Mit einem Erinnerungsstück von der ersten Veranstaltung, die in der legendären Tunnel-Location stattfand, die später unter dem Namen „Röhre“ in die Stadtgeschichte eingehen wird, hat der frühere Leiter der Bad Cannstatter Feuerwache, Rolf Hohl, das Stadtpalais überrascht.
Die Requisite, die er am Freitag an das Museum für Stuttgart übergab, stellt eine Art Haube aus hauchzartem Gaze-Stoff dar, der über eine Drahtkonstruktion gespannt ist. Ein wenig erinnert der beigefarbene Gegenstand an einen überdimensionalen Fingerhut.
Ein Ballett im Tunnel: Das „Event 1 2 3“ von 1979
Tatsächlich trugen aber eine Handvoll Kinder diese Hauben im Rahmen einer Tanztheaterinszenierung des Stuttgarter Balletts unter dem Namen „Event 1 2 3“, das 1979 in der Nordröhre des Wagenburgtunnels über die Bühne ging. „1,2,3 stand für die drei aufeinanderfolgenden Abende, an denen die Aufführungen stattfanden“, erklärt Stadtpalais-Mitarbeiterin Mia Paulus anlässlich der Übergabe des künftig musealen Erinnerungsstücks.
Gut eingefügt hätte sich das Requisit in die bis zum Sonntag laufenden Ausstellung im Stadtpalais unter dem Namen „Best of Stuttgart – Vom Atomanzug zum Zapata“. Die Ausstellung zeigt eine Auswahl an Exponaten, die seit 2007 dem damals neu gegründeten Stadtpalais geschenkt oder von diesem angekauft wurden. In der Ausstellung findet sich auch ein Hinweis auf das „Event“ von 1979 als der ersten Veranstaltung an dem Ort, an dem ab Mitte der 80er-Jahre die Röhre mit meist lautstarken Konzerten in Stuttgart für Furore sorgte.
Wie aus einem Kunstprojekt die Kult-Location Röhre entstand
Das Stadtpalais zeigt dazu einige Bilder des Fotografen Uwe Seyl, der das damalige Tanztheater-„Event“ festgehalten hatte. Konzipiert hatte es die Stylistin und Kostümbildnerin Randi Bubat im Rahmen des Internationalen Kunstkongresses und im Auftrag des Choreographen William Forsythe. Der von ihr für das Ballett „entdeckte“ Veranstaltungsort in der nicht vollendeten Tunnelröhre, die im Zweiten Weltkrieg als Bunker diente, war damals für Stuttgarts Kunst- und Kulturszene genauso neu wie das Wort „Event“, mit dem die Inszenierung betitelt war.
So sah es früher in der Röhre aus. Foto: Rudel
„Ich habe mich beim Besuch der Ausstellung auf den Bildern im Hintergrund wiedererkannt,“ erzählt der Ruheständler Hohl, damals junger Inspektor bei der Stuttgarter Berufsfeuerwehr, später Stadtbrandoberamtsrat und Leiter der Feuerwache 3 in Bad-Cannstatt. Hohl, der bei seinem Ausstellungsbesuch sofort an die Haube dachte, hielt an den Aufführungsabenden vor Ort Wache und erlebte deshalb das Spektakel hautnah mit. Die Feuerwehr hatte zuvor die Tunnelröhre für die drei Abende sporadisch feuerwehrtechnisch gesichert.
Der gesamte Bereich vor dem Club wurde von der Bahn als Baustelleneinrichtungsfläche benötigt. Foto: Achim Zweygarth
Die Kinder, in weiße Gewänder gekleidet und mit den lustigen Hauben behütet, stellten im Rahmen der gezeigten Tanzinszenierung die „Rattenkinder“ dar, erzählt Hohl. Ihm wurde damals berichtet, dass jede einzelne Haube rund 200 Mark gekostet haben soll. Nach der letzten Aufführung habe er eine der Hauben als Erinnerungsstück retten können.
Vom Feuerwehrmann zum Erinnerungsstifter
„Ich habe sie mehr als 40 Jahre aufbewahrt und immer mit umgezogen“ erzählt der heute 78-Jährige. Nach der Ballett-Inszenierung sei dann erst einmal wieder für einige Jahre Schluss gewesen mit Kunst im Tunnel. Erst 1985 wurde die Nordröhre des Wagenburgtunnels dann „offizielle Versammlungsstätte“, wie Hohl berichtet. Geebnet durch das „Event“ von 1979, konnte nun die Geschichte der „Röhre“ in der Tunnelröhre beginnen. Der Gaze-Hut, der an die Anfänge von Stuttgarts vielleicht legendärster Veranstaltungs-Location erinnert, ist ab jetzt für die Zukunft sicher im Stadtpalais verwahrt.