Dieser Prozess machte über Österreich hinaus Schlagzeilen: Zehn Angeklagte sollen eine damals Zwölfjährige über Wochen sexuell missbraucht haben. Überraschend endete der Prozess gegen die jungen Männer mit Freisprüchen. Der Anwalt des Opfers ist empört.

Im Prozess um den mutmaßlichen sexuellen Missbrauch eines Mädchens in Wien sind alle zehn Angeklagten freigesprochen worden. Den Verdächtigen im Alter von 16 bis 21 Jahren waren sexuelle Handlungen mit einem damals 12-jährigen Mädchen gegen dessen Willen vorgeworfen worden.

Angeklagt waren Syrer, Nordmazedonier, Türken und Bulgaren im Alter von 16 bis 21 Jahren. Sie sollen sich im Jahr 2023 über Monate an der Zwölfjährigen aus dem Wiener Problembezirk Favoriten vergangen haben – unter anderem in einem Hotelzimmer, in Treppenhäusern und in einer Wohnung.

Zwei der Angeklagten standen wegen des Verdachts der geschlechtlichen Nötigung vor Gericht. Dabei ging es um sexuelle Handlungen, die mutmaßlich mit Gewalt erzwungen wurden. Der Rest war wegen Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung angeklagt. Dabei stand ungewollter Geschlechtsverkehr im Raum, jedoch ohne den Aspekt von Gewalt oder Bedrohung.

Mädchen traf Angeklagte teils wöchentlich zum Sex

Nach Angaben der Staatsanwältin hatte das Mädchen einen der Angeklagten über eine Freundin kennengelernt. Bereits beim ersten Treffen sei es zu Sex gekommen, nachdem der Jugendliche die Zwölfjährige unter Druck gesetzt habe. Danach habe sie die anderen Angeklagten kennengelernt und mit ihnen in teils wöchentlichen Treffen sexuellen Kontakt gehabt. Das Mädchen sei unter anderem mit Gewaltvideos eingeschüchtert worden, hieß es.

Das aber sah Richter Daniel Schmitzberger nicht als erwiesen an. „Eine Einschüchterung hat sich in der Polizeivernehmung der Geschädigten nicht gefunden. Das Mädchen hat nie von einer Gruppenvergewaltigung gesprochen. Sie hat gesagt, dass sie nie bedroht oder geschlagen worden ist“, erklärte er in seiner Begründung.

Wie das Wiener Landgericht mitteilte, seien im Prozess Widersprüche zwischen den Aussagen des Mädchens gegenüber der Polizei und gegenüber dem Gericht aufgetaucht. Ausgewertete Chatverläufe und die Aussagen einer Freundin des mittlerweile 15-jährigen Mädchens hätten diesen Eindruck verstärkt, hieß es. Die Freundin berichtete vor Gericht, dass ihr das Mädchen zwar von sexuellen Handlungen erzählt habe, aber weder von Gewalt noch von Vorfällen gegen seinen Willen.

Der Anwalt des Opfers ist empört. „Dieser Freispruch ist verheerend und entwürdigt das Opfer noch mehr“, sagte Sascha Flatz der „Bild“ am Freitag. „Wenn sie zu den Treffen ging, heißt das doch nicht, dass sie sich von einer Vielzahl von Typen vergewaltigen lassen wollte. Sie ist aus Angst und Naivität da hingegangen. Kein Kind mit 12 Jahren hat freiwillig Sex in einem Zimmer, wo zahlreiche Leute zusehen. Das sagt der gesunde Menschenverstand.“

Der Prozess fand weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Staatsanwaltschaft verzichtete auf Anklage wegen Missbrauchs einer Unmündigen

Die Staatsanwaltschaft hatte auf eine Anklage wegen Missbrauchs einer Unmündigen verzichtet. Es sei nicht ausreichend nachweisbar, dass den Angeklagten bewusst gewesen sei, wie jung das Mädchen war, das äußerlich älter als zwölf wirkte, argumentierte die Staatsanwältin.

In einem anderen Verfahren war das jedoch möglich: Wie der ORF berichtet, wurde ein Ex-Freund des Opfers, der von September 2023 bis Februar 2024 mit dem Mädchen zusammen war, wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen zu 15 Monaten bedingter Haft verurteilt. Der Sex zwischen den beiden war einvernehmlich, doch dem damals 16-Jährigen soll der Altersunterschied zu der damals 13-Jährigen bewusst gewesen sein.

dpa/sebe