Ungarn und die Slowakei kaufen trotz Sanktionen grosse Mengen Treibstoff aus Moskau. Nachdem Donald Trump einen Ölimport-Stopp gefordert hat, will Brüssel den Ausstieg aus russischer Energie beschleunigen.
Donald Trump mit Wladimir Putin bei einem Treffen in Anchorage im August.
Zuma Press via Imago
Eben erst noch liess Donald Trump in Alaska für Wladimir Putin den roten Teppich ausrollen. Doch nun stellt der sonst Kreml-affine amerikanische Staatschef weitere Sanktionen gegen Russland in Aussicht. «Ich bin bereit, harte Sanktionen gegen Russland zu verhängen, wenn alle Nato-Staaten einverstanden sind und sich daran beteiligen und wenn alle Nato-Staaten AUFHÖREN, ÖL AUS RUSSLAND ZU KAUFEN», schrieb Trump am vergangenen Wochenende auf seinem sozialen Netzwerk Truth Social.
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Trumps Forderung ist wieder einmal an weitreichende Bedingungen geknüpft, mit denen er sein Nichthandeln begründet: Zuerst müssten sämtliche Nato-Mitgliedstaaten den Erdöl-Hahn aus Moskau zudrehen. In seiner Mitteilung auf Truth Social zeigt sich der amerikanische Präsident schockiert über die Treibstoffkäufe seiner Bündnismitglieder. Diese würden die westliche Verhandlungsposition schwächen.
Lange verzögerte Entwöhnung
Mehr als drei Jahre nach Kriegsbeginn in der Ukraine haben die EU-Länder die Energieimporte aus Russland zwar stark zurückgefahren – aber tatsächlich noch nicht vollständig eingestellt. Allein im zweiten Quartal dieses Jahres wurden laut Eurostat für 4 Milliarden Euro russisches Erdöl und Erdgas in die EU importiert. Das sind Gelder, die Moskaus Kriegswirtschaft mitfinanzieren.
Als Reaktion darauf will die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den Ausstieg der EU aus russischen Energieträgern, der eigentlich bis Ende 2027 vorgesehen war, nun beschleunigen. Von der Leyen verkündete diese Woche auf dem sozialen Netzwerk X, die EU-Kommission plane, in Kürze ein neues Sanktionspaket vorzustellen, das auf Kryptowährungen, Finanzinstitute und Energie abziele. So soll der Druck auf Präsident Wladimir Putin erhöht werden.
Ein Blick in die Statistik macht deutlich, dass Länder wie Deutschland, die Niederlande, Frankreich oder Italien die Einfuhren aus Russland praktisch eingestellt haben. Der russische Anteil an den Erdölimporten in die EU ist auf zwei Prozent gesunken. Doch Zahlen des Datenanbieters Kpler zeigen, dass die Slowakei unter dem Putin-nahen Regierungschef Robert Fico weiterhin ein reger Abnehmer ist. Das vom ähnlich gesinnten Viktor Orban dominierte Ungarn hat seit dem Angriff auf die Ukraine im Februar 2022 seine Einfuhren von russischem Öl sogar noch erhöht.
Bei der Türkei, einem Nato-Mitglied, das bislang auf Sanktionen gegen Moskau verzichtet hat, zeichnet sich ein ähnliches Bild ab. Laut Kpler haben sich Ankaras Ölimporte im Vergleich zu 2021 mengenmässig verdoppelt.
Die Pipeline Turkstream leitet russisches Gas via die Türkei nach Ungarn.
Stoyan Nenov / Reuters
Ungarn und die Slowakei, die sich gemeinsam gegen Brüssels Ausstiegspläne sträuben, haben 2025 laut Eurostat bereits Öl im Wert von über 2 Milliarden importiert. Als Begründung nennen die beiden osteuropäischen Staaten den wirtschaftlichen Bedarf an billigem Treibstoff – doch Kritiker wie die Denkfabrik Atlantic Council oder das Centre for Research on Energy and Clean Air halten dagegen, dass es durchaus andere Bezugsquellen gäbe.
Beim Erdgas, das sowohl für private Haushalte als auch für die Industrie der EU von grosser Bedeutung ist, ist die Lage noch heikler: Obwohl Deutschland Pipeline-Importe abgestellt hat, beziehen Ungarn und die Slowakei russisches Gas in grossen Mengen. Zudem sind Frankreich, Belgien und Spanien grosse Importeure von Flüssiggas (LNG). Und obwohl die EU ihre LNG-Bezüge aus den USA deutlich gesteigert hat, bleibt Russland für die Region ein LNG-Lieferant. Die Kpler-Daten belegen, dass die EU 2024 das Volumen ihrer Flüssiggaseinfuhren aus Moskau gegenüber dem Vorjahr sogar erhöht hat.
Immerhin hat nun Ungarn einen Schritt zur Diversifizierung seiner Gaszufuhr gewagt: Der Versorger MVM CEEnergy, der den Grossteil seiner Liefermengen von Gazprom bezieht, hat vor kurzem einen zehnjährigen Vertrag mit dem westlichen Konzern Shell abgeschlossen.
Löchriger Preisdeckel
Bisher bestand das offizielle Ziel des Westens allerdings auch nicht darin, vollständig auf russische Rohstoffe zu verzichten. Stattdessen setzte man auf die Durchsetzung eines Preisdeckels für russisches Erdöl – gegenwärtig 47.60 Dollar pro Fass und 15 Prozent unter dem Marktpreis. So soll erreicht werden, dass der russische Staat mit seinen Exporten kaum mehr Gewinne erzielt, der Weltmarkt aber von grossen Angebotseinbussen verschont bleibt.
Dieser Mechanismus funktioniert nur bedingt: Gründe dafür sind unter anderem die stark gestiegenen Verkäufe Moskaus an Drittländer wie Indien, von denen aus raffinierte Erdölprodukte wieder nach Europa gelangen, gefälschte Dokumente sowie eine Schattenflotte von oft alten und unzureichend versicherten Schiffen, die Sanktionen umgehen. Ein EU-Embargo auf Produkte, die in Raffinerien ausserhalb Europas aus russischem Rohöl produziert werden, tritt erst 2026 in Kraft.
Darüber hinaus ist der Ausstieg aus dem russischen Energiegeschäft für Europa auch juristisch umstritten: Die noch verbliebenen Importeure führen ins Feld, ihre bestehenden langfristigen Lieferverträge müssten mit Berufung auf höhere Gewalt gekündigt werden. Das sei ein rechtlich heikler Schritt, der laut Experten höchstwahrscheinlich zu Klagen führen würde. Allerdings ist Gazprom als wichtigster russischer Lieferant in der Vergangenheit auch nicht davor zurückgeschreckt, selber den Gashahn zuzudrehen und Lieferungen auszusetzen.
Insgesamt haben sich Russlands Exporte von Öl und Gas in den vergangenen Jahren stark nach Asien verschoben. Weder China noch Indien beteiligen sich an Sanktionen. Sollte es Ursula von der Leyen nicht gelingen, die seit langem renitenten beiden osteuropäischen Mitgliedsstaaten auf Linie zu bringen, liefert das Donald Trump die perfekte Ausrede, um auf einen härteren Kurs weiter zu verzichten.
Die Kommissionspräsidentin will den Ausstieg aus russischen Energieträgern beschleunigen.
Pier Marco Tacca / Getty