Bielefeld. Es war das erste große Duell zwischen den beiden Spitzenkandidaten Christiana Bauer (CDU) und Ingo Nürnberger (SPD) nach der Kommunal- und vor der Oberbürgermeister-Stichwahl am 28. September. Beide Politiker stellten sich den Fragen und Anregungen von Vertretern aus 200 Bielefelder Sportvereinen mit insgesamt mehr als 100.000 Mitgliedern. Der Stadtsportbund (SSB) hatte zum sportpolitischen Talk eingeladen, bei dem SSB-Präsident Volker Wilde und SSB-Vorstand Simon Böer die Moderation übernahmen.
Beide Kandidaten zeigten sich in ihrer Vorstellung sportaffin. Bauer kommt aus dem Reitsport und habe früh Verantwortung, Ehrgeiz, aber auch zu scheitern gelernt. „Nicht das Pferd trägt die Verantwortung, sondern der Reiter“, betont die 36-Jährige.
Kontrahent Ingo Nürnberger habe nach Erfahrungen mit einem „furchtbaren Sportlehrer“ den Laufsport für sich entdeckt. „10 Kilometer in unter 40 Minuten habe ich nicht oft, aber einige Male geschafft“, sagt der 52-Jährige stolz. In drei große Themenblöcke haben die Initiatoren den Abend unterteilt: Demokratie, Ehrenamt und Sportentwicklung.
Ingo Nürnberger erklärt seine Pläne für Bielefeld.
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„Wir brauchen großzügigere Freibeträge im Ehrenamt“
Gleich zu Beginn stand die Frage im Raum, wie das Ehrenamt finanziell und auch mit mehr Wertschätzung gestärkt werden kann. Kritik kommt auf, weil die Übungsleiterpauschale bis 3.000 Euro im Jahr steuerfrei bleibt, die Ehrenamtspauschale für Tätigkeiten im Vorstand jedoch nur bis 840 Euro. „Wir brauchen großzügigere Freibeträge im Ehrenamt“, sagt Nürnberger. Beide Kandidaten nehmen das Thema mit, verweisen aber gleichzeitig auf über die Stadtgrenzen hinausgehende Gesetzgebungen.
Mit einem Engagementnachweis, der als Beilage für den Lebenslauf bei Bewerbungen dienen kann, möchte Bauer die Wertschätzung unterstreichen. Nürnberger sieht im Bürokratieabbau, wie die einfachere Buchung von Sportstätten, eine Unterstützung. „Eine Ehrenamtskarte gibt es bereits, wir müssen die Vergünstigungen ausbauen, um deren Wert zu erhöhen, und sie bekannt machen“, sagt er.
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Anschließend kommt SSB-Präsident Wilde zu einem sensiblen Thema. Immer wieder werden Sportstätten aus Lärmschutzgründen reglementiert. „Dabei sind unsere Mini-Kicker doch wie eine Kita zu sehen und kein Lärm“, sagt er.
Weitere Diskussionsteilnehmer aus dem Publikum mischen sich ein: „Es kann doch nicht sein, dass, wenn einzelne Anwohner meckern, plötzlich 100 Kinder keinen Sport mehr machen dürfen.“ Nürnberger setzt auf einen guten Austausch mit den Bezirksbürgermeistern, Stadtbezirkskonferenzen und einen eigenen Stadtausschuss für Sport. Bauer möchte direkt mit den Akteuren vor Ort ins Gespräch kommen und die Ermessensspielräume weitmöglichst ausschöpfen. Außerdem schlägt sie ein Ehrenamtsbüro als Anlaufstelle vor.
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Sportstätten ähnlich wie Industriegebiete ausweisen?
Der TuS Hillegossen fühlt sich unfair behandelt. Während seine Feierlichkeiten zum 120-Jährigen um ein Uhr beendet sein mussten, habe ein Schützenverein im Nachbarstadtteil nur eine Woche später bis vier Uhr feiern dürfen. Bauer bestätigt: „Da darf es keine Unterschiede geben, das müssen wir gerecht nach oben öffnen.“ Wolfgang Stender vom Telekom-Post-SV schlägt vor, die Gebiete rund um Sportstätten ähnlich wie Industriegebiete auszuweisen. Die beiden Politiker nehmen diese Idee auf. Nürnberger ist offen: „Dort wo nach einer Prüfung keine Gewerbeflächen möglich sind, können wir vielleicht Sportstätten entwickeln.“ Bauer will die Integration von Sportstätten in vorhandene Gewerbegebiete prüfen. „Dort, wo abends nichts mehr los ist“, sagt sie.
Christiana Bauer will anders vorgehen als ihr Kontrahent.
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Stender kritisiert die langen Planungs- und Genehmigungsphasen für neue Projekte. 15 Jahre habe es gedauert, bis eine multifunktionale Beachsportanlage endlich gebaut werden durfte. Bauer und Nürnberger dauert das zu lange. „Das ist einer der Gründe, warum ich Oberbürgermeister werden möchte – ich bringe die Erfahrung für gute Führung mit“, sagt Nürnberger. Für die Umsetzung hofft er auf Geld aus dem 100-Milliarden-Sondervermögen. Bauer möchte es mit Bürokratieabbau beschleunigen und „Druck auf den Kessel“ geben. Ihr Vorschlag lautet Expertise in der Verwaltung zu finden, „jemand, der sich mit Sportstätten auskennt“.
Bauer: Stimmen von Kindern und Jugendlichen stärken
Die Wunschliste der Vereine ist lang. Es fehle an Toiletten und die vorhandenen Duschräume seien vielerorts sanierungsbedürftig. Nürnberger: „Wir müssen vor allem auch die Sportgelegenheiten im öffentlichen Raum stärken.“ Bauer möchte die Mittel zielgerichtet in Abstimmung mit den Akteuren in den Stadtbezirken einsetzen. „Und auch der Stimme der Kinder und Jugendlichen ein Gewicht geben“, betont sie.
Schulhöfe könnten eine schnelle Lösung sein, um zusätzliche Spielflächen zu schaffen. Bauer: „Die müssen wir als Sportflächen offen halten.“ Vandalismus ist jedoch ein Problem. Die Kosten für Hausmeister und Sicherheitsdienst sind laut Nürnberger nicht zu unterschätzen. Dennoch: „Vorhandene Flächen sind immer noch die günstigere Lösung als neue“, lenkt er ein.
Nürnberger: Jeder sollte ohne Angst ins Freibad gehen können
Fehlende Badezeiten für Schwimmkurse sind ein weiterer großer Punkt. Bauer spricht aus eigener Erfahrung: „Auch für meine Tochter habe ich keinen Platz bekommen, es ist schwieriger, als an Karten für ein Roland-Kaiser-Konzert zu kommen.“ Sie möchte mit der Bielefelder Bäder und Freizeit GmbH (BBF) ins Gespräch gehen und weitere Kurse mit Übungsleitern besetzen. Nürnberger: „Schwimmen bedeutet Teilhabe und Freizeit, jeder sollte ohne Angst ins Freibad gehen können. Das neue Kombibad in Jöllenbeck bringt uns da weiter.“
Andreas Beste vom 1. Bielefelder Schwimmverein bestätigt das, mahnt jedoch gleichzeitig die Kosten an: „Beträge, die von der Stadt übernommen werden, sind seit 20 Jahren die Gleichen, alles darüber hinaus müssen wir selbst bezahlen.“ Echte Vorteile für die ehrenamtlichen Schwimmtrainer wären Vergünstigungen bei Bus und Bahn, damit die Übungsleiter abends nach Hause kommen. Bauer findet die Idee gut und möchte das einmal durchrechnen. Nürnberger möchte das mit ins Paket der Sportentwicklungsplanung aufnehmen und damit auch neue Ehrenamtliche gewinnen.
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Auch die Inklusion im Sport müsse vorangetrieben werden. Bauer: „Wir müssen die Vereine mit finanziellen Mitteln unterstützen und auch die Sportmöglichkeiten draußen inklusiv denken.“ Nürnberger sieht die große Herausforderung nicht in der baulichen Verbesserung, sondern bei der Begleitung der Menschen. „Zusätzliches Geld kann ich nicht versprechen, aber die Qualifizierung der Übungsleiter können wir vorantreiben“, sagt er.
Aus dem Bielefelder Rat viel Gegenwind zum Leistungssport
Thomas von Gradowski ist Koordinator der NRW-Sportschule am Helmholtz-Gymnasium und macht auch den Leistungssport zum Thema: „Ich habe NRW-weit den Vergleich, und in Bielefeld ist definitiv noch Aufholpotenzial vorhanden.“ Das sei auch Aufgabe der Politik. Wilde bestätigt: „Bislang haben wir aus dem Rat viel Gegenwind zum Leistungssport erfahren, obwohl wir Trampolinspringer haben, die an der Weltspitze mitturnen.“ Auch im Plenum gibt es kritische Stimmen, worauf Bauer und Nürnberger betonen, dass sich Leistungs- und Breitensport nicht ausschließen dürfen und gleichermaßen gefördert werden sollen.
„Die Seidenstickerhalle ist in die Jahre gekommen, die müssen wir uns vornehmen, auch um weiterhin den großen Sport nach Bielefeld zu holen“, sagt Nürnberger. Auch Stender setzt sich für den Leistungssport ein: „Die Industrie ist daran interessiert, dort zu investieren.“ Ähnlich wie Arminia Bielefeld könnten auch kleinere Vereine von eigenen Sponsoren profitieren. Bauer hofft auf eine Eigendynamik, die sich entwickelt, wenn das mit Unterstützung vom Rathaus angestoßen wird.
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Volker Wilde (l.) und Simon Böer (r.) vom Stadtsportbund haben zum ersten großen Duell der Spitzenkandidaten Christiana Bauer (CDU) und Ingo Nürnberger (SPD) ins Nadelholz des VfB Fichte eingeladen.
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Böer zieht am Ende ein positives Fazit: „Das Duell war sehr kurzweilig, wir konnten konkrete Themen der Vereine auf den Tisch bringen und haben dabei sowohl Konsens als auch Unterschiede gesehen.“ Was aber sind aus Sicht der beiden Kandidaten die größten Baustellen? Christiana Bauer (CDU) nimmt nach eigenen Angaben mit: die Aufwertung des Ehrenamts, Planungsprozesse unterstützen und schneller werden sowie die Schaffung inklusiver und die Sanierung vorhandener Sportstätten. Ingo Nürnberger (SPD) habe auf dem Zettel: die Unterstützung des Ehrenamtes, die Ertüchtigung und Ergänzung von Sportstätten, die Sport- und Bewegungsmöglichkeiten im öffentlichen Raum sowie den Leistungssport als Aushängeschild der Stadt und als Vorbildfunktion.