Berlin wächst – auch in die Höhe. An mehreren Standorten in der Stadt entstehen derzeit neue Hochhäuser, ob am Alexanderplatz oder an der Sonnenallee. Viele weitere sind zumindest geplant. Eine regelrechte Skyline könnte sich ausgerechnet in Friedrichshain-Kreuzberg bilden – dort, wo man besonders erbittert gegen den Bau des zweithöchsten Hochhauses von Berlins kämpfte. Ein Überblick über die geplanten Projekte und das einzige in jüngster Vergangenheit realisierte.
Der „Edge East Side Tower“
Der „Edge East Side Tower“ ist der Allgemeinheit besser bekannt als Amazon-Tower, benannt nach dem Hauptmieter in dem Büroturm. Es ist das einzige Hochhaus des entstehenden Ensembles um die Warschauer Brücke, das bereits steht. Baustart war 2019. Im Jahr 2023 wurde das gut 140 Meter hohe Gebäude fertiggestellt und nach dem Innenausbau im März 2025 an die ersten Mieter übergeben.
Für kurze Zeit war es damit das höchste Gebäude Berlins, höher als die Hochhäuser am Potsdamer Platz, die gut 100 Meter hoch sind, und die beiden Türme am Zoo mit etwa 120 Metern Höhe. Inzwischen wurde der Amazon-Tower aber überholt: Der Estrel-Tower in Neukölln hat inzwischen seine volle Höhe von 176 Metern erreicht und ist damit auch der einzige Wolkenkratzer Berlins. So werden Hochhäuser ab einer Höhe von 150 Metern bezeichnet.
36 Stockwerke hat der Amazon-Tower und eine Nutzfläche von etwa 65.000 Quadratmetern, die fast vollständig als Büros vorgesehen sind. Etwa 1400 Quadratmeter stehen auch gemeinnützigen Initiativen aus der Nachbarschaft zur Verfügung. Außerdem gibt es Gastronomiebetriebe. Gegen den Amazon-Tower hatte es Proteste gegeben, weil man in der Nachbarschaft steigende Preise und Verdrängung aus dem Kiez befürchtete.
Das Kurth-Hochhaus auf dem RAW-Gelände
Unter den noch nicht realisierten Projekten sind die Pläne für das 100-Meter-Hochhaus auf dem RAW-Gelände am weitesten fortgeschritten. Im Jahre 2015 hatte die Kurth Immobilien GmbH das rund 50.000 Quadratmeter große Areal zwischen Revaler Straße und Bahntrasse gekauft. Einige Umbauten, die unter anderem zur Entstehung des „House of Music“ (eine Art Co-Working-Space für Musikschaffende) führten, haben bereits stattgefunden. Geplant ist noch mehr: unter anderem eine Markthalle, zwei Tiefgaragen – und eben ein rund 100 Meter hohes Hochhaus.
Das RAW-Gelände nach einer Simulation von Holzer Kobler Architekturen/ Philipp Obkircher
© Holzer Kobler Architekturen/ Philipp Obkircher
2019 wurde ein Aufstellungsbeschluss gefasst, der einen Mix von Büros, Gewerbe sowie soziokultureller und gemeinwohlorientierter Nutzung vorsah. Bezirk und Investor zogen hier – nicht selbstverständlich in Berlin – lange an einem Strang. Doch damit ist es seit gut einem Jahr vorbei. „Seit der Vorhabenträger im Juni 2024 seine Bereitschaft zur gemeinsamen Erarbeitung des Bebauungsplans zurückgezogen hat, ruht das Verfahren“, teilte ein Sprecher des Bezirksamts auf Tagesspiegel-Anfrage mit. Demnach werde nun doch die Möglichkeit einer Wohnbebauung geprüft. Eine Festsetzung des Bebauungsplans bis Ende 2026 unter Berücksichtigung gesetzlicher Fristen und Bearbeitungszeiträumen von Dienstleistern sei „sehr unwahrscheinlich“.
Lauritz Kurth, Geschäftsführer des Immobilienunternehmens, macht für das Ende der Zusammenarbeit die „mangelnde Kooperations- und Lösungsbereitschaft seitens des Bezirks“ verantwortlich. „Langfristig anberaumte Jour fixe wurden kurzfristig abgesagt oder Kernakteure nahmen unangekündigt nicht teil, Mails oder Protokolle wurden seitens des BA teilweise nicht oder nur sehr schleppend und inhaltlich unzureichend bearbeitet“, teilte er mit. Ob und wann das geplante Hochhaus entsteht, ist damit immer noch offen.
Ein Hochhaus für das Rudolfband – auf Wunsch des Senats
Noch ganz am Anfang steht die Planung für das Hochhaus der Atrium Development GmbH in der Rudolfstraße. Auf dem dortigen Grundstück hatte der Bezirk bisher ein Gewerbequartier in Blockrandbebauung geplant. Ende April entzog der Senat dem Bezirk das Verfahren, um die Planungsziele zu ändern: Jetzt soll hier ein Hochhaus entstehen, in dem überwiegend Wohnungen gebaut werden.
Links im Vordergrund steht ein Modell des Atrium-Hochhauses. Rechts sieht man ein Modell des Kurth-Projekts.
© Teresa Roelcke
Über die Höhe besteht noch Uneinigkeit: Erst hieß es, das Unternehmen wolle eine Höhe von 140 Metern, dann wuchs der Turm in ihren Plänen auf 150 Meter an. Das Baukollegium, das den Senat unter anderem bei Hochhausvorhaben berät, hielt dagegen: Eine Höhe von 150 Metern an dieser Stelle sei „nicht verträglich“, auch wegen der Nähe zum benachbarten Amazon-Tower: „Die Gegenüberstellung zweier nahezu gleich hoher Häuser würde zu einer sehr nachteiligen, fast barriereartigen Wirkung führen. Zudem würde ein derart hohes Gebäude im Block und in der Nachbarschaft des gründerzeitlichen Quartiers nicht hinnehmbare Beeinträchtigungen verursachen.“ Als maximale Höhe schlägt das Baukollegium 80 bis 90 Meter, einschließlich der Oberkante der Technikaufbauten vor.
Wie hoch das Gebäude am Ende in den Himmel ragt, wird final aber erst mit der Festsetzung des Bebauungsplans entschieden. Zunächst wird der Senat in den nächsten Monaten allerdings das Bebauungsplanverfahren erst einmal neu aufsetzen, um auf das Ziel eines Wohnhochhauses umzuschwenken. Bis zur Festsetzung und einem Baubeginn dürfte es also noch dauern.
Auch Anschutz will in die Höhe
Erst Ende August wurde bekannt, dass direkt gegenüber des Amazon-Turms noch ein weiteres Hochhaus entstehen könnte. So sehen es jedenfalls Pläne der „Anschutz Entertainment Group“ vor. Sollten die Projekte von Atrium und Kurth verwirklicht werden, wäre es das vierte in unmittelbarer Umgebung des S- und U-Bahnhofs Warschauer Straße. Geplant ist seitens des Investors ein 120 Meter hohes Gebäude. Projektname: The Hub.
Direkt vor dem „Edge East Side Tower“ an der Warschauer Brücke könnte ein weiteres Hochhaus entstehen. Der Fußgängerübergang zwischen U- und S-Bahnhof soll in das Gebäude integriert werden.
© dpa/Wolfgang Kumm
Die noch ganz am Anfang stehenden Pläne solle Mitte September im Baukollegium vorgestellt werden. Noch liegt das Planungsrecht beim Bezirk, Baustadtrat Florian Schmidt (Grüne) wertet die Einladung ins Baukollegium aber offenbar als Bekenntnis des Senats zu dem Projekt. Er reagierte mit scharfer Kritik: „Hier soll für ein städtebaulich heikles Projekt mit großer Tragweite offenbar ein Bebauungsplan in einem intransparenten Schnellverfahren aufgestellt und ein Wettbewerbsverfahren so übereilt auf den Weg gebracht werden, dass man es nur unseriös nennen kann“, sagte er.
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Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung weist das entschieden zurück. Nach Tagesspiegel-Informationen betrachtet man das Vorhaben innerhalb der Verwaltung tatsächlich eher zurückhaltend. Dass das Haus noch näher an den Amazon-Tower heranrücken würde als das Atrium-Hochhaus, dürfte wohl auch das Baukollegium kritisch betrachten.