AUDIO: Musikclubs nach Boykottaufrufen in Nöten (3 Min)
Stand: 26.09.2025 08:58 Uhr
Vor dem Hintergrund des Nahostkonflikts haben Boykott-Aufrufe die Musikszene erfasst. Das betrifft auch viele kleinere, lokale Clubs. Vor allem über Social Media prallen verhärtete Positionen aufeinander.
Meist werden die Clubs über Soziale Medien aufgefordert, bestimmte Künstler*innen nicht auftreten zu lassen. Zuletzt machte die Ausladung der Münchner Philharmoniker von einem Festival in Belgien Schlagzeilen – Grund war, dass ihr Chefdirigent Lahav Shani Israeli ist. Auch beim Schlagerfestival ESC gibt es Boykott-Überlegungen hinsichtlich einer Teilnahme Israels.
Die Verunsicherung in der Clubszene ist so groß, dass sich praktisch niemand gegenüber Journalisten oder der Presse äußern möchte. Meist heißt es „Wir wollen keine schlafenden Hunde wecken“ oder wir wollen „uns nicht öffentlich politisch äußern oder positionieren“. Die Clubbetreiber verweisen auf ihre Interessenvertreter wie den Bundesverband Deutscher Konzertveranstalter oder das Clubkombinat in Hamburg. Das wiederum möchten sich heraushalten aus der heiklen Diskussion und verweist wiederum auf die einzelnen Clubbetreiber.
Hasskampagnen gegen Club Hafenklang
Den Clubs bleibt dann nur noch, sich auf ihren Internetseiten zu erklären – wenn sie so mutig sind wie der Hamburger Musikclub Hafenklang: „Wir sind solidarisch mit der Zivilbevölkerung in Gaza und dem Libanon. Auch wir kritisieren scharf die rechte Regierung und Siedlerpolitik Israels (…) und stellen gleichzeitig das Existenzrecht eines Staates Israels nicht in Frage!“ So steht es in einer Erklärung, die mit „Anmerkungen des Hafenklang zu Konzertabsagen, Boykott-Aufrufen und Roten Linien“ überschrieben ist.
Der Hamburger Club Hafenklang bezieht trotz Hass-Kampangnen Stellung zum Nahostkonflikt – ein mutiger Schritt, den nicht alle Clubs wagen.
Da reicht es offenbar schon, wenn das Elend in Gaza nicht allein, sondern auch der Hamas-Überfall auf Israel erwähnt wird, um regelrechte Hass-Kampagnen gegen den Club zu führen, sagt Thomas Lengefeld. „Wir haben in dem Statement auch gesagt, wir erkennen das Existenzrecht Israels an – und dann bist du Zionist und dann bist du böse“, erklärt er. Lengefeld spricht für den Hafenklang e.V., einen Verein aus rund 60 Mitgliedern, der den Club betreibt. Der Verein hat sich diese Erklärung auf der Internetseite nicht leicht gemacht.
Probleme vor allem für „linke“ Clubs
„Der Nahostkonflikt ist mit Sicherheit nicht schwarz und weiß. Alle wissen, wer am 7. Oktober 2023 die Opfer und wer die Täter waren, und wir wissen alle, wer heute Täter und Opfer sind“, so der Clubbetreiber. Dass vor allem die sogenannte Linke getriggert wird durch solche Aussagen, hat man auch in explizit „linken“ Clubs wie dem About Blank in Berlin und dem Conne Island in Leipzig zu spüren bekommen. Thomas Lengefeld vom Hafenklang in Hamburg hat da eine Vermutung:
„Wir werden in eine böse Ecke gestellt – nicht nur wir, sondern andere Clubs auch“, sagt er. Es gebe Internet-Trolls, die mit folgender Idee schreiben: „Ich tue was Gutes, indem ich breittrete, dass dieser Laden böse ist“, so Lengefeld. „Das ist nicht auszuhalten – also die Narrative mit denen wir belegt werden, die schwanken in jede Richtung“, beschwert er sich.
Klare Position des „Chez Heinz“
Ganz anders im Club „Bei Chez Heinz“ in Hannover, wo außer Bands auch Chöre und Comedians auftreten oder Karaoke-und Quiz-Abende stattfinden. Vermutlich ist das Programm dort den Boykott-Aufrufern nicht links genug: „Wir sind schon links der Mitte einzuordnen, aber lassen auch eine gewisse Liberalität zu. Wenn es darauf ankommt, beziehen wir Position. Zum Beispiel positionieren wir uns ganz eindeutig gegen Rechts. Das machen wir auch öffentlich“, erklärt der Veranstalter Jürgen Glambeck.
So unmissverständlich ist er auch in der Beurteilung des Krieges in Nahost. Beim Terrorangriff vom 7. Oktober 2023 seien genauso, wie jetzt auch im Gaza-Streifen, Zivilisten ums Leben kommen. „Es ist richtig, dass das kritisiert wird. So etwas darf es einfach nicht geben und dagegen müssen wir auch etwas tun“, betont Glambeck und führt weiter aus: „Die Angehörigen der Geiseln gehen gegen Netanjahu auf die Straße. Das ist ein klares Zeichen, wofür diese Menschen eigentlich stehen.“
Erstaunlich, dass Sätze wie diese aktuell in der deutschen Club- und Musikveranstaltungsszene offenbar nicht geäußert werden können, ohne Shitstorms und Boykott-Aufrufe zu provozieren.
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