RB-Boss Oliver Mintzlaff war am Samstag nicht in Leipzig, und er sah auch nicht den 3:1-Sieg seiner Mannschaft gegen den 1. FC Köln. Aber: Er meldete sich zu Wort, im Bonner General-Anzeiger. Was er dort verbreitete, war faszinierend sybillinisch, interpretierbar wie ein Orakel, seltsam unentschlossen. Denn es warf die Frage auf, was Mintzlaff meint, wenn er „deutlich mehr“ sagt.

Einerseits erklärte Mintzlaff, er sage „bewusst nicht, dass wir nächstes Jahr wieder Champions League spielen müssen“. Andererseits unterstrich er auch: „Ich erwarte aber deutlich mehr als letztes Jahr.“ Im vergangenen Jahr war, nur zur Erinnerung, Leipzig als Tabellensiebter einigermaßen knapp an den europäischen Wettbewerben vorbeigeschrammt. Wäre „deutlich besser“ also bereits die Qualifikation für die Conference League, ein Sprung um einen Tabellenplatz? Oder eher eine Spielberechtigung für die Europa League?

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Die Realität ist seit Samstag diese: RB Leipzig steht nach drei Siegen in Serie auf einem Champions-League-Platz, auch wenn das 0:6 vom ersten Spieltag beim FC Bayern („enttäuschend“ nannte es Mintzlaff) nicht vergessen ist. Aber man schaut auf jenes Debakel durch einen derart markanten Weichzeichner, dass Kapitän David Raum sich sogar den Lapsus leistete, man habe in München bloß „dreinull aufs Maul bekommen“. Nach einem Lächeln und einer Bitte um Nachsicht für den Irrtum war das Nulldrei wieder ein Nullsechs geworden, doch das war lediglich randständig von Bedeutung. Wichtig war Raum etwas anderes: „Dass wir jetzt so zurückkommen, ist riesig.“ Und zeige den „Spirit“, der in der Mannschaft regiere.

„Wir produzieren viel zu viele Standards, Ecken, seitliche Freistöße“, klagt Kölns Trainer Kwasniok

Dieser Spirit, er war nicht nur in den vergangenen Wochen nötig gewesen, sondern auch ganz konkret am Samstag. Denn die Kölner Mannschaft war zwar individuell unterlegen – sie spielte aber so gut Fußball, dass sich der eine oder andere Expeditionsteilnehmer aus dem Rheinland fragte, ob da nicht mehr drin gewesen wäre. Und das kurioserweise nicht im Widerspruch zur unmissverständlichen Schlussfolgerung von Trainer Lukas Kwasniok, Leipzigs Sieg gehe alles in allem in Ordnung.

Leipzig war durch einen Standardtreffer in Führung gegangen, über den sich Kölns Sportdirektor Thomas Kessler ärgerte, weil er ihn als „nicht sonderlich kreativ“ empfand. Raum schlug eine lange Ecke, der Ball wurde vors Tor geköpfelt, und dort setzte Startelf-Debütant Assan Ouédraogo, 19, den Ball im zweiten Versuch mit Vollspann unter die Latte (13.). Als der Ball das Tornetz dehnte, sei „eine Last“ von ihm „abgefallen“, sagte Ouédraogo. Nach seinem Wechsel aus Schalke aus Leipzig im Sommer 2024 hatte er eine schwere Verletzung an die nächste gereiht (Knie, Oberschenkelmuskulatur).

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Nach der Führung aber, so sollte es Leipzigs Trainer Ole Werner später monieren, fiel die Heimmannschaft der Passivität anheim. Teil der Wahrheit aber war auch, dass der Ausgleich der Kölner (Jan Thielemann/23.) alles andere als bloßer Zufall war. Sie entzogen sich durch kluge Ballzirkulation und mutiges Spiel nach vorn dem Zugriff der Leipziger. Nur: In der Schlussphase der ersten Halbzeit drehte einer der auffälligen und begabten Zugänge der Leipziger auf und untermauerte seinen Ruf als ein Spieler, der sich kopfüber in den Strafraum begibt, mutig wie ein Radler bei der Schussfahrt: der Belgier Johan Bakayoko.

Vor dem ersten Tor setzte er sich auf der rechten Seite durch und spielte den Ball vors Tor; Christoph Baumgartner versuchte sich aus kurzer Distanz an einem Absatzkick, den Kölns Torwart Marvin Schwäbe noch mit einem Reflex abwehren konnte. Ein weiterer Leipziger Zugang, der Brasilianer Romulo, staubte in klassischer Neuner-Manier ab. Auch am 3:1 war Bakayoko beteiligt. Er hatte am Strafraum den Ball über die Beine zweier Kölner Verteidiger gelupft, und als er hinterherstürzen wollte, nahmen ihn die Kölner in die Zange und brachten ihn zu Fall. Den Freistoß setzte David Raum in derart an Leverkusens Alejandro Grimaldo gemahnender Weise über die Mauer, dass er auch beim Jubel eine Anleihe beim Spanier nahm: Wie ein Pantomime führte er einen Golfschlag aus. Es war ein Treffer voller Vorahnung. „Ich habe schon gegrinst, als ich den Ball in der Hand hatte“, erklärte Raum später. „Das war ein bisschen der Killer“, klagte Kwasniok.

Die Debatte, ob gegen Raums Freistoß ein Kraut gewachsen gewesen wäre, war in den Augen Kwasnioks nachrangig. „Wir produzieren viel zu viele Standards, Ecken, seitliche Freistöße“, klagte der FC-Trainer. Fürwahr, Köln hat fünf von sieben Gegentreffern der laufenden Saison nach ruhenden Bällen kassiert. „Fußballinhaltlich“ aber war er mit dem Auftritt seiner Mannschaft überaus einverstanden, sie dominierte in der zweiten Halbzeit. Und wer weiß, welche Wendung die Partie genommen hätte, wenn Ragnar Ache nach Luca-Waldschmidt-Vorarbeit den Ball aus drei Metern ins leere Tor und nicht daneben gesetzt hätte. In vielen relevanten Statistiken waren die Kölner am Ende überlegen, zum Beispiel in Bezug auf Ballbesitz. Dem hatten die Leipziger die – allerdings einschüchternde – Macht ihrer Umschaltmomente entgegenzusetzen.

Zeuge dessen war auch der 57-malige Nationalspieler Timo Werner, der erstmals in dieser Saison im Kader stand und vor dem Aufwärmen von den RB-Anhängern bejubelt wurde, sich dann aber unter weiteren Timo-Werner-Chören bloß aufwärmen durfte. Der Trainer Ole Werner hätte es sich leicht machen können, doch er widerstand dem Impuls, seinem Namensvetter ein paar Brosamen Spielzeit zu gewähren, billigen Applaus einzuheimsen und den Chefs zu gefallen. Immerhin zeichnen sie Werners Spitzengehalt ab, es soll jenseits der zweistelligen Millionen-Euro-Marke liegen. In der Nachspielzeit schickte aber Werner Andrija Maksimovic sowie Kevin Kampl aufs Feld.

„Timo stand in weiten Teilen der Vorbereitung leider nicht auf dem Platz“, erklärte Ole Werner, was vorwiegend daran lag, dass der Klub in der Sommerpause auf vielen Wegen versucht hatte, den Stürmer von der Gehaltsliste zu drängen. Andere Spieler hätten aktuell „die Nase vorn“, sagte der Trainer. Doch Werner sagte auch, dass man sehen müsse, wie es in den nächsten Wochen weitergehe, vielleicht sogar schon am kommenden Wochenende in Wolfsburg.