Vielleicht ist es nicht nur vom Erhabenen zum Lächerlichen, sondern – positiv gewendet – auch vom Wohnen zum Leben nur ein kleiner Schritt. Anders gesagt: Wenn ein Ort mehr sein soll als ein Wohnort, dann braucht er Orte der Begegnung. Ein Wirtshaus etwa. Ein Jugendzentrum. Oder eine Cafébar. Die viel zitierte lebendige Ortsmitte. Ansonsten droht gut verschlafene Vorort-Bürgerlichkeit.
In Baierbrunn engagiert sich seit einigen Jahren ein Verein dafür, dass sich in der Isartal-Gemeinde mehr soziales Leben zwischen Einfamilienhäusern, gut gemähtem Rasen und kompakt geparkten Autos abspielt: „Mittendrin in Baierbrunn“ wurde 2021 während der Pandemie gegründet, ursprünglich als Plattform für bürgerschaftliche Ideen, und hat inzwischen mehr als 300 Mitglieder. Der Verein organisiert nicht nur regelmäßig Ausstellungen, Vorträge, Kurse und Treffen in seinen Räumen an der Wolfratshauser Straße oder Lesefeste und mobilen Eisverkauf, sondern wartet auch immer wieder mit neuen Projekten auf: momentan mit dem „Luvre“.
An diesem Freitag, 19. September, wird die neue Baierbrunner Kreativ-Werkstatt in Räumlichkeiten des ehemaligen Bahnhofs offiziell eingeweiht: In ehrenamtlicher Arbeit haben Mitglieder des Vereins das „Luvre“ in den vergangenen Monaten hergerichtet und gestaltet. „Die Idee ist, einen Ort der Begegnung zu schaffen“, erklärt Norbert Piedl, Vorsitzender des Vereins.
Zuvor hatte die Künstlerin – und Baierbrunner Gemeinderätin –Tanja König den Raum als Atelier genutzt. „Es war ihr Wunsch, dass dort etwas Künstlerisches fortbesteht.“ Seit März 2024 galt es, zu entrümpeln, alte Tapetenschichten abzukratzen, zu streichen, die Elektroinstallation auszutauschen, einen neuen Boden einzubauen. Nun ist ein kooperativer Kunstraum entstanden, eine Art Atelier, in dem vieles möglich sein soll.
Zum Opening sind spannende Gäste eingeladen
Zum „Opening“ am Freitag sind gleich spannende musikalisch-poetische Gäste geladen: Beatbox Eliot und Weeh78, dazu Grämsn, Fränzn und Spliff von Doppel D stehen für Münchner Hip-Hop-Geschichte respektive bayerischen Slang-Rap. Das Fest wird drinnen und draußen gefeiert, die Verantwortlichen um Piedl und Quirin Lutzenberger, der mit Judith Lutzenberger zu den treibenden Kräften bei der Realisierung des Projekts gehörte, rechnen mit guter Resonanz – und da würde das nicht allzu große Raumangebot im „Luvre“ schnell an Grenzen kommen.
Die Türen stehen offen für junge (und ältere) Kreative: das Luvre am Baierbrunner S-Bahnhof. (Foto: Claus Schunk)
Die mutmaßlich coole „Opening“-Party – die Live-Acts starten um 20 Uhr – soll quasi als Nebeneffekt auch eine „Initiation“ sein für die Wahrnehmung der Räumlichkeit als coole Location. „Ein Ort, der frei nutzbar ist“, sagt Quirin Lutzenberger, „dahinter steckt auch die Idee der Fluxus-Bewegung.“ Es gibt kein fixes Betreiberkonzept. Man könne aber, so Lutzenberger, von „drei Säulen“ sprechen: „Workshops, Veranstaltungen und eine Gallery-Wall für junge Künstler.“ Angelockt werden sollen in der Tat vor allem junge Menschen, die hier die Option haben, sich kreativ zu entfalten oder auch einfach nur zu treffen. Hilfreich für die Akzeptanz könnte sicher auch die Nähe zum Sport- und Bürgerzentrum sein.
Einer der musikalischen Live-Acts: Grämsn und sein Beatbastler Franz Spencer. (Foto: Felix Blöchinger)
Für die Räumlichkeiten in dem ehemaligen Bahnhofsgebäude, das im Zuge der Inbetriebnahme der Isartalbahn 1891 eröffnet wurde, zahlt der Verein „Mittendrin in Baierbrunn“, der bei seinen Projekten regelmäßig von der Gemeinde unterstützt wird, „eine moderate Miete“, wie Piedl sagt. Man habe als Verein auch ein wenig Geld investiert in die Renovierung, umso größer ist jetzt die Freude über das Ergebnis und die Vorfreude auf künftige Nutzungen.
Der Name der neuen Location „Luvre“ scheint zudem sehr inspirierende Wirkung zu zeitigen: Dass man dabei an ein berühmtes Museum in der französischen Hauptstadt denkt, versteht sich von selbst. Die Assoziationen gehen aber weiter, wie der Pressetext des Vereins verrät: „Luv könnte für Love stehen oder auch für die dem Wind zugewandte Seite. Sozusagen: Lasst uns mal wieder gegen Wind und Zeitgeist segeln, für Liebe und gegen Vereinzelung und Entfremdung.“
Die Eröffnungsveranstaltung – ein Kooperationsprojekt mit Christoph Schmid, dem Popularmusikbeauftragten des Bezirks Oberbayern, ist am Freitag, 19. September, Beginn 19 Uhr. Die Live-Acts starten gegen 20 Uhr. Am 27. September findet – als zweite Eröffnungsaktion – ein Überraschungs-Workshop für Kinder und Jugendliche statt, Beginn 14 Uhr.
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