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Seite 1Putins neues Pipeline-Glück
Seite 2Gazprom hat kein Geld für den Pipeline-Bau
Wladimir Putin war ganz offensichtlich gut gelaunt, als Chinas Präsident Xi Jinping ihm Anfang des Monats auf einer Militärparade zum Ende des Zweiten Weltkriegs in China eine große internationale Bühne bot. Russlands Präsident ist wegen seines tödlichen Feldzugs gegen die Ukraine vom Westen so gut wie isoliert. Doch auf der Tribüne in Peking konnte er unter (mehrheitlich autokratischen) Staats- und Regierungschefs zeigen, dass er nicht allein ist. Kurz zuvor hatte er einen weiteren Erfolg für sich verbucht, der mit den Bildern von Xis martialisch-pompöser Waffenshow etwas unterging: Offenbar hat China sich bereit erklärt, mit Russland eine zweite, große Pipeline zu planen, die Gas aus den gigantischen Reserven der Jamal-Halbinsel Westsibiriens bis Nordostchina transportieren soll.
Power of Siberia 2 (PoS-2) heißt sie und könnte jährlich bis zu 50 Milliarden Kubikmeter Gas liefern. Das ist etwas weniger als durch die inzwischen stillgelegte Pipeline Nord Stream 1 geflossen ist, die Russland unter der Ostsee mit Deutschland verbindet.
PoS-2 soll die Pipeline Power of Siberia 1 (PoS-1) ergänzen, die zwischen 2019 und 2022 schrittweise in Betrieb genommen wurde und Erdgas aus Ostsibirien nach China bringt. Durch diese Pipeline sollen künftig 44 anstatt 38 Milliarden Kubikmeter Gas im Jahr nach China geliefert werden. Auch das wurde in Peking in einem Memorandum festgehalten, federführend sind die Unternehmen Gazprom aus Russland und die staatliche China National Petroleum Corporation.
Globale Energiemärkte verschieben sich
Sollte PoS-2 gebaut werden, würde China irgendwann ab den 2030er-Jahren insgesamt über 100 Milliarden Kubikmeter russisches Gas beziehen und so mehr als ein Fünftel seines berechneten Bedarfs für 2030 decken. China ist heute der weltweit größte Gasimporteur und Russland sein größter Lieferant. Inzwischen beginnt Russland auch Flüssigerdgas (LNG) nach China zu liefern. Über die russische Anlage Arctic LNG 2 in der Arktis kamen in den vergangenen Wochen mehrere Hunderttausend Kubikmeter Flüssigerdgas nach China.
© Lea Dohle
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Diese Lieferungen sind politisch brisant, denn die USA sanktionierten wegen des Ukrainekriegs nicht nur die Förderanlagen von Arctic LNG 2, sondern auch mehrere von Russland für das Projekt angeschaffte LNG-Tanker. Russland möchte am globalen LNG-Markt aber mitmischen, Arctic LNG 2 soll mit einer Produktion von 19,8 Millionen Tonnen pro Jahr zu den größten LNG-Anlagen des Landes werden. China signalisiert mit dem Kauf, dass es sich von den USA und der EU nicht davon abhalten lässt, Russland zu unterstützen, und bereit ist, westliche Sanktionen zu ignorieren.
Mit einer Pipeline Power of Siberia 2 verschöben sich die globalen Energiemärkte auffällig in Richtung China. Politisch wäre sie ein weiteres, starkes Signal für die vertiefte Annäherung Russlands an China. Doch ob PoS-2 wirklich gebaut wird oder zumindest in der Dimension, die man sich auf russischer Seite wünscht, bleibt offen. Die Angaben über das Memorandum vom Peking stammen vom russischen Energieriesen Gazprom. China dagegen hat den Abschluss des Abkommens bis heute nicht bestätigt. Tatsächlich sollen Verhandlungen über die Umsetzung der seit Jahren von Russland gewünschten Pipeline in den vergangenen 24 Monaten auf Initiative der chinesischen Seite praktisch eingefroren worden sein.
PoS-2 soll Verluste in Europa kompensieren
Die geplanten rund 50 Milliarden Kubikmeter Gas aus Russland sollten wahrscheinlich ursprünglich über Nord Stream 1 und 2 in Richtung Westen fließen. Doch Putins Ukrainekrieg hat Russlands Möglichkeiten, nach Europa zu verkaufen, erheblich eingeschränkt. Die Nord-Stream-Röhren hat Gazprom stillgelegt, ehe sie durch eine Explosion zerstört wurden. Ende 2024 endete auch der Transit durch die Ukraine selbst. Im Betrieb bleibt nur die TurkStream-Leitung durch die Türkei. In diesem Jahr wird Gazprom über diese Route etwas weniger als 20 Milliarden Kubikmeter Gas in die EU liefern. Das ist der niedrigste Wert seit den 1970er-Jahren. Verglichen mit den Rekordwerten aus den Jahren 2018 und 2019 ist das ein Rückgang von fast 85 Prozent.
Die derzeit bestehenden und geplanten Leitungen Richtung China, einschließlich PoS-2, würden insgesamt etwa zwei Drittel von Gazproms verlorenem Exportvolumen in Europa kompensieren.