Der neue NDR-Intendant Hendrik Lünenborg räumt Fehler ein im Umgang mit der umstrittenen Personalie Julia Ruhs. „Unsere Kommunikation war an der Stelle wirklich nicht optimal. Das kann man gar nicht anders sagen“, sagte er in einem Interview mit der Nachrichtenagentur dpa.
Weiter sagte Lünenborg, es sei „niemand gecancelt worden“. Ruhs werde das Format weiterhin präsentieren – beim Bayerischen Rundfunk (BR). Der NDR habe mit Tanit Koch dafür eine neue Moderatorin gewonnen.
Ruhs hatte drei Pilotfolgen des Formats Klar moderiert, produziert von NDR und BR. Nach der Auftaktsendung zum Thema Migration, in der sie unter anderem über Gewalt im Zusammenhang mit Einwanderung berichtete, war Kritik laut geworden. Rund 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des NDR kritisierten in einem internen Schreiben, dass journalistische Standards verletzt worden seien.
„Das sind Dinge, die am Ende in der Redaktion entschieden wurden“
Am Mittwoch entschied der Sender, Ruhs nicht mehr für die NDR-Ausgaben des Formats einzusetzen. Die Journalistin wird jedoch weiter die vom BR produzierten Klar-Sendungen moderieren. Die Entscheidung wiederum rief Proteste aus der Politik hervor: Vor allem Union und AfD kritisierten die Absetzung, Ruhs warf dem NDR „Cancel-Culture“ vor.
Auf die Frage, warum es dem NDR wichtig war, dass Ruhs nicht mehr unter dem Label des Senders moderiert, antwortete Lünenborg: „Das sind Dinge, die am Ende in der Redaktion entschieden wurden.“ Es sei nicht seine Aufgabe, in die Programmgestaltung einzugreifen, der Intendant stelle nur die Rahmenbedingungen her, etwa für ein neues Programm.
An Ruhs Stelle tritt nun mit Koch die frühere Chefredakteurin von Bild und der RTL-Zentralredaktion. Sie soll nicht nur moderieren, sondern auch redaktionell mitarbeiten. Bezüglich der Personalie sagte Lünenborg, er freue sich, „dass wir so eine profilierte, erfahrene Journalistin gewonnen haben, die einen ganz eigenen Blick auf unser Land hat“. Dem NDR werde das „sicher gut stehen“.
„Desaster mit Ansage“
Dass Koch 2021 den Bundestagswahlkampf des damaligen CDU-Kanzlerkandidaten Armin Laschet leitete, sieht der Intendant gelassen: „An Personalien scheiden sich immer wieder mal die Geister. Das müssen wir aushalten, weil wir sonst uns selbst auch zu sehr einschränken.“ Koch sei gelernte Journalistin und habe bereits bewiesen, dass sie unabhängig arbeiten könne.
© Lea Dohle
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Unterdessen bezeichnete Stefan Brandenburg, WDR-Chefredakteur Aktuelles, die Vorgänge um Ruhs und das Format Klar als ein „Desaster mit Ansage“. Wer dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk ohnehin schon misstraue, fühle sich gerade sehr bestätigt, schrieb er auf dem sozialen Netzwerk LinkedIn. Die AfD lebe davon, zu sagen: Es gibt Missstände, die man nicht benennen darf.
Ein Beispiel sei die Berichterstattung über das Reizthema Schrottimmobilien im Ruhrgebiet. Seit Jahren kämpften Städte dort gegen Sozialbetrug, besonders durch Zuwanderer aus Südosteuropa. „Wenn wir so ein Thema aufgreifen, sind sofort diejenigen Kollegen zur Stelle, die sagen: Das diskriminiert doch die Menschen, die dort wohnen.“ Trotzdem müsse man die Realität dort zeigen. Ob das Format Klar darauf die richtige Antwort sei, stellte er jedoch infrage.
Ab 2026 werden die Klar-Folgen abwechselnd vom NDR und vom BR produziert. Geplant ist auch eine höhere Episodenzahl.
Z+ (abopflichtiger Inhalt);
Julia Ruhs und Tanit Koch:
Rettet die Glaubwürdigkeit
NDR:
„Hier wird niemand gecancelt“