(clhö) Die großen aufeinandergestapelten Koffer springen den Besuchenden der Galerie Anna Laudel in der Mühlenstraße 1 gleich ins Auge. Auf ihnen sitzt ein kleiner Junge im Schneidersitz. Die Installation steht sinnbildlich für die sogenannten „Kofferkinder“, eine Generation, die aufgrund der Arbeitsmigration eines oder beider Elternteile nach Deutschland oft getrennt von ihren Familien aufwuchs.
Ein Schicksal, das auch Bilal Hakan Karakaya teilt. Der 1979 in Ankara geborene Künstler sah seinen Vater als kleiner Junge das letzte Mal. Denn er reiste auf Arbeitssuche nach Deutschland, um auf diese Weise seine Familie ernähren zu können. Bilals Geschichte steht exemplarisch für viele Kinder seiner Generation. Dass seine erste Soloausstellung außerhalb der Türkei in Deutschland stattfindet, ist für Karakaya eine sehr persönliche Angelegenheit. Kann er auf diese Weise doch auf den Spuren des Vaters wandern.
Der kleine Junge auf dem Kofferstapel stellt ihn selbst dar. Der Blick des Kindes ruht auf einer weiteren Skulptur, die seitlich im Raum steht. „Sie stellt meinen Vater dar. Es ist meine Erinnerung an ihn“, erklärt Bilal Hakan Karakaya beim Rundgang durch seine Werkschau. Dafür kann er das gesamte Haus bespielen. Denn neben den familienbezogenen Arbeiten präsentiert Anna Laudel eine sorgsam kuratierte Übersicht der breit gefächerten Kunst des 46-Jährigen.
Seine Hommage an Adam und Eva beispielsweise, eine Skulptur die sie als Figuren liegend, einer Grabstelle gleich, darstellt. An ihrem Kopfende hat Karakaya einen geöffneten Koffer platziert, dessen Innenleben – bestehend aus magnetischen Granulaten, die von einem programmierten Code bewegt werden – repräsentiert die Migrationsströme.
Im Zentrum der Ausstellung steht der Ort, an dem sich das Schicksal vieler türkischer Familien entschied und der deshalb tief in vielen Migrationsnarrativen verwurzelt ist: Die Bahnhöfe von Istanbul, Karakayas Wahlheimatstadt. Auf der asiatischen Seite ist es der Bahnhof Haydarpaşa und auf der europäischen Seite der Bahnhof Sirkeci, von je her Orte des Abschieds und des Ankommens. Beide wurden von deutschen Architekten entworfen und gelten als Symbol der türkischen Moderne. Dieses Sinnbild byzantinischer Elemente gepaart mit westlichen Gestaltungselementen war für viele Migranten der erste Berührungspunkt mit dem Europa, in dem sie ihre Zukunft sahen. Genau dort begann auch Karakaya seine Reise nach Deutschland, wie einst der Vater.
In Düsseldorf sind Arbeiten aus verschiedenen Schaffensperioden des Künstlers zu sehen, für die er unterschiedliche Materialien wie Stein, Holz und Metall verwendete. Die Ausstellung läuft bis 25 Oktober. Öffnungszeiten: Di-Fr 12 bis 18 Uhr und Sa 11 bis 15 Uhr.