AUDIO: Puls der Region: Was Stettin für Vorpommern bedeutet (34 Min)
Stand: 18.09.2025 06:07 Uhr
Stettin wird zur nachhaltigen Metropolregion und treibt Tourismus, Wirtschaft, Kultur und Stadtentwicklung in der Pomerania-Region voran – mit spürbaren Effekten für Mecklenburg-Vorpommern.
Vor der weißen Fassade der Philharmonie funkelt das Sonnenlicht. Im Inneren beginnt das Musikfestival „Turnier der wahren Musiker“, draußen flanieren Besucherinnen und Besucher am Ufer der Oder, auf der Hakenterrasse oder in einem der vielen Parks der Stadt. Nur wenige Kilometer hinter der Grenze zeigt Stettin, was eine europäische Metropole ausmacht: Kulturelle Vielfalt, nachhaltige Entwicklung und zeitgemäße Architektur. „Stettin ist vielleicht nicht nur interessant als Wirtschaftsstandort, sondern als Kulturstandort“, sagt Martin Hanf von der Kommunalgemeinschaft Pomerania in der aktuellen Folge des Podcasts „MV im Fokus“. Kaum eine andere Stadt in der Region entwickelt sich derzeit so rasant. Neue Hotels, große Messen, Festivals, Start-ups. Die Metropole an der Oder hat eine Vision – und wird so zunehmend zum Motor für die gesamte deutsch-polnische Grenzregion.
Stettin zieht Kulturfans und Investoren an – ein Gewinn für die ganze Grenzregion, auch für Mecklenburg-Vorpommern.
Stettin erfindet sich neu – mit Blick aufs Wasser
Noch vor 25 Jahren galt Stettin als strukturschwach. Werften, Stahlwerke, Arbeitsplätze – vieles war weg. Doch mit dem „Tall Ship Race“ 2007, einer Langstreckenregatta mit Großseglern, kam der Wandel. „Wir mussten den Hafen öffnen, die Stadt für Menschen von außerhalb. Und dann dachte ich: vielleicht können wir etwas damit machen“, sagt Leopold Korytkowski, Direktor der städtischen Tourismusorganisation. Die Idee des „Floating Garden“ (zu deutsch „schwimmender Garten“) war geboren – einer Stadt, die sich aufs Wasser besinnt, auf Natur, Parks und eine nachhaltige, energieeffiziente Bauweise. Heute zählt Stettin zu den wenigen polnischen Städten im Global Destination Sustainability Index (zu deutsch weltweiter Nachhaltigkeits-Index). Der Wasserpark „Fabryka Wody“, das Maritime Wissenschaftszentrum oder die Philharmonie – viele Projekte setzen auf Nachhaltigkeit und Regionalbezug. „Die Rolle von Stettin besteht darin, als Leuchtturm für die Region zu fungieren“, sagt Leopold Korytkowski.
Wirtschaftskraft mit Sogwirkung für MV
Auch wirtschaftlich strahlt Stettin bis nach Mecklenburg-Vorpommern aus. Rund um die Grenzstadt sind Immobilien knapp, viele Menschen aus Polen sind nach Deutschland gezogen, etwa nach Löcknitz oder Pasewalk. „Das bringt Kaufkraft auch in unsere Region. Das ist auch eine Stärkung für die Schulstandorte, für die Kitas. Das ist letztendlich auch Fachkräftesicherung für die gemeinsame Region“, so Torsten Haasch, Hauptgeschäftsführer der IHK Neubrandenburg. Aber auch Unternehmen profitieren: Der Schuhhersteller Birkenstock, der Lager- und Büroausstatter Topregal und die Zuckerfabrik in Anklam nutzen die Nähe zum polnischen Markt und suchen Arbeitskräfte auf beiden Seiten der Grenze. Die IHK Neubrandenburg begleitet diesen Wandel seit Jahren. „Die Akteure in Stettin haben die richtigen Entscheidungen getroffen“, sagt Torsten Haasch. „Sie haben schnell gemerkt, dass sie auch attraktiv für ihren Nachbarn sind.“ Polen – und damit auch Stettin – sei heute wichtigster Außenhandelspartner für MV, mit einem Handelsvolumen von rund 1,8 Milliarden Euro jährlich. Die monatlichen Treffen des „Wirtschaftskreises Metropolregion Stettin“, den die IHK zusammen mit dem Haus der Wirtschaft in Stettin organisiert, fördern diese Zusammenarbeit aktiv.
Vom Seniorenball bis zu Kita-Treffen – viele Projekte profitieren von dem EU-Fördergeld.
Kultur verbindet – über die Grenze hinweg
Neben der Industrie wächst auch der Kulturtourismus. Vor allem Menschen aus Mecklenburg-Vorpommern nutzen die Nähe. Katarzyna Jackowska arbeitet als Kulturnetzwerkerin und organisiert deutsch-polnische Projekte, wie regelmäßige Fahrten in die Philharmonie. „Man könnte sagen, das sind so betreute Kulturangebote. Wir nehmen die Angst, eine große Stadt zu besuchen.“ Viele Besucherinnen und Besucher kämen später allein wieder – zur Philharmonie, zur Oper, zu Konzerten in der Netto-Arena. „Einige sagen: Es ist so schön, was wir hier haben. Sie sehen diese Grenze nicht. Das, was es in Stettin gibt, betrachten sie als eigenes Regionales. Und das ist auch etwas Besonderes“, sagt Jackowska über die Gäste aus Deutschland.
Einsame Seen, Hügel und unberührte Landschaften prägen das Achterland – das Hinterland der Kaiserbäder auf Usedom.
Dabei ist klar: Nicht alles funktioniert reibungslos. Es fehlt an großen Sponsoren, viele Events werden von der Stadt selbst gestemmt. Leopold Korytkowski wünscht sich mehr Offenheit, mehr Zusammenarbeit und mehr Zukunftsperspektiven für die Region. „Um engere Beziehungen zu knüpfen, müssen wir offener füreinander sein, um uns anzunähern.“ Denn Stettin ist längst mehr als nur eine Stadt an der Grenze – sie ist eine wichtige Metropole, von der auch Mecklenburg-Vorpommern profitiert. Jetzt reinhören: Die ganze Geschichte und alle Stimmen in der neuen Folge von „MV im Fokus“ – in ARD Audiothek und überall, wo es Podcasts gibt.
Das Modellprojekt „perspektywa“ will Vorurteile zwischen Polen und Deutschen abbauen. Im Podcast MV im Fokus wird Bilanz gezogen.
Etwa 60 Groß- und Traditionssegler aus mehreren Ländern haben sich angesagt. Auf den Bühnen am Oderufer treten zahlreiche Bands auf.