Das OLG Stuttgart verurteilte Sulaiman A. wegen Mordes zu lebenslanger Haft. Im Entführungskomplex um die Block-Kinder wird nun auch gegen August Hanning ermittelt. In Großkanzleien arbeiten vor allem Jurist:innen aus der Oberschicht.
Thema des Tages
OLG Stuttgart zu Messerattacke von Mannheim: Wegen Mordes sowie versuchten Mordes in vier Fällen hat das Oberlandesgericht Stuttgart Sulaiman A. zu lebenslanger Haft verurteilt und zudem die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Der Afghane hatte im Mai 2024 auf dem Mannheimer Marktplatz Teilnehmende einer islamkritischen Veranstaltung angegriffen und bei der darauffolgenden Auseinandersetzung den Polizisten Rouven Laur getötet. Der vor der Tat polizeilich nicht in Erscheinung getretene und als gut integriert geltende A. hatte im Verfahren angegeben, dass der Gaza-Krieg sein Leben verändert hatte. Nach den Feststellungen des Gerichts hatte er über Kontakte im Netz ein gefestigtes islamistisches Weltbild entwickelt. Über das Urteil und dessen dreistündige mündliche Begründung schreiben FAZ (Rüdiger Soldt), SZ (Max Ferstl), taz (Benno Stieber), zdf.de (Daniel Heymann/Luisa Houben), tagesschau.de (Frank Bräutigam), beck-aktuell und LTO.
Rechtspolitik
BVerfG-Richterwahl: Auf einer Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat Fraktions-Chef Jens Spahn seine Unterstützung für die von der SPD als Verfassungsrichterin nominierte BVerwG-Richterin Sigrid Emmenegger bekannt gegeben. Die Abstimmung im Wahlausschuss soll am kommenden Montag, die Abstimmung im Plenum des Bundestags soll am Donnerstag der nächsten Woche stattfinden, schreibt LTO.
Mieterschutz: Eine vom Bundesjustizministerium einberufene Expertenkommission zum Mietrecht hat ihre Arbeit aufgenommen. Bis zum Ende 2026 soll die Kommission Vorschläge für den effektiven Schutz vor überhöhten Mieten erarbeiten. beck-aktuell und taz (Jasmin Kalarickal) berichten.
Bürgergeld/Existenzminimum: Aus Anlass des von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) ausgerufenen „Herbst der Reformen“, bei dem es auch zu Einschnitten beim Bürgergeld kommen soll, erläutert Rechtsreferendarin Annalena Mayr auf beck-aktuell die verfassungsrechtliche Herleitung des Existenzminimums, dessen praktische Ermittlung sowie den – relativ engen – Rahmen für Sanktionen gegenüber Leistungsbeziehenden, die eine Mitwirkung verweigern.
Justiz
GenStA Hamburg – Entführung der Block-Kinder: Die Generalstaatsanwaltschaft Hamburg hat mitgeteilt, ihre Ermittlungen im Entführungskomplex Block nun auch gegen den ehemaligen Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes, August Hanning, zu führen. Die von Hanning und einem pensionierten Beamten des Hamburger Landeskriminalamts geführte Sicherheitsfirma „System 360“ stehe im Verdacht, bereits 2022 einen Versuch zur Entführung der in Dänemark lebenden Kinder Christina Blocks unternommen zu haben. Darüber hinaus solle das Unternehmen auch versucht haben, Blocks Ex-Ehemann Stephan Hensel und seinen Anwalt mit dem Besitz von Kinderpornographie zu kompromitieren. Zu Ermittlungszwecken wurden verschiedene Wohn- und Geschäftsadressen der Beschuldigten durchsucht. spiegel.de (Jörg Diehl u.a.), SZ (Jana Stegemann u.a.) und LTO berichten.
VerfGH NRW zu Corona-Krediten: Die von der nordrhein-westfälischen Landesregierung aufgenommenen vier „Rettungsschirm-Kredite“ zur Bewältigung coronabedingter Sonderausgaben haben nicht das Budgetrecht des Landtags verletzt. Dies entschied der Verfassungsgerichtshof des Landes unter Abweisung einer von SPD und FDP erhobenen Organklage mit 4 zu 3 Stimmen. Die Kreditaufnahme habe sich im Rahmen der Zweckbestimmung des Sondervermögens bewegt und sei nicht zur Deckung allgemeiner Haushaltslöcher verwendet worden. FAZ (Reiner Burger) und beck-aktuell berichten.
VerfGH Berlin zu „Berlin autofrei“: Im Recht und Steuern-Teil der FAZ unterziehen Anwalt Holger Schmitz und Anwältin Thea Hustede die Ende Juni verkündete Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs Berlin über die Zulässigkeit des Volksbegehrens „Berlin autofrei“ einer kritischen Analyse. Wenn bereits die Annahme einer Gesetzgebungszuständigkeit Berlins fraglich ist, überrasche es, dass der VerfGH einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit verneinte.
BGH zu Cum-Ex/Ulf Johannemann: Die Verurteilung des früheren Freshfields-Partners Ulf Johannemann wegen Beihilfe zu schwerer Steuerhinterziehung ist rechtskräftig. Mit nun veröffentlichtem Beschluss verwarf der Bundesgerichtshof Anfang Juli die gegen die Verurteilung erhobene Revision. Johannemann hatte in Gutachten die steuerrechtliche Unbedenklichkeit von Cum-Ex-Manipulationen bestätigt und damit objektiv falsche Auskünfte erteilt, so der BGH. LTO berichtet.
BGH zu Proberichter: Mit nun veröffentlichtem Beschluss hat der Bundesgerichtshof Ende Juli der Rechtsbeschwerde eines abgelehnten Asylbewerbers aus Afghanistan stattgegeben, mit der dieser eine landgerichtliche Entscheidung zur Überstellungshaft angriff. Am Landgericht hatte über seine Beschwerde gegen die Haftanordnung ein Proberichter als Einzelrichter entschieden. Nach § 68 IV FamFG war die Betrauung eines Proberichters mit der Entscheidung über eine Beschwerde jedoch unzulässig. Das LG war also falsch besetzt. beck-aktuell berichtet.
BGH zu Tod bei Hausgeburt: Der Bundesgerichtshof hat mit nun veröffentlichtem Beschluss vor einem Monat den Schuldspruch der landgerichtlichen Verurteilung einer Hebamme bestätigt, den Strafausspruch jedoch aufgehoben. Die Hebamme war wegen Körperverletzung mit Todesfolge zum Nachteil des ungeborenen Kindes sowie Körperverletzung der Mutter zu gut drei Jahren Haft verurteilt worden, da sie nicht über die im konkreten Fall vorliegenden Gefahren einer Hausgeburt aufgeklärt und diese trotz erheblicher Komplikationen fortgesetzt hatte. Der berücksichtigte Tatzeitraum von mehreren Monaten sei jedoch zu großzügig bemessen, so der BGH laut beck-aktuell.
OLG Celle – Christian B.: Nach Ablauf der in anderer Sache verhängten Haftstrafe wird Christian B. – seit geraumer Zeit Verdächtiger im Vermisstenfall Maddie – voraussichtlich am heutigen Mittwoch aus der JVA Sehnde entlassen. Nach Recherchen von spiegel.de (Hubert Gude) hat das Landgericht Hildesheim in der vergangenen Woche im Rahmen der Führungsaufsicht eine Reihe von Auflagen gegen B. verfügt, gegen die er jedoch Beschwerde erhoben hat, über die noch das Oberlandesgericht Celle entscheiden muss. Bis dahin darf B. Deutschland nicht verlassen, muss eine Fußfessel tragen und ist aufgefordert, sich einen festen Wohnsitz zu nehmen.
OLG Celle – Hisbollah-Drohnen: Wegen Beihilfe zum versuchten Mord sowie Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung hat der Generalbundesanwalt Anklage gegen Fadel Z. am Oberlandesgericht Celle erhoben. Als langjähriges Mitglied der Hisbollah soll Z. seit 2022 als sogenannter Auslandsoperateur Materialien für den Bau von Kampfdrohnen erworben und diese in den Libanon verschickt haben. Dies berichtet die FAZ (Marlene Grunert).
LG Berlin I zu Clankriminalität: Ulf Poschardt (Welt) nimmt die aktuelle Verurteilung zweier Brüder durch das Landgericht Berlin I wegen brutaler Angriffe zu langjährigen Haftstrafen im Leitartikel zum Anlass eines Rundumschlags gegen progressive „Medienmacher:innen“. Diese ignorierten „toxische Männlichkeit“, sobald sie aus dem Clan-Milieu komme und trügen so zur Erosion des Rechtsstaats bei. Justizsenatorin Felor Badenberg (CDU) sei aufgefordert, „im Justizapparat aufzuräumen, solange sie das noch kann,“ am besten „hart und radikal und schnell.“
LG Arnsberg zu Durchsuchung wegen Anti-Merz-Graffiti: Der ARD-RadioReportRecht (Egzona Hyseni) fasst den Fall des mittlerweile als rechtswidrig aufgehobenen Durchsuchungsbeschlusses zu Lasten einer 17-jährigen Juso-Funktionärin im Sauerland zusammen, lässt hierbei auch ihren Verteidiger zu Wort kommen und geht im Weiteren auf die Voraussetzungen der richterlichen Anordnung einer Durchsuchung ein.
AG Düsseldorf zu Klimaprotest: Das Amtsgericht Düsseldorf hat einen 22-jährigen Klimaaktivisten wegen der Beteiligung an einer Blockade des Rollfelds des örtlichen Flughafen u.a. wegen Hausfriedensbruch verurteilt. Wegen seines jungen Alters beließ es das Gericht bei einer Verwarnung. Ein Zivilverfahren mit Schadensersatzforderungen des Flughafens soll im nächsten Monat am Landgericht beginnen, so beck-aktuell.
AG München zu Beschaffenheitsvereinbarung bei Pauschalreise: Über das Urteil des Amtsgerichts München zum wirksamen Rücktritt eines Reiseinteressenten, dem im Reisebüro ein renoviertes Zimmer versprochen worden war, berichtet nun auch LTO.
VG Cottbus/VG Dresden – LEAG: Die Umweltverbände DUH und Greenpeace haben bei den Verwaltungsgerichten Cottbus und Dresden Eilanträge gegen die geplante Umstrukturierung des Energieversorgers LEAG eingereicht. Sie befürchten, dass der geplante Unternehmensumbau dazu diene, möglichen Forderungen wegen erforderlicher Umweltsanierungsmaßnahmen aus dem Weg zu gehen. Die zuständigen Landesämter für Bergbau sollen deswegen verpflichtet werden, Sicherheitsleistungen vom Unternehmen einzufordern. Die taz (Jörg Staude) berichtet.
StA München I – Alfons Schuhbeck: Die Staatsanwaltschaft München I prüft derzeit die Haftfähigkeit des u.a. wegen Steuerhinterziehung zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilten früheren Starkochs Alfons Schuhbeck. Eine gesundheitsbedingte Unterbrechung des Vollzugs war am Montag abgelaufen, es sei aber immer noch unklar, ob Schuhbeck hinter Gittern wie erforderlich behandelt werden kann. LTO berichtet.
BVerfG: Auch die Welt (Ricarda Breyton) bringt nun ein Interview mit der früheren Verfassungsrichterin Susanne Baer. Die Rechtsprofessorin spricht über die mit ihrem Buch „Rote Linien“ verfolgte Absicht, das Vertrauen in das Bundesverfassungsgericht zu festigen. Baer widerspricht den Vorwürfen, das BVerfG sei in der Pandemie zu sehr auf Regierungsseite gestanden und in der Migrationspolitik zu sehr auf Seite der Migrant:innen. Zur nominierten BVerfG-Richterkandidatin Sigrid Emmenegger sagt Baer: „Es ist immer klug, hervorragende Juristinnen vorzuschlagen.“
Recht in der Welt
Italien – Nord-Stream-Sprengung: Ein Gericht in Bologna hat die von der deutschen Justiz beantragte Auslieferung des Ukrainers Serhij K. gebilligt. K. soll an der Sprengung der Nord-Stream-Pipelines in der Ostsee beteiligt gewesen sein, bestreitet dies aber bislang. Eine endgültige Entscheidung über die Auslieferung obliegt nun dem Kassationsgerichtshof, der bereits für den heutigen Mittwoch eine Anhörung angesetzt hat. FAZ (Julian Staib) und LTO berichten.
Stephan Löwenstein (FAZ) kommentiert, dass dem „Aggressionsopfer“ Ukraine Fehler verziehen werden können. Dies setze aber Faktenkenntnis voraus, die nur ein Gericht erarbeiten könne.
USA – Mord an Charlie Kirk: Der 22-jährige Tyler Robinson ist im US-Bundesstaat Utah u.a. wegen Mordes an dem rechten Influencer Charlie Kirk angeklagt worden. Im Falle einer Verurteilung drohe ihm die Todesstrafe, berichtet spiegel.de. Für seine Täterschaft sprächen nach Angaben des FBI-Direktors Kash Patel DNA-Spuren an der sichergestellten Tatwaffe, zudem habe Robinson die Tat in einer privaten Chatgruppe gestanden. Die FAZ (Majid Sattar) berichtet.
USA – New York Times: US-Präsident Donald Trump fordert an einem Bezirksgericht im Bundesstaat Florida 15 Milliarden Dollar Schadensersatz von der New York Times und mehreren für die Zeitung tätigen Journalisten. Grund sei eine vom Blatt betriebene „absichtliche und böswillige“ Diffamierung seiner Person im Vorfeld der vergangenen Präsidentschaftswahl, wozu auch die Wahlempfehlung für die später unterlegene Kandidatin Kamala Harris zählt. Die Berichte von SZ (Jörg Häntzschel) und beck-aktuell (Laura Almanza) ordnen die Klage als Teil eines umfassenden Angriffs auf unabhängige Medien ein.
Israel – Krieg in Gaza: Eine vom UN-Menschenrechtsrat eingesetzte Kommission gelangt in einem Bericht zu der Einschätzung, dass die israelische Militäroperationen in Gaza die tatbestandlichen Voraussetzungen von Art. II der Völkermordkonvention erfüllen. Das militärische Vorgehen ziele auf die teilweise Zerstörung der palästinensischen Bevölkerung des Gaza-Streifens. Das israelische Außenministerium ließ den Bericht umgehend zurückweisen. Es berichten und analysieren LTO (Franziska Kring) und beck-aktuell.
Sonstiges
Sozialstruktur in Großkanzleien: Wer anwaltlich in Großkanzleien arbeitet, entstammt überproportional häufig der Oberschicht. Zu diesem Ergebnis kommt eine nun vorgelegte Analyse einer bereits 2022 veröffentlichen Umfrage der London School of Economics in Kooperation mit dem Juve-Verlag. Auch im Vergleich zu anderen als elitär eingestuften Berufsfeldern wie dem Top-Level-Management oder dem medizinischen Bereich rekrutiere sich die Anwaltschaft umsatzstarker Großkanzleien sehr häufig aus sozial privilegierten Schichten. Diese soziale Unwucht steige entsprechend den in Großkanzleien zu erreichenden Karrierestufen. Über die nun vorgelegte Analyse und diesbezügliche Lösungsansätze schreiben beck-aktuell (Pia Lorenz) und LTO (Stefan Schmidbauer).
Rechtsabteilungen: Nun berichtet auch beck-aktuell (Joachim Jahn) über eine vom Bundesverband der Unternehmensjuristinnen und -juristen sowie EY Law organisierte Umfrage in mehr als hundert Rechtsabteilungen verschiedener Branchen zum Themenfeld Legal Operations (Optimierung von Rechtsdienstleistungen). Die Befragten stellen ein zufriedenstellendes Zwischenzeugnis aus, sehen aber durchaus noch Platz für Verbesserungen. Vor allem könnten Arbeitsabläufe effizienter gestaltet werden, etwa durch den konsequenten Einsatz bereits vorhandener KI-Tools.
Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen Internet-Angebot des jeweiligen Mediums.
Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.
LTO/mpi/chr
(Hinweis für Journalisten und Journalistinnen)
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
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Zitiervorschlag
Die juristische Presseschau vom 17. September 2025:
. In: Legal Tribune Online,
17.09.2025
, https://www.lto.de/persistent/a_id/58163 (abgerufen am:
17.09.2025
)
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