Der Hamburger Westen soll schneller ans Schnellbahnnetz: Statt der S6 wird nun die U5 bis Lurup und Osdorfer Born verlängert. Die neue Trasse soll um 2040 fertig sein – zehn Jahre früher als bisher geplant. Die S6 endet künftig in Bahrenfeld in der Science City.

Seit Jahrzehnten warten die Menschen im Hamburger Stadtteil Lurup und in der Großwohnsiedlung Osdorfer Born auf eine direkte Schnellbahnanbindung. Pläne gibt es seit rund 50 Jahren. Nun kommt Bewegung in die Sache. Allerdings anders als bislang geplant: Der Hamburger Senat hat am Dienstag eine grundlegende Umplanung vorgestellt. Statt der ursprünglich vorgesehenen S-Bahnlinie S6 sollen die beiden Stadtteile künftig über eine verlängerte U5 erschlossen werden. Die neue Trasse soll „etwa im Jahr 2040“ fertiggestellt sein – und damit rund zehn Jahre früher als die S6 nach Ansicht des Senats auf der Strecke fertig sein könnte.

Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) sprach nach der Senatsentscheidung im Rathaus von einem „großen Schritt“, der Klarheit für die betroffenen Stadtteile bringe: „Mit dem heutigen Tag bekommen wir zum ersten Mal eine Aussage, wann die Schnellbahnanbindung kommt.“ Die Hochbahn wurde bereits mit den Planungen beauftragt. Die neuen Haltestellen mit den Arbeitstiteln „Lurup-Mitte“ und „Osdorfer Born“ sollen nach dem bisher als Endpunkt gedachten Halt „Arenen“ folgen. Laut Verkehrsbehörde würden dadurch rund 18.000 Menschen erstmals direkt ans Schnellbahnnetz angeschlossen. Die Streckenlänge beträgt – je nach konkreter Ausgestaltung – vier bis fünf Kilometer.

Grundlage für die Entscheidung ist der sogenannte Nutzen-Kosten-Faktor (NKF), der über die Förderfähigkeit durch den Bund entscheidet. Liegt dieser Wert unter 1,0, sind keine Bundesmittel möglich. Nach Angaben der Verkehrsbehörde hätte die S6-Verlängerung über die Science City hinaus diesen Schwellenwert nicht erreicht. Die U5-Verlängerung hingegen liegt laut Senat über dem Faktor 1,0 – eine Bundesförderung gilt daher als wahrscheinlich. Hamburg müsse zwar zunächst in Vorleistung gehen, könne aber bei Aufnahme in die Förderkategorie A des Gemeindeverkehrswege-Finanzierungsgesetzes (GVFG) rückwirkend Geld vom Bund erhalten, erklärte Tjarks.

Nach Angaben der Verkehrsbehörde ist mit der U5 eine deutlich dichtere Taktung möglich als mit der ursprünglich geplanten S6. Während die S6 betrieblich bedingt nur alle zehn Minuten hätte fahren können, soll die U5 im Zwei-Minuten-Takt unterwegs sein. Senator Tjarks betonte, dass die Menschen in Lurup und Osdorf dadurch „von häufigeren Verbindungen und insgesamt mehr Sitzplätzen profitieren“ würden.

Entlang der neuen U5 seien zudem zahlreiche Umsteigemöglichkeiten ins bestehende Schnellbahnnetz vorgesehen, so Tjarks: etwa am S-Bahnhof Stellingen (S3, S5), an Hagenbecks Tierpark (U2), an der Hoheluftbrücke (U3) und am Stephansplatz (U1).

Das Projekt S6, das Hamburg gemeinsam mit der Deutschen Bund geplant hat, wird derweil nicht beendet. Sie soll künftig auf den Abschnitt bis zur Science City in Bahrenfeld konzentriert werden. Dort entstehen neben dem Ausbau des Wissenschaftsbetriebs rund 3800 neue Wohnungen. Die Anbindung der Science City ist auch mit Blick auf Hamburgs Olympia-Pläne entscheidend. Das geplante Olympische Dorf soll in Bahrenfeld liegen: ein zentrales Argument, den Ausbau der S6 bis dorthin schneller angehen zu können. Aktuell liefen Gespräche, die Planung und Realisierung der S6 zu beschleunigen, hieß es am Dienstag.

Die Grünen-Fraktion sieht in der Umplanung einen Gewinn für den Hamburger Westen. Rosa Domm, Sprecherin für Mobilität, sagte: „Die neue, schnellere Lösung mit der U5 ist eine richtig gute Nachricht für unsere Stadt. Besonders für die Menschen im Osdorfer Born und in Lurup bedeutet die U5 eine enorme Verbesserung: Sie kommen rund zehn Jahre früher ans Schnellbahnnetz.“

Auch die SPD begrüßt die Entscheidung. Frank Schmitt, Wahlkreisabgeordneter für Lurup und Osdorf, sprach von einer „guten Lösung“ mit „höheren Kapazitäten, kurzen Takten und attraktiven Umsteigemöglichkeiten“. Die bisherigen S6-Pläne über die Science City hinaus hätten keinen ausreichenden Nutzen-Kosten-Faktor erreicht, eine Bundesförderung wäre damit ausgeschlossen gewesen.

Kritik kommt hingegen von der Opposition. Philipp Heißner, verkehrspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion, kritisierte, dass in den vergangenen Jahren mehrfach die Prioritäten gewechselt wurden: „Erst wurde vom Senat die U5 nach Osdorf und Lurup versprochen, dann die S6 zur Science City und zum Osdorfer Born priorisiert – inklusive Machbarkeitsuntersuchungen und weiterer 120 Millionen Euro für die Planung. Jetzt möchte der rot-grüne Senat völlig überraschend doch wieder die U5 verlängern, statt endlich konsequent die S6 voranzutreiben.“

Heißner spricht von einem „rot-grünen Eiertanz“ und fordert eine verlässliche Lösung für die betroffenen Stadtteile: „Lurup und der Osdorfer Born brauchen endlich eine leistungsfähige Schienenanbindung statt ständig wechselnder Pläne, vagen Zusagen und millionenschweren Umplanungen. Die erneute Kehrtwende des Senats ist ein Rückschritt für ganz Hamburg und besonders für die Menschen in Lurup und Osdorf.“

Auch Heike Sudmann, verkehrspolitische Sprecherin, zeigte sich irritiert von der „kompletten Kehrtwende“ und warf dem Senat mangelnde Verlässlichkeit vor. „Erst U-Bahn, dann S-Bahn, jetzt wieder U-Bahn – was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?“ Die Argumente zur Wirtschaftlichkeit und Pünktlichkeit der U-Bahn seien nicht neu, sondern bereits 2020 bekannt gewesen. „Alles für Olympia, leere Versprechungen für Osdorf und Lurup“, so Sudmann.

Auch wenn die U5-Verlängerung nun als bevorzugte Lösung gilt, bleibt die Realisierung ein langfristiges Projekt. Die Verkehrsbehörde spricht von einem „Zeitkorridor“ bis etwa 2040 – ein konkretes Fertigstellungsdatum gibt es nicht. Die Kosten sind ebenfalls noch offen. Tjarks verwies auf Erfahrungen mit der U5 Ost, wo man derzeit „sehr gut im Kostenplan“ liege. Für die neue Westverlängerung könne man jedoch noch keine belastbaren Zahlen nennen.