In ihrem Brief machen die Ärzte sogleich klar, was bei diesen Verhandlungen auf dem Spiel steht: die Versorgung von Schwangeren und Kindern. Mit jährlich mehr als 3000 Geburten zähle die Klinik Hallerwiese zu den größten Geburtskliniken in Deutschland, heißt es in dem Schreiben, mit dem sich der Ärztliche Kreisverband Nürnberg vergangene Woche an die Öffentlichkeit wandte. Zusammen mit der Cnopfschen Kinderklinik bilde sie ein überregionales Zentrum für die Versorgung von Schwangeren, Frühgeborenen, Kindern und Jugendlichen.

Die anhaltende Unsicherheit über die Zukunft belaste nicht nur die Patienten, sondern auch die Menschen, die dort arbeiteten. „Wir appellieren daher eindringlich an die Verantwortlichen, die Gespräche zügig und konstruktiv zu einem verlässlichen Konzept für die Zukunft der beiden Kliniken zu führen“, schreiben die Ärzte.

Die Klinik Hallerwiese und die zugehörige Cnopfschen Kinderklinik gehören zu dem evangelischen Sozialunternehmen Diakoneo. Dieses hatte Anfang des Jahres erklärt, sich von seiner verlustreichen Gesundheitssparte trennen und alle Kliniken „in gute Hände“ übergeben zu wollen, wie es ein Sprecher formuliert. Eine Klinik in Schwäbisch Hall in Baden-Württemberg hat Diakoneo bereits an den Landkreis abgegeben. Bei der Diakoneo-Klinik Schwabach gelang das dagegen nicht. Das Grundversorger Krankenhaus mit 170 Betten und etwa 400 Beschäftigten, das seit Jahren hohe Verluste macht, meldete im Juli Insolvenz an.

Für sein Gesundheitszentrum Mittelfranken mit Standorten im Landkreis Ansbach, die Rangauklinik Ansbach sowie die Klinik Hallerwiese-Cnopfsche Kinderklinik in Nürnberg sucht Diakoneo weiterhin noch nach neuen Trägern.

In Nürnberg ist Diakoneo bereits seit einem Jahr in Verhandlungen mit dem kommunalen Klinikum Nürnberg, das erwägt, die Häuser zu übernehmen. Allerdings liege man bei einer Reihe von wesentlichen Fragen leider noch „sehr weit“ auseinander, sagte Ina Strickstrock, Vorständin Personal und Unternehmensentwicklung bei Diakoneo. Die Verhandlungen erschweren dürfte neben der schwierigen Finanzlage aller Kliniken, dass die Cnopfschen Kinderklinik gerade umfangreich neu baut. Auf einer Fläche von rund 4000 Quadratmetern entsteht ein vierstöckiges Gebäude, das unter anderem eine Zentrale Notaufnahme, einen OP-Trakt sowie zwei Kinder-Stationen beherbergen soll.

Für das Projekt waren ursprünglich 90 Millionen Euro an Investitionen veranschlagt worden. Es soll 2026 fertig werden. Gleichzeitig baut auch das Klinikum Nürnberg seine 30 Jahre alte Kinderklinik neu. Am Campus Süd sollen künftig auf fünf Stockwerken Kinder und Jugendliche „umfassend und fürsorglich behandelt und betreut werden“, heißt es auf der Webseite der Klinik. Den Bedarf für die zwei Geburtskliniken, in denen jeweils jährlich ungefähr 3000 Kinder auf die Welt kommen, sieht man in der Metropolregion Nürnberg durchaus. Trotzdem belastet das den ganzen Prozess mit zusätzlichen Kosten.

Oberbürgermeister Marcus König und auch das Klinikum Nürnberg mahnen deshalb zu Geduld bei den Verhandlungen. Die Gespräche liefen „auf Hochtouren“, sagte der OB. Man sei ebenso wie der Ärztliche Kreisverband Nürnberg an einem möglichst zeitnahen Ergebnis interessiert, um Klarheit für alle Beteiligten zu erzielen, sagt eine Sprecherin des Klinikums Nürnberg. Es gelte jedoch teils komplexe finanzielle und rechtliche Fragen zu klären. Das Klinikum Nürnberg müsse zudem die eigene finanzielle Stabilität im Auge behalten. Sie sei die oberste Priorität.

Das kommunale Klinikum und damit die Stadt Nürnberg haben bei dieser Verhandlung ein Problem: Sie möchten eine „optimale“ Gesundheitsversorgung für Nürnberg sicherstellen, wie es der OB formuliert. Doch wie in vielen anderen Kommunen ist die Finanzlage der Stadt Nürnberg angespannt. Wenn das Klinikum Nürnberg nun Krankenhäuser kauft, die dauerhaft Defizite schreiben, muss die Stadt Nürnberg am Ende dafür einspringen. Das Klinikum Nürnberg allein hat 2024 mit einem Minus von 18 Millionen Euro abgeschlossen.

Andernorts hat man bei solchen Angeboten deshalb schon abgewunken. Die Stadt Schweinfurt etwa entschied sich gegen die Übernahme des St. Josef Krankenhauses, als der Orden der Erlöserschwestern es abgeben wollte. Man sah sich dort nicht in der Lage, die „unkalkulierbaren Risiken eines solchen Großprojektes“ zu tragen, wie es der Schweinfurter Oberbürgermeister Sebastian Remelé formulierte. Das kommunale Leopoldiner Krankenhaus hat aber inzwischen einige, für die Region wichtige Abteilungen übernommen, darunter die Geburtshilfe. Auch eine Akutgeriatrie zur Versorgung ältere Patienten – bislang ein Schwerpunkt in St. Josef – eröffnete dort im April.

Um einen Verkauf seiner Kliniken zu ermöglichen, hat Diakoneo beim Krankenhaus in Schwäbisch Hall an den Landkreis einen zweistelligen Millionenbetrag draufgelegt. Ein sogenannter negativer Kaufpreis ist offenbar auch für die Kliniken in Nürnberg im Gespräch.

In Nürnberg beobachten die Ärzte die zähen Verhandlungen mit wachsender Sorge. Vor allem die Insolvenz des Diakoneo-Klinikums in Schwabach habe viele verunsichert, sagt der zweite Vorsitzende des Ärztlichen Kreisverbands Dirk Altrichter. Eine ähnliche Entwicklung am Klinik Hallerwiese-Cnopfsche Kinderklinik wäre für die ganze Region „hochdramatisch“.

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Bislang bekennen sich alle politischen Akteure zu den Kliniken. „Wir wollen die Klinik Hallerwiese unbedingt für die Nürnberger Bevölkerung erhalten“, beteuert etwa der Fraktionsvorsitzende der CSU im Stadtrat Andreas Krieglstein. „Unverzichtbar“ seien die zwei Häuser, sagt auch sein SPD-Kollege Nasser Ahmed. Der Vorsitzende der SPD-Stadtratsfraktion sieht deshalb auch den Freistaat in der Pflicht. Die Nürnbergerinnen und Nürnberger bräuchten eine Lösung für die nächsten Jahrzehnte:  „Es geht um Versorgungssicherheit, Arbeitsplätze und Gesundheit für die ganze Region.“

Bayerns Gesundheitsministerium ist nach eigener Angabe nicht selbst an den Verhandlungen der beiden Klinikträger beteiligt, man begleite sie aber. Auf Einladung des Ministeriums habe man den Verhandlungsstand bereits mehrmals in größerer Runde erörtert und die nächsten Schritte besprochen, heißt es etwas vage aus dem Ministerium. Eine weitere solche Abstimmungsrunde ist bereits geplant.

Das Sozialunternehmen Diakoneo bemühte sich derweil, die Sorgen der Bevölkerung und der Ärzteschaft zu zerstreuen: Bis ein Käufer gefunden sei, werde sich in den Kliniken nichts ändern, so Vorständin Strickstrock: „Die wichtige Arbeit an der Klinik Hallerwiese-Cnopfsche Kinderklinik gehe uneingeschränkt weiter.“