Sinnlich, komödiantisch, bunt und queer – so sollte „Prima la Mamma!“ aus der Sicht von Daniel Kramer inszeniert werden. Lustvoll machte sich der amerikanische Regisseur im Vorjahr ans Werk. Er brachte den Zweiakter von Gaetano Donizetti im November 2024 zuerst für die Rheinoper im Theater Duisburg auf die Bühne und freut sich jetzt auf die Premiere in Düsseldorf.

Was reizte ihn an dieser virtuosen Parodie auf die Sitten und Unsitten des Theaters? „Comedy, ganz klar“, antwortet er. „Wir sehen uns jeden Tag mit Kriegen konfrontiert, in der Ukraine, in Gaza. Schlimm genug. Und dann gibt es in meinem Land noch Donald Trump.“ Er schüttelt den Kopf. Wie er sich geärgert habe, dass man dem Präsidenten in England neulich schmeichelte, als sei er der Kaiser der Welt! „Hier aber“, kommt er auf die Oper zurück, „können wir mit einem deftigen Spaß dem Publikum zu einer lustigen Zeit verhelfen. Dieses Stück verlangt nach Freude.“

Die Grundlage dafür schuf Donizetti. Mit einer Theatertruppe, deren Proben zu dem antiken Schinken „Romulus und Ersilia“ komplett entgleisen. Mamma Agata, Mutter der zweiten Sopranistin, platzt rein und fordert, obschon völlig unmusikalisch, die Mezzopartie. Der Komponist wies die Rolle der exaltierten Diva einem Bariton zu. Dieser Kunstgriff ist ein gefundenes Fressen für Daniel Kramer. Seinem Helden in Frauenkleidern schnallt er monströse, acht Kilo schwere Brüste um. Überhaupt gerät „Prima la Mamma!“ mit quietschbunten Kostümen, aufgeplusterten Plastikmuskeln und grellen Perücken zum schrillen Spektakel. „Das muss auf die Spitze getrieben werden“, beteuert der 48-Jährige.

Nur an dem Wort „schrill“, auf Englisch gleichlautend „shrill“, bleibt er hängen. Das möge er ja gar nicht. „In meiner Sprache ist das negativ beladen, es war verstörend, geradezu ekelhaft, es in den Kritiken zu lesen.“ Kramers Empörung verrauscht, als er hört, in Deutschland sei das ein wenig anders. Mit „over the top“ gibt er sich dann zufrieden.

Die Opera buffa (1827 als Einakter in Neapel uraufgeführt, 1931 um einen Akt erweitert) reicherte der Regisseur mit zusätzlichen Kompositionen von Donizetti an – seiner Ouvertüre aus „Alahor in Granata“ und vier Arien. Warum? Das Stück sei ihm zu kurz gewesen für einen Opernabend, für den man ordentlich Geld bezahle, befindet er. Außerdem habe der Meister des Belcanto ein überwältigendes Repertoire hinterlassen, daraus wollte er schöpfen.

Bei „Prima La Mamma!“ führte Daniel Kramer zum zweiten Mal Regie an der Rheinoper. Sein Debüt gab er 2023 mit „Die tote Stadt“ von Wolfgang Korngold. „Das war so emotional“, erzählt er. „Ich hatte dieses wunderbare Werk seit Jahren auf meiner Liste. Aber nach dieser tragischen sollte es dann doch eine komische Oper sein.“

2026 wird er wiederkommen. „Dann spielen wir ein Stück von fünf Stunden“, kündigt er an und lacht lauthals. Ein quicklebendiges Gespräch. Rasant purzeln die Sätze aus seinem Mund, man kommt kaum hinterher. Zwischendurch rauft er sich die Haare: „Oh Himmel, ich bin so gern dramatisch!“ Auch bekennt er sich zu seiner Queerness: „Für sie werde ich mich nicht mehr schämen. Wir leben in einer Zeit von Drag Queens und Transgender. Daran müssen wir uns gewöhnen. Ich unterstütze diese Bewegung, sie bringt Farbe ins Leben.“

Blättert man die Karriere dieses Mannes auf, die ihn rund um die Welt führte, die ihn zum begehrten Regisseur für Opern, Theater, Musicals und Ballett reifen ließ, so landet man beim Märchen von Peter Rabbit. Mit seiner ersten Rolle auf der High School, als Benjamin Bunny im pelzigen Kostüm, war er für immer ans Theater verloren. „Die Bühnenlichter, der Geruch von Schminke und Nebelmaschine, der Applaus – dieser Moment änderte mein Leben. Ich sah meinen Weg, und nie schaute ich zurück.“

Ohio war kein gutes Pflaster für einen schwulen Jungen. Er ging nach Chicago und studierte an der North Western University Interdisziplinäre Kunst. Seine Lehrer rieten ihm, ins Ausland zu wechseln, um einen anderen Blick zu bekommen. Und so setzte er sein Studium in London und Italien fort, tauchte tief in den Zirkus und die Commedia dell’ Arte ein. Gleich für seine erste Oper „Punch & Judy“ an der English National Opera wurde der Regisseur ausgezeichnet.

Die Arbeit am Theater und an der Oper unterscheide sich, sagt Daniel Kramer. „Die Musik ist vorgegeben, den Sängern musst du nur sagen, was sie machen sollen. Bei Schauspielern kommt es auf jede Silbe an, wir ringen miteinander um Worte. Diesen Prozess liebe ich.“ Ein Blick hinter die Kulissen, wie Donizetti ihn vor 200 Jahren beschrieb, sei heute womöglich weniger interessant. Die blumige Vorlage behielt er dennoch bei: „Ich will das Stück nicht brechen. Es ist übertrieben, aber sehr amüsant.“

Er kämpft um eine kreative Erziehung. „Sie ist das größte Geschenk, das wir unseren Kindern machen können. Es geht nicht nur um Wissenschaft und Technik.“ Das will er beim Unterricht an mehreren Hochschulen vermitteln. Seine wichtigste Botschaft? „Sei ganz du selbst, sei ohne Furcht. Und wenn du berühmt wirst, kommt es nicht auf Limousinen und Champagner an. Das Leben hat Höhen und Tiefen. Es ist harte Arbeit, vom ersten bis zum letzten Tag.“