Eine Stadt am Meer, ein heißer Sommer, drei Außenseiterinnen. Meg mit der alkoholkranken Mutter, Tess, deren Vater ihre Mutter grün und blau prügelt, und Alec, deren Eltern Migranten sind, die ihr Geld als Taxifahrer und als Putzfrau verdienen müssen. Dass Alec die gleiche Eliteschule wie Meg, Tess und andere Kinder aus reichem Haus besucht, verdankt sie einem Stipendium.
In ihrem großartigen Debütroman „Furye“ erzählt Kat Eryn Rubik, 1981 in St. Petersburg geboren, was sich in jenem heißen Sommer ereignete: Ein Pakt wurde geschlossen, eine große Liebe begann, ein Grab wurde gegraben.

Sie tut es mit der Stimme von Alec, die sich 20 Jahre später an all das erinnert – als Topmusikmanagerin, deren Foto das Titelbild der „Vogue“ ziert und deren Outfits genauso edel sind wie ihre Altbauwohnung. Der schöne Schein trügt: Alec ist ausgebrannt, will verzweifelt ein Kind, ihr Vater ist gestorben, nur ihre Mutter lebt noch. Alec bricht zusammen, sagt alle Verpflichtungen ab und reist zurück in die Stadt am Meer. Hier wird sie ihre Vergangenheit einholen – auf ungeahnte, tragische Weise.

Kat Eryn Rubik: „Furye“, 352 Seiten, 24 Euro, Dumont. Foto: Dumont

Die Form von „Furye“ hat altmodische Züge. Angefangen mit der Anonymität der Handlungsorte (keine der Städte hat einen Namen) und der Hauptfiguren (Meg heißt nicht wirklich Meg, ebenso wenig wie Tess Tess heißt oder Alec Alec) bis hin zu den eingeschobenen, typografisch abweichenden Rückblicken in Form eines Tagebuchs, das die 17-jährige „Alec“ damals führte.

Der Unterbau ist mythologisch. „Furye“ klingt so wie Furiae, der lateinische Plural von Furia – Furie. In einem Buch stößt Meg auf die drei Töchter der Erdmutter Gaia: die Rachegöttinnen Alekto, Megaira und Tisiphone. Abgekürzt zu Alec, Meg und Tess wollen es die Freundinnen den Furien gleichtun und schließen einen Pakt. Sie wollen Rache nehmen – an übergriffigen, sadistischen, gewalttätigen Männern in ihrem Umfeld.

Währenddessen verliebt sich Alec in Romain aus der Upper Class – und er sich in sie. Aber haben Aschenbrödel und der Prinz eine Chance?

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Die drei so unterschiedlichen Heldinnen – die sanfte Tess, die zornige Meg und die scheinbar so abgebrühte, aber sehr verletzliche Alec – gewinnen wunderbar Kontur und Leben. Und die Sommertage, die sie lesend, diskutierend und faulenzend verbringen, sich aber auch gegenseitig das Herz ausschütten und trösten, am Pool von Megs Mutter, bestens versorgt mit Champagner aus deren Weinkeller, sind von unwiederbringlicher Leichtigkeit.

„Und ich werde nur das Schöne erinnern. Wie man immer nur an das Schöne denkt, wenn genug Zeit vergangen ist“, lässt die Autorin Alec am Ende schreiben.