Lukas Rohleder. Foto: Heiko Weckbrodt

Der Dresdner IHK-Hauptgeschäftsführer Lukas Rohleder. Foto: Heiko Weckbrodt

Bedarf der sächsischen Halbleiter-Industrie ist stark, auch im Ausland nach Azubis zu angeln

Dresden, 24. September 2025. Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Dresden hat die in Sachsen geplante neue Ausbildung von Chipfabrik-Lehrlingen auf Englisch ausdrücklich begrüßt – und hält sie prinzipiell auch für rechtlich machbar. Allerdings müssten dafür mehrere Landes- und Bundesgesetze beziehungsweise Prüfungsordnungen geändert werden. Das hat IHK-Hauptgeschäftsführer Lukas Rohleder eingeschätzt. „Auch von den Unternehmen gibt es den ausdrücklichen Wunsch, in diese Richtung zu gehen“, betonte Rohleder.

Zu wenig Jugendliche in Sachsen

Denn es sei offensichtlich, dass die boomende Halbleiterindustrie und verwandte Branchen im Großraum Dresden ihren wachsenden Fachkräftebedarf weder aus dem lokalen Arbeitsmarkt noch durch Lehrlinge aus der Region in den nächsten Jahren voll decken können. Bereits jetzt können laut dem Hauptgeschäftsführer viele Lehrstellen in der hiesigen Mikroelektronik nicht besetzt werden.

Zwischen Wunsch und tatsächlicher Lehrstellen-Besetzung klafft inzwischen schon eine deutliche Lücke in der Dresdner Halbleiterbranche. Grafik: IHK Dresden, Repro: hw

Zwischen Wunsch und tatsächlicher Lehrstellen-Besetzung klafft inzwischen schon eine deutliche Lücke in der Dresdner Halbleiterbranche. Grafik: IHK Dresden, Repro: hw

Planuntererfüllung in der Chipfabrik: Jede 4. Lehrstelle bleibt unbesetzt

So hatte die IHK zunächst im Frühjahr 2025 alle Halbleiter-Unternehmen i n Dresden nach ihren Ausbildungsplänen und Lehrlingsbeständen befragt und die Angaben nun noch einmal neu abgefragt. Demnach konnten die hiesigen Chipfabriken von 263 geplanten Plätzen in diesem Jahr nur 188 besetzen. Ähnlich sah es 2024 aus, als nur 190 von 218 Lehrstellen besetzt werden konnten.

TSMC-Fab: Taiwanesen haben großes Interesse an dualer Ausbildung in Deutschland

Und ganz deutlich wurde in der Umfrage auch: Der Bedarf an Mikrotechnologen und Mechatronikern wird in den nächsten Jahren weiter wachsen. Das liegt einerseits am organischen Wachstum der sächsischen Mikroelektronik, an den großen Ausbauprojekten von Infineon, Globalfoundries und Co. – aber auch an der Ansiedlung von TSMC. Denn die Taiwanesen sind zwar von daheim andere Karrierewege gewohnt, haben aber „großes Interesse an der dualen Berufsausbildung“ hierzulande, betonen Rohleder wie auch IHK-Präsident Andreas Sperl.

Mikroelektroniker-Lehre auf Englisch soll mit neuer Exzellenz-Berufschule 2028 starten

Angesichts des hohen Lehrlings-Bedarfes in der Mikroelektronik bauen Stadt und Land nun gemeinsam in Dresden-Prohlis ein neues Exzellenz-Berufsschulzentrum für Elektrotechnik. Angesichts der hohen Investition von rund 136 Millionen Euro teilen sich in diesem besonderen Fall Freistaat und Kommune auch in die Kosten hinein. 2028 soll die Azubis-Schmiede, die bisher in der ehemaligen Reichsbahn-Ingenieurschule am Strehlener Platz sitzt, in das neue Domizil umziehen. Das soll dann Platz für insgesamt 2200 Berufsschüler in 47 Klassen bieten, darunter etwa 900 Mechtroniker und Mikrotechnologen speziell für den Bedarf der Chipwerke.

Novum in Deutschland

Diese riesige Berufsschule soll ihre Klassen nicht nur mit Jugendlichen aus der Region, sondern auch aus Polen, Tschechien und anderen Ländern füllen. Vor allem für sie, aber auch für sächsische Jugendliche mit internationalen Ambitionen, wollen Sachsen und Dresden dort – als Novum in Deutschland – eine zusätzliche Berufsausbildung auf Englisch starten. „Damit treffen wir den Nerv technikaffiner Jugendlicher im Ausland, die kein Deutsch sprechen“, ist Rohleder überzeugt. Mit der erstmals in Deutschland vorgesehen Berufsausbildung komplett auf Englisch könnte Dresden womöglich manch jungen Menschen aus Böhmen, Schlesien oder Lothringen für einen Umzug nach Sachsen begeistern.

Rechtliche Hürden zu überwinden

Doch damit das klappt, muss Sachsen aber auch den Bund an Bord holen. Ein Beispiel: Im Verwaltungsverfahrensgesetz ist Deutsch als Behördensprache vorgeschrieben, im Berufsbildungsgesetz die Ausbildung auf Deutsch. Beides könnte nur der Bund ändern. Die Sachsen wollen hier mit den Ausnahmen zum Beispiel an privaten „Internationalen Schulen“ argumentieren, an denen Englisch als Unterrichtssprache längst üblich ist. Tenor: Es gehe nicht an, Berufsschüler gegenüber Gymnasiasten in dieser Hinsicht zu benachteiligen. Auch Prüfungsordnungen müssten eine englische Option bekommen.

Fachkräfteeinwanderungs-Gesetz fordert bisher Deutsch auf B1-Niveau

Zudem möchte der Freistaat, dass der Bund sein bereits novelliertes Fachkräfteeinwanderungs-Gesetz noch einmal überarbeitet. Das sieht im Moment nämlich noch vor, dass ausländische Heranwachsende, die eine Ausbildung in Deutschland antreten wollen, Deutsch auf B1-Niveau und mindestens 11.000 Euro Rücklage für den Lebensunterhalt nachweisen müssen. Insbesondere die Sprachauflage würde das Konzept einer Berufsausbildung auf Englisch freilich ad absurdum führen.

„Womöglich hilft uns die Gunst der Stunde.“
Lukas Rohleder, Hauptgeschäftsführer der IHK Dresden

All dies bedeutet: Die Sachsen werden an vielen Stellen noch viele „dicke Bretter bohren“ müssen, um 2028 die neue internationale Mikroelektroniker-Lehre in Dresden-Prohlis starten zu können. Immerhin: In einer ersten rechtlichen Prüfung sind die IHK-Experten zu der Meinung gelangt: Machbar ist das. „Womöglich hilft uns die Gunst der Stunde“, hofft Rohleder. Denn das Berufsbild des Mikrotechnologen – das 1998 auch auf Druck aus der sächsischen Halbleiterindustrie überhaupt erst entstanden war und Vorläufer in der DDR hatte – wird derzeit ohnehin überarbeitet. „Das sollten wir nutzen.“

Autor: Heiko Weckbrodt

Quellen: IHK DD, Oiger-Archiv, Wikipedia, BMWE

Repro: Oiger, Original: Madeleine Arndt

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