Susanne Lenk ist Sozialarbeiterin und koordiniert die Ausbildung der Ehrenamtlichen für das Kinder- und Jugendhilfetelefon in Leipzig, das eingebunden ist in die bundesweite Nummer gegen Kummer (116 111). Lenk hat selbst jahrelang am Telefon gearbeitet und weiß, worauf es in diesem Ehrenamt ankommt. Im Moment werden neuen Freiwilligen gesucht, die am 23. September mit der Ausbildung beginnen wollen.
Wieso gibt es das Hilfetelefon für Kinder und Jugendliche?
Wir alle brauchen ab und zu mal einen Menschen mit einem offenen Ohr. Umso mehr heranwachsende Kinder und Jugendliche, die manchmal niemanden zum Reden haben. Das Besondere am Kinder- und Jugendtelefon ist, dass das Telefonat anonym stattfindet. Sie können sich also unbefangen und ohne Angst vor Konsequenzen zu Themen wertfrei austauschen. Und mit der Person am Telefon überlegen: Was ist das Beste für mich in meiner Situation? Es geht gar nicht darum, Ratschläge und Erwachsenentipps zu geben, sondern es geht darum zu schauen, was könnte es sein, was der Heranwachsende gerade braucht? Das können Informationen sein oder Kontakte von Jugendhilfeeinrichtungen.
Sind die Hilfeleistenden nur Erwachsene?
Das Besondere in Leipzig ist, dass wir auch jugendliche Beratende haben. Die sind zwischen 16 und 25 Jahre alt und telefonieren jeden Samstag von 14 bis 20 Uhr. Die Erwachsenen, ab 25 Jahren aufwärts, telefonieren Montag bis Freitag, von 14 bis 20 Uhr.
Werden die Jugendlichen während des Dienstes begleitet?
Ich und andere erfahrene Berater sind immer als Ansprechperson erreichbar. Supervisionen sind auch möglich und die Nummer gegen Kummer hat ein Coaching-Team, das jederzeit per Telefon oder Mail erreicht werden kann.
Was sind die häufigsten Themen, mit denen die Jugendlichen anrufen?
Das hat sich über die Jahre nicht groß verändert: Alles, was sich rund um Sexualität dreht. Die meisten Anrufe kommen aus der Gruppe der 12- bis 17-Jährigen. Es geht also um viele Themen, die Heranwachsende in dem Alter erleben: Identität, Entwicklung des eigenen Körpers, das erste Mal verliebt sein. Dazu gehören auch Eifersucht, Trennung , Auseinandersetzung mit Eltern und Geschwistern, Streit, Stress und Mobbing. Die Themen wechseln schnell. Im nächsten Moment kann jemand anrufen, der völlig aufgelöst ist und weint. Man schwingt die zwei Stunden am Telefon in sehr emotionalen Lebenssituationen mit.
Wie läuft die Ausbildung für Ehrenamtliche ab?
Wir bilden die Erwachsenen und Jugendlichen gemeinsam aus, so können sie ihre Perspektiven austauschen. Die Ausbildung dauert etwa ein halbes Jahr, mit 100 Stunden Inhalt. An drei Samstagen haben wir den ganzen Tag Seminar, danach machen wir mit dreistündigen Seminaren in Abendveranstaltungen weiter. Dazu gehört auch eine Gesprächsausbildung: Wie melde ich mich am Telefon? Wie trete ich in Kontakt? Wie gehe ich mit meiner eigenen Identität im Rahmen der Anonymität um? Wir haben außerdem verschiedene Referenten zu unterschiedlichen Themen, die relevant sein könnten: Suchtverhalten, Mobbing, Entwicklungsstadien der Kinder und Jugendlichen, Pubertät, Sexualität, Schwangerschaft, Schwangerschaftsabbruch, sexuell übertragbare Erkrankungen, Suizidalität und Gewalt im sozialen Umfeld.
Was ist besonders herausfordernd?
Es gibt Telefonate, da wird reingeschrien und provoziert und Wut abgelassen. Wir werden manchmal als Ventil ausgenutzt. Das ist als Ehrenamtliche herausfordernd. In der Ausbildung wir deswegen viel darüber gesprochen, wie man damit umgehen kann.
Wie sieht ein typischer Dienst am Telefon aus?
Wir haben ein Büro mit einer Telefonanlage und mit Informationsmaterial vor Ort. Die meisten bereiten sich mental auf den Dienst vor, indem sie sich einen Tee oder Kaffee kochen. Wenn man die Telefonanlage anschließt, geht es los. In der Regel telefoniert man zwei Stunden, danach findet ein Wechsel statt und der nächste Telefonberater kommt. Die Telefonate dauern zwischen fünf und 15 Minuten, wobei ich das Gefühl habe, dass sie länger werden. Das Telefon klingelt dabei permanent.
Wie viele Anrufe bekommen Sie im Jahr?
So um die sechs- bis siebentausend Anrufe – nur in Leipzig.
Warum braucht das Jugend- und Hilfetelefon neue Ehrenamtliche?
Wir haben 25 erwachsene Ehrenamtliche und acht jugendliche. Die Dienste müssen immer gut besetzt sein, das heißt, jeder Berater müsste wöchentlich telefonieren, aber ein Ehrenamt kann man nicht jede Woche immer stemmen. Jugendliche sind mal im Ausland, im Praktikum, machen Abitur. Menschen haben nicht immer wöchentlich Zeit.
> Die Nummer gegen Kummer ist erreichbar unter: 116111 oder 0800 111 0 333. Mo–Sa 14–20 Uhr
> Mehr Informationen für Interessierte gibt es auf der Website.