in die USA der heutigen Zeit und zieht die Leser dabei immer mehr in seinen Bann
Von Karsten Herrmann
Besprochene Bücher / Literaturhinweise
Im Zentrum des Romans steht der junge Ich-Erzähler Cyrus, der mit seinem Leben nicht klarkommt und sich mit jeder Menge Alkohol und chemischen Substanzen zudröhnt. Er ist mit seinem Vater Anfang der 2000er in die USA gekommen, nachdem seine Mutter bei einem durch das US-Militär verursachten Flugzeugabsturz ums Leben gekommen ist. Nach einer „göttlichen Erscheinung“ im Rausch macht Cyrus einen Entzug, fängt an Gedichte zu schreiben und jobbt in einem Krankenhaus, wo er zu Ausbildungszwecken Kranke oder Angehörige von Gestorbenen spielt. Er ist auf der Suche nach einem festen Glauben oder eine gute Sache, für die es sich zu sterben lohnt – und beschließt ein Buch über Märtyrer zu schreiben, dass mit ihm selbst enden soll.
Kaveh Akbar switcht in seinem Roman immer wieder zwischen Gegenwart und Vergangenheit und zwischen dem Iran der Revolution und dem Leben von Cyrus im Mittleren Westen in der Zeit nach 9/11. Sein Vater hält hier seinen Sohn und sich mit einem Aushilfsjob in einer Hühnerfarm über Wasser und wie eine schwärende Wunde liegt dabei der Tod der Mutter über der dezimierten Familie.
In Rückblenden erfahren wir vom Leben der Mutter und ihres Bruders, der im Iran-Irak-Krieg mit einem Pferd als weißer Engel über die Schlachtfelder ritt, um die Sterbenden zu beruhigen. Eine der schönsten Passagen in diesem Buch schildert die wie aus dem Nichts aufflammende Freundschaft seiner Mutter Roya mit einer Frau, die gegen ihren Mann und das Regime aufbegehrt: „Mein Leben war ein Gemälde, das bis zu diesem Moment falsch herumgehangen hatte, bis Leila hereinspaziert war.“
In der Gegenwart stößt der an seinem Romanprojekt arbeitende Cyrus auf die Ankündigung der Performance einer sterbenden iranischen Künstlerin in New York: In den letzten Tagen ihres Lebens bietet sie den Museums-Besucher*innen ein „Death Speak“ an. Zusammen mit seinem Freund Zee reist er dorthin und es entspannt sich vom ersten Augenblick an eine magische Verbindung zwischen ihm und der Künstlerin, die zu einer überraschenden Wendung im Leben von Cyrus führt.
Kaveh Akbar lotet in seinem Roman mit Drive und Lakonie die Untiefen und Verwerfungen des Lebens und die Suche nach Sinn aus und lässt das Schicksal dabei wilde Volten schlagen. Seine lyrische Vergangenheit macht sich in poetischen Sätzen voller Magie und Leuchtkraft bemerkbar und über allen Schmerz und alle Verzweiflung hinweg scheint hier unbändiger Lebenswille und ironischer Trotz durch: „Als wäre man Gott nahe genug, um ihm mit einem Wimpernschlag eins auf die Nase zu geben.“ „Märtyrer“ ist ein Buch, das mit jeder Seite besser wird und in einem packenden Finale endet.

