Seit 100 Jahren gibt es nun das Stellwerk Loh Ost in Barmen, das für viele zum gewohnten Anblick der Nordbahntrasse gehört. Die Besitzer Tanja Kreiskott und Klaus Harms öffneten zum Jubiläum die Türen.

Wer sich schon mal gefragt hat, wer in dem karminroten Haus mit hohen Fensterbögen wohnen mag und was dort stattfindet, hatte am Sonntag die Gelegenheit, Tanja Kreiskott und Klaus Harms persönlich kennenzulernen. Auf ihrem weitläufigen Küchentisch haben die beiden historische Aufnahmen des Gebäudes und Grundrisspläne ausgebreitet. Mit dabei: Fotos des Verfalls, dem ihr Haus vor 2010 – dem Jahr, an dem sie es erworben haben – ausgesetzt war. Die anderen alten Stellwerke auf der alten Rheinischen Strecke in Wuppertal wurden 1993 abgerissen, bis auf zwei – ein weiteres Stellwerk ist am Heubruch zu finden.

Risse im Mauerwerk, Feuchtigkeitsschäden, Löcher im Dach, Abwasserleitungen aus 1925 waren nur einige Probleme, denen sich das Künstlerpaar gestellt hatte. Wie es dazu kam? „Wir suchten ein freistehendes Gebäude, das zum Arbeiten und Musikmachen geeignet war. Ich fuhr die Talachse ab und schaute mich um, aber es war schon überall jemand”, erinnert sich Harms. Das alte Stellwerk mit den kleinen Fenstern erschien auf den ersten Blick wenig geeignet, aber Harms und Kreiskott wollten es versuchen. Sie schickten eine Anfrage an die Bahn, die keinerlei Pläne hatte, den Bau zu sanieren. Es wurde ein Bietverfahren eröffnet. Das Paar bekam Rückenwind vom Bauamt und von der Denkmalschutzbehörde, denen sie einen Bauvorantrag und ein ausgearbeitetes Nutzungskonzept vorgelegt hatte. Die Entscheidung fiel zu ihren Gunsten.

Mithilfe einer Präsentation konnte der Wiederaufbau des Gebäudes chronologisch verfolgt werden. 2012 zog Klaus Harms auf die Baustelle. Drei Jahre und 75 Tage haben er und seine Frau selbst gemauert, Stahlbeton gegossen, Moniereisen gebogen, die Wände vom alten Lack befreit, mit Silikatstein gedämmt und verputzt. Harms, der vor dem Studium Zimmerwerk gelernt hatte, erwarb ausgebaute Dielen und baute daraus eine Holztreppe, die zum Dachstuhl hinauf führt. Die kleinen Fenster im Erdgeschoss wurden durch moderne Glastüren in der Größe der bereits vorhandenen angeputzten Bögen ersetzt. Um die historischen Bezüge im Bau zu erhalten, brachte Harms in den Deckenausschnitt zwischen der ersten Etage und dem Erdgeschoss, durch den die Steuerseile liefen, ein begehbares Glas an.

Eine Modedesignerin und ein Paarberater unter einem Dach

Das Haus, das sich zur Buchenstraße hin zwar als ein schmaler, aber ziemlich hoher Bau erweist, bietet Raum für vier Ebenen, auf denen die Eheleute wohnen und arbeiten. Im Untergeschoss ist die Atelierwerkstatt „Fadenschein“ untergebracht, in dem Tanja Kreiskott, studierte Modedesignerin und Heilpädagogin, Kleidung und Papierobjekte kreiert. Die Künstlerin arbeitet viel mit recycelten Stoffen, die sie mit edlen Naturfasern, wie Seide, Wolle oder Spitze veredelt. Die asymmetrischen Schnitte – fließend bis anschmiegsam – sind häufig nach Lust und Laune wandelbar. Designen und auch das Nähen solcher Kleidung unterrichtet die Künstlerin in ihren Kursen.

Eine Etage höher betreibt Klaus Harms seit acht Jahren seine psychologische Praxis für Einzel-, Paarberatung und Supervision. Nach einem Studium der Theologie, Pädagogik und Psychologie in Marburg und Münster arbeitete er als Seelsorger und Berater an zahlreichen Bildungseinrichtungen und Kliniken.

Harms und Kreiskott sind über ihre Berufe hinaus Musiker: Er spielt Kontrabass und Gitarre und seine Frau Querflöte. Zusammen haben sie zwei Benefiz-CDs zusammen mit anderen Wuppertaler Interpreten herausgebracht. Seit 13 Jahren öffnet das Atelier im Untergeschoss etwa alle drei Wochen seine Türen für Konzerte, Lesungen oder Theaterstücke.