Der amerikanische Buchtitel erhält in der deutschen Ausgabe eine Ergänzung: „Ours – Die Stadt“ von Phillip B. Williams. Im kurzen Original liegt der Ausdruck einer Besitzergreifung. „Ours“ bedeutet „das gehört uns“ und wurde von den Bewohnern einer außergewöhnlichen Stadt als deren Name gewählt. Lange Zeit hatte diesen Menschen überhaupt nichts gehört, nicht einmal ihre eigene Geschichte. Denn als schwarze Plantagen-Sklaven waren sie mit Haut und Haaren Eigentum ihrer weißen Besitzer.
Der 1986 in Chicago geborene Schriftsteller Phillip B. Williams hat gerade eine sechsmonatige Gastprofessur in Leipzig beendet und konnte deshalb sein 700-Seiten-Werk bei den Düsseldorfer Literaturtagen vorstellen. Das Gespräch in der Zentralbibliothek moderierte Emily Grunert, die Leiterin des Literaturbüros NRW. Für die Übersetzung vor Ort sorgte Alexander Konrad.
Die von Williams imaginierte Stadt lag Mitte des 19. Jahrhunderts in Missouri, etliche Jahre bevor der amerikanische Bürgerkrieg die Sklaverei beendete. Der Autor stellte von Beginn an klar, dass ein solches Gemeinwesen damals nie hätte existieren können. Mit dichterischer Wortgewalt folgt Williams, der bisher vor allem als Lyriker bekannt war, den durch eine Art kultische Priesterin namens Saint befreiten Menschen. Ob es sich bei dem Roman um eine Form des magischen Realismus handele, wollte die Moderatorin wissen. Der Autor bevorzugt jedoch einen anderen Begriff: Schwarzer Surrealismus sei der literarische Motor für das über 40-stimmige Figurenensemble. Dennoch spiele Magie eine beherrschende Rolle.
Mehrere Jahre hat Williams in immer neuen Versionen am Klang dieses Romans gearbeitet, den ein Rezensent so beschrieb: „Es ist ein Lärmen und Wispern und Singen und Trommeln, ein Duften und Stinken, ein Aufblitzen und Verschatten, eine Fülle von Erscheinungen und Träumen und Verwandlungen, überhaupt ein Zauber, wie man es selten liest.“ Beim überaus lebendigen Gespräch war man sich einig, dass hier eine bewusste Unbestimmtheit herrscht – ein Wesenszug von „Ours“. Denn dort gibt es keinen Bürgermeister, keine Polizei und keine anderen Ordnungselemente. Ankerpunkt der Handlung ist laut Williams die Figur der Saint und ein nicht deutlich konturierter Begleiter. Saint hat ihre Stadt durch einen Zauber für Uneingeweihte unsichtbar gemacht. Anfangs stirbt sogar, wer dem Ort zu nahekommt. Dafür sind die Tore für die Geister und Seelen der Verstorbenen weit geöffnet.
Für Emily Grunert ist besonders auffällig, dass sich in dem Roman keine einzige explizite Gewaltdarstellung findet – obwohl doch alle Bewohner ihre furchtbaren Traumata aus der Sklavenzeit mit sich tragen. Hierüber „in Schönheit zu schreiben“, das sei die besondere Leistung von Phillip B. Williams.