Ein Darsteller in Michael Jachson-Optik steht auf der Bühne

Stand: 27.09.2025 15:05 Uhr

Die Musical-Szene ist aus Hamburg nicht mehr wegzudenken. International gilt die Hansestadt nach New York und London als Musical-Hochburg. Einer der wichtigsten Anbieter ist Stage Entertainment. Ein Gespräch über die Magie und Möglichkeiten.

Hamburgs größter Anbieter für das Musiktheater Stage Entertainment feiert in diesem Jahr sein 25-jähriges Jubiläum. Unternehmenssprecher Stephan Jaekel berichtet über aktuelle Trends und Entwicklungen.

Herr Jaekel, welches Thema beschäftigt Ihre Branche aktuell am meisten?

Stephan Jaekel: Das Schönste ist aktuell, dass nach den fast zwei Jahren Aufführungsverbot, die wir durch die Corona-Pandemie hatten, die Menschen wieder in Fülle zurück ins Theater kommen. Offensichtlich ist das Erleben von Live-Veranstaltungen etwas, das ganz sehnsuchtsstark genutzt wird – das ist erstmal toll.

Stage Entertainment feiert in diesem Jahr 25-jähriges Jubiläum. Was haben Sie in Hamburg erreicht?

Stephan Jeakel lächelt in die Kamera

Stephan Jeakel ist Leiter der Kommunikation und Pressesprecher der Stage Entertainment Deutschland.

Jaekel: Als Stage Entertainment im Jahr 2000 nach Hamburg kam, gab es bereits eine Musical-Szene in Hamburg. Die Älteren werden sich noch erinnern, seinerzeit hatte die Firma Stella das Herbringen des Musicals „Cats“ initiiert. Das war ein Überraschungserfolg. Die hiesige Kulturszene fand das alles sehr absurd: Acht Mal die Woche das gleiche Stück – was soll das denn? Die Theater- und Opernszene hat das zunächst sehr hochnäsig beobachtet. Doch die Menschen kamen in Scharen – auch viele, die einen Konzert- oder Opernbesuch noch nicht für sich entdeckt hatten.

Dieser enorme Erfolg war der Anlass dafür mit „Das Phantom der Oper“ noch ein weiteres Musical nach Hamburg zu holen, für das unter Protesten auch ein eigenes Theater gebaut wurde – die Neue Flora. Dadurch hatte sich ein Stück weit auch ein bestimmter Stil – nämlich Musicals von Andrew Lloyd Webber etabliert. Sie gehören zurecht zu den populärsten Stücken innerhalb des Genres, aber die Musicalwelt bietet eben noch viel mehr.

Seit Stage dann mit „Der König der Löwen“ und „Mamma Mia“ dazu kam, mussten wir immer ein bisschen gegen dieses Bild ankämpfen, Musicals gleich Stilistik und Sprache von Andrew Lloyd Weber, was sehr stark in den Köpfen der Menschen verhaftet war. Wir haben immer wieder versucht und machen das noch heute, so unterschiedliche Stücke wie möglich nach Hamburg zu holen.

Ein Teil des Ensembles des Musicals "König der Löwen" in Hamburg

Mehr als als 15 Millionen Fans haben das Musical an der Elbe gesehen. Seit dem 2. Dezember 2001 läuft es in der Hansestadt.

Wie ist Hamburg dann zur Musical-Stadt geworden?

Jaekel: Das ist auch der positiven Wechselwirkung von der schönen Stadt Hamburg und den vielen Angeboten an Musicals – auch jenseits von Stage Entertainment, im Schmidt Tivoli, im Sankt Pauli Theater, im Ernst-Deutsch-Theater oder im Mehr-Theater – zu verdanken. Viele Menschen kommen wegen der Musicals, aber bleiben dann eben auch noch zwei Tage in Hamburg. Sodass wir 2014 ja sogar noch ein Theater, das Theater an der Elbe, eröffnen konnten. Wir konnten feststellen, dass seither im Jahr etwa 500.000 Menschen mehr nach Hamburg kommen. Ein wichtiger Meilenstein ist auch die Eröffnung der Elbphilharmonie, die Bedeutung von Hamburg als Standort für Livemusik ist dadurch gewachsen. Wir profitieren von diesem Angebot – das befruchtet sich alles gegenseitig.

Viele Tänzerinnen und Tänzer tanzen um eine rothaarige Frau.

Der Film „Fame“ war in den 80er-Jahren ein Blockbuster. Nun hat die Neuinszenierung der Musical-Fassung in Altona Premiere gefeiert.

Welche Stücke und Themen begeistern die Menschen aktuell denn besonders?

Jaekel: Große Blockbuster-Versprechen sind oft die Disney-Musicals, wie „König der Löwen“, „Tarzan“, „Aladdin“, „Die Eiskönigin“ – das erklärt sich dadurch, dass die Titel schon durch die große Maschinerie der Firma Disney „vorvermarktet“ sind. Daneben setzen wir sehr gerne Stücke, die vom Titel vielleicht noch nicht so bekannt sind oder auch etwas wagemutig sind. Dazu zählen auch unsere Eigenproduktionen wie „Das Wunder von Bern“, oder „Ich war noch niemals in New York“. Wir setzen Stücke wie „Kinky Boots“, mit den wunderschönen Kompositionen von Cindy Lauper. Mit „Hamilton“ haben wir in der internationalen Reputation dazugewonnen – wir hatten sechs Seiten in der New York Times.

Cyndi Lauper steht mit hellblauen Haaren und einem Mikro auf der Bühne

Die Pop-Ikone hat in Los Angeles ihr letztes Konzert gespielt. Auch in Hamburg hat sie mit dem Musical „Kinky Boots“ Spuren hinterlassen.

Es war bemerkenswert zu sehen, dass der Broadway darauf schaut, dass ein europäisches Unternehmen einen so amerikanischen Stoff – noch dazu mit Rap und Hip-Hop – in einer Weise überträgt, dass es ganz organisch wirkt – also eine Meisterleistung von Kevin Schroeder und Sera Finale. In dieser Vielfalt schaffen wir es, unser Bestandspublikum neugierig zu halten und neues Publikum neugierig zu machen. Das ist für uns als Unternehmen sehr wichtig, wir werden nicht subventioniert. Wir müssen alles, was wir neu erschaffen, mit den Ticketerlösen ausgleichen können – wir brauchen also unser Publikum dauerhaft.

Das Musical über Michael Jackson lockt auch in hohem Maße Menschen an, die „Ersttäter” sind, also zuvor noch nie in einem Musical waren. Und viele melden uns zurück, dass sie überrascht waren, was man mit den Stilmitteln des Theaters über die tolle Musik hinaus erreichen kann. Mit dem Choreographen Christopher Wheeldon konnten wir einen der weltbesten Ballett-Schöpfer für die treibende Tanz-Choreographie gewinnen. Also mittlerweile umarmen auch Menschen aus anderen Theatergattungen das Musical – John Neumeier ist gekommen und hat sich das angeschaut. Der Respekt und die Neugierde ist gewachsen. Trotzdem müssen wir natürlich auch in Kauf nehmen, dass nicht jedes Stück gleich gut ankommt.

Willemijn Verkaik posiert für das Foto

Der Weltstar des Musicals hat vielen Rollen seine einmalige Stimme geliehen. Nun hat die Wahl-Hamburgerin runden Geburtstag gefeiert.

Jetzt bieten Sie auch erstmals eine Relaxed Performance an. Was steckt dahinter?

Jaekel: Da haben wir auf die subventionierten Theater geschaut, die das teilweise schon anbieten. Es gibt gar nicht so wenige Menschen, die in irgendeiner Weise neurodivergent sind: Sie haben zum Beispiel Klaustrophobie, ADHS, Autismus oder andere Einschränkungen des Alltaglebens. Für sie ist ein dreistündiger Vorstellungsbesuch zu viel. Diesen Menschen kann man mit wenigen Mitteln – also zum Beispiel weniger Licht und Sound – als mit angepasster Umgebung im Saal und im Foyer, einen Theaterbesuch deutlich angenehmer machen. Ich hoffe sehr, dass es uns gelingen wird, eine für alle angenehme Atmosphäre zu schaffen. Ich freue mich sehr, wenn Menschen dann sagen, dass sie sonst nie ins Theater gegangen wären. Es haben sich auch viele Freiwillige aus dem Stage-Team gemeldet, um mitzuhelfen – zum Beispiel als Gesprächspartner vor Ort!

EarCatch-App auf dem Handy

Einige Menschen haben in Deutschland eine körperliche oder geistige Beeinträchtigung. Für sie gibt es jetzt im Musical-Theater besondere Angebote.

Stage Entertainment setzt auf sehr viele aktuelle Themen: Starke Frauenrollen, bei „& Julia“ gibt es einen queeren Charakter, bei „Hamilton“ haben Schwarze Darsteller die Geschichte der weißen Gründungsväter der USA erzählt – und das Publikum feiert es. Fordert das Publikum das oder preschen Sie da vor?

Jaekel: Es ist ein Mischweg. Wir sind als privates Kulturunternehmen nicht mit einem staatlichen Auftrag versehen. Wir tasten uns gemeinsam mit dem Publikum ran: Was sind das für Themenfelder, die an eure Herzen gehen? An unserem Standort Berlin kam zum Beispiel das Stück „Hinterm Horizont“ mit den Songs von Udo Lindenberg besonders gut an, weil wir bewusst Menschen aus den sogenannten neuen Bundesländern gefragt haben, welche Sehnsuchtssongs sie mit Lindenberg verbinden. Sie haben eher die freiheitsbetonenden Songs gefeiert, während die westdeutschen Besucherinnen und Besucher eher die Partysongs wie „Reeperbahn” gut fanden. Wir haben viele Menschen aus den Ost-Bundesländern für dieses Stück begeistern können, weil sie sich mit der gewählten Perspektive – nämlich einer durchschnittlichen Ostberliner Familie – gut identifizieren konnten.

Chiara Fuhrmann vor einem Schriftzug des Musicals "& Juliet"

Unromantisch, dafür selbstbewusst und selbstbestimmt, entscheidet sich Julia gegen den Liebestod. Die Hauptrolle singt die gebürtige Osnabrückerin Chiara Fuhrmann.

Da muss man nicht Theaterwissenschaft studiert haben, um zu merken: Wo wir an den Herzen der Menschen andocken können, das resoniert klasse. Bei „& Julia“ gibt es den Mut, eine non-binäre Geschichte auf der Bühne zu erzählen – das ist geschickt gemacht. Das ist nicht so „into your face“ – ihr müsst das jetzt gut finden, sondern es wird wie selbstverständlich miterzählt. Ich denke, wir sind gut beraten, solche aktuellen Themen in nahbaren Schritten anzugehen und nicht immer dem nachzueifern: Was ist jetzt der nächste Megatrend? Ein Anti-Trump-Musical zum Beispiel. Trotzdem darf es natürlich Andeutungen auf die gesamtpolitische Lage geben – ohne erhobenen Zeigefinger.

Schaut man in die Welt, dann sieht man allerdings, dass es in England oder den USA noch mehr Musicals mit Stoffen gibt, die viel abwegiger zu sein scheinen. Zum Beispiel über bipolare Persönlichkeiten, Mobbing oder das Stranden eines Flugzeugs am 11. September in Neufundland. Also bei der Themenvielfalt hängen wir durchaus in Europa noch ein bisschen hinterher.

Das Gespräch führte Anina Pommerenke.

Frau mit roten Haaren läuft an einer Häuserreihe entlang

Der Track erscheint in drei Versionen: als Original, als Ballade („Schlaflos in Berlin“) und als Remix des Elektropop-Duos 2raumwohnung.

Darsteller sitzt auf Bühnenrand bei dem Musical Moulin Rouge

Die Bandbreite der Musical-Produktionen ist groß – von spannend bis eher klassisch. Ein Rundumblick durch das Genre.

Ein Mann und eine Frau der Impro-Musical-Gruppe Opena And auf einer blauen Bühne

Perfektion ist für die Musicalgruppe Open And ein Fremdwort. Hier ist alles spontan und ein bisschen irre – vor allem aber ein großer Spaß.

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