Demonstranten halten in Marseille ein Banner der französischen Gewerkschaft FO (Force Ouvrière) hoch, während eines Tages landesweiter Streiks und Proteste, zu denen die Gewerkschaften wegen des französischen Staatshaushalts aufgerufen haben.

In ganz Frankreich wie hier in Marseille sind Menschen gegen mögliche Sparmaßnahmen der Regierung auf die Straße gegangen. (AFP/MIGUEL MEDINA)

Nach Angaben des Innenministeriums beteiligten sich im ganzen Land mehr als 500.000 Menschen an Protesten und Streiks. Gut ein Zehntel versammelte sich demnach allein in der Hauptstadt Paris. Dort gab es 31 Festnahmen, landesweit waren es über 180. Elf Polizisten und elf weitere Personen, darunter ein Journalist, seien bei Zwischenfällen verletzt worden, insbesondere in Lyon. Die Gewerkschaft CGT zählte ihrerseits mehr als eine Million Menschen bei den Demonstrationen.

Proteste im Nahverkehr und an Schulen
In Paris kam es zu erheblichen Störungen im Nahverkehr, da zahlreiche U-Bahn-Linien nur zu den Stoßzeiten am Morgen fuhren. Aus Protest gegen die Sparpläne der Regierung legten auch Lehrer, Lokführer, Apotheker und Krankenhauspersonal die Arbeit nieder, Schüler blockierten die Eingänge zu ihren Schulen. Zu dem Protesttag hatte ein breites Gewerkschaftsbündnis aufgerufen. Bereits vor einer Woche gab es landesweite Demonstrationen. Einige Demonstranten unterbrachen den Verkehr auf Autobahnen und lieferten sich Auseinandersetzungen mit der Polizei. Es gab mehr als 300 Festnahmen.
Premier Lecornu berät über Sparpläne

Der neue Premierminister Lecornu berät derzeit mit der Opposition über mögliche Kompromisse. Noch ist sehr wenig darüber bekannt, in welchen Bereichen er sparen will. Sein Amtsvorgänger Bayrou hatte Sparpläne im Umfang von 44 Milliarden Euro vorgelegt. Er musste seinen Posten räumen, nachdem ihm das Parlament das Vertrauen entzogen hatte. Gemessen an der Wirtschaftsleistung hat das Land mit 114 Prozent die dritthöchste Schuldenquote in der EU. Das Haushaltsdefizit lag zuletzt bei 5,8 Prozent. Die EU hat bereits im Juli 2024 ein Defizitverfahren gegen Frankreich eröffnet.

Preise für Lebensmittel und Mieten sind vielen zu hoch
Unsere Frankreich-Korrespondentin Christiane Kaess berichtet, für viele Menschen seien die Preise für Lebensmittel und Mieten immer noch zu hoch – und das, obwohl die Inflation laut dem Statistik-Institut INSEE gesunken und Kaufkraft und Löhne gestiegen seien.

Der Verein „Observatoire des inégalités“ (Beobachtungsstelle für Ungleichheit) sieht denn auch eine wachsende soziale Kluft im Land. Vereinschef Louis Maurin sagte dem Deutschlandfunk, Frankreich gehöre unter den reichen Ländern zu denen, wo die soziale Ungleichheit am größten sei – größer noch als in Ländern wie Deutschland oder Spanien.

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Diese Nachricht wurde am 19.09.2025 im Programm Deutschlandfunk gesendet.