Standdatum: 22. September 2025.

Autorinnen und Autoren:
Alexander Schnackenburg

Demenz-Parcours

Irmtraut N. hat das Wort „Dumm“ spiegelverkehrt geschrieben und präsentiert das Ergebnis. Das spiegelverkehrte Schreiben zählt zu den schwierigen Aufgaben des Demenz-Parcours.

Bild: Radio Bremen | Alexander Schnackenburg

Wie erleben Demenz-Krankte Angst und Überforderung? Das konnten Bremer beim Demenz-Parcours auf dem Marktplatz testen. Ein Selbstversuch.

Im ersten Anlauf klappt nichts. Unser Versuch, spiegelverkehrt die korrekten Vorfahrtsregeln für eine Kreuzung einzuzeichnen, scheitert kläglich. Richtete sich irgendein Fahrer nach uns, so käme es zum Knall. Wie war das nochmal: Rechts ist, wo der Daumen links ist? Und: Was für mich rechts ist, ist für meinen Gegenüber links? Der Spiegel aber dreht alles um?

Was nach einem lustigen Spielchen klingt, ist die Simulation eines traurigen, andauernden Ernstfalls: Wir, das Publikum des 10. Bremer Fachtags Demenz, durchlaufen auf dem Marktplatz einen Demenz-Parcours von Hands-on Dementia. An elf Stationen führt uns der Parcours vor Augen, wie vermeintlich einfache alltägliche Situationen Menschen überfordern können, wenn sie an Demenz erkrankt sind: Das Anziehen, das Anrichten von Speisen – oder eben das Autofahren.

Durch die spiegelverkehrte Sicht auf die Dinge muss der Gast des Parcours immer wieder neu überlegen, was er wie anzustellen hat. Einer Routine kann er sich dabei nicht bedienen – ebenso wenig, wie verwirrte Menschen, die versuchen, ihren Alltag zu bewältigen.“ Der Parcours zielt darauf ab, dass die Menschen mehr Verständnis für an Demenz erkrankte Personen entwickeln“, erklärt Sibylle Mio Hamann, Leiterin des Dienstleistungszentrums Vahr der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Entsprechend konfrontierten alle Stationen des Parcours den Gast mit Unerwartetem. Die Folge: Verwirrung – ein Gefühl, das charakteristisch für eine Demenz ist.

Großer Zeitverlust beim Anziehen

Demenz-Parcours

Ist es leicht, sich anzuziehen? Mit Textaufgaben wie diesen simuliert der Demenz-Parcours, dass es schwieriger wird, sobald Unerwartetes wie falsche Buchstaben die Routine stört.

Bild: Radio Bremen | Alexander Schnackenburg

Auch buten un binnen zeigt sich an der einen oder anderen Station überfordert – nicht nur beim Autofahren. Zwar glückt uns das Anziehen am frühen Morgen noch fehlerfrei, wenn wir auch viel Zeit dabei verlieren. Doch beim spiegelverkehrten Schreiben auch nur eines einzigen Wortes ist Schluss. Was wir hier zu Papier bringen, ergibt keinen erkennbaren Sinn. Wir ziehen uns lieber wieder auf die vertraute Warte des Beobachters zurück.

„Parcours ist wertvoll“

Demenz-Parcours

Spiegelverkehrt einzeichnen, wer Vorfahrt hat? buten un binnen ist daran im ersten Versuch gescheitert.

Bild: Radio Bremen | Alexander Schnackenburg

So sehen wir, wie sich Irmtraut N. glänzend beim spiegelverkehrten Schreiben schlägt. Das Wort „Liebe“ glückt ihr fehlerfrei und noch dazu recht schnell. Auch „dumm“ schreibt sie richtig, wenn auch ein bisschen schief. „Ich mache das nicht zum ersten Mal“, räumt sie schließlich ein. Sie habe den Parcours schon öfter durchlaufen. „Der Parcours ist wertvoll. Hier wird einem demonstriert, welche Schwierigkeiten Menschen mit Demenz im Alltag haben“, sagt Irmtraut dazu.

„Spannend, aber erschreckend“

Demenz-Parcours

Michelle G. beim spiegelverkehrten Anrichten von Speisen. Diese Übung beim Demenz-Parcours dient der Simulation einer Sehbehinderung – zusätzlich zur Demenz.

Bild: Radio Bremen | Alexander Schnackenburg

Ganz ähnlich äußert sich Michelle G. „Spannend, aber auch erschreckend“ sei der Parcours, sagt sie. Michelle macht eine Ausbildung zur Heilerziehungspflegerin, durchläuft die Stationen aus professionellem Interesse. Besonders deutlich werde ihr dabei etwa, wie sehr Sehbehinderungen einen Menschen im Alltag beeinträchtigen könnten. Michelle sagt das mit Blick auf eine Station, an der man spiegelverkehrt und ausschließlich mit Besteck Speisen auf drei Tellern anrichten soll. Zwar gelingt es ihr, allerdings nur mit ein wenig Mühe. „Ich muss mich sehr konzentrieren“, sagt sie dazu.

Andere Gäste tun sich an derselben Station bald darauf deutlich schwerer. Nicht nur, dass sie Fleisch, Kartoffeln und Gemüse durcheinander bringen. Auch landet längst nicht alles tatsächlich auf dem Teller. Ausgerichtet hatte die Demenz Informations- und Koordinierungsstelle DIKS den 10. Bremer Fachtag Demenz unter dem Titel „Demenz – das berührt mich“. Wer nicht dabei sein konnte, aber Fragen zum Thema Demenz hat, kann sich über diese Website an die DIKS wenden.

Quelle:
buten un binnen.

Dieses Thema im Programm:
buten un binnen, 22. September 2025, 19.30 Uhr