Es hat nicht allzu lange gedauert, bis die Szene ihr neuestes Opfer der Begierde ausgemacht hat. Auf den gewaltigen Pfeilern der neuen Isarbrücke am Föhringer Ring haben Sprayer erste Graffiti aufgesprüht – bevor die neue Herzog-Heinrich-Brücke, benannt nach Münchens Gründer Heinrich dem Löwen, überhaupt für den Verkehr freigegeben wird. Denn noch rollen die täglich weit mehr als 45 000 Fahrzeuge über die aus den Sechzigerjahren stammende originale Herzog-Heinrich-Brücke. Auf zwei Spuren bei Tempo 40. Doch das soll sich in den kommenden Jahren ändern.
Denn dem Föhringer Ring, eine der meistbefahrenen Straßen im Raum München, wird künftig eine noch wichtigere Rolle zukommen. In zehn Jahren werden den Ring, der auf Münchner Stadtgebiet und im Landkreis München liegt, Prognosen zufolge mehr als 65 000 Autos und Lastwagen am Tag befahren. Dann allerdings auf vier Fahrspuren. Ende dieses Jahrzehnts soll die Erweiterung des etwa 1,9 Kilometer langen Abschnitts des nie wirklich finalisierten Äußeren Rings abgeschlossen sein.
Und nicht wenige fragen sich, warum der Ausbau so lange dauert – respektive: wieso er nicht längst abgeschlossen ist, wurde doch bereits im Jahr 2004 ein erster Planfeststellungsbeschluss für den Ausbau der Staatsstraße 2088 durch die Regierung von Oberbayern erlassen. Baurecht besteht also seit mehr als 20 Jahren.
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Nadine Heiß und Timo Pfister überschreiten an diesem sonnigen Herbstnachmittag das zentrale Bauwerk des Föhringer Rings, für das sie Verantwortung tragen: die neue Isarbrücke mit einer Spannweite von 165 Metern, die Ende vergangenen Jahres fertiggestellt worden ist. Heiß ist Bereichsleiterin Straßenbau beim Staatlichen Bauamt Freising, das für den vierspurigen Ausbau verantwortlich ist, Pfister plant das Projekt als Abteilungsleiter. Beide wissen, dass der Föhringer Ring ein Politikum und für viele Pendler, Handwerker, Spediteure ein Ärgernis ist. Denn der Föhringer Ring, sagt Pfister, sei zum einen eine „hochbelastete Straße“, zum anderen eine enorm wichtige Verbindung innerhalb des Ballungsraums. „Von der A9 zur Münchner Messe, aber auch als Rettungsweg für die Feuerwehr zur Allianz-Arena“, sagt er. „Der Ring ist ganz klar kritische Infrastruktur.“
Nadine Heiß und Timo Pfister vom Staatlichen Bauamt Freising verantworten des vierspurigen Ausbau des Föhringer Rings. (Foto: Florian Peljak)
Sprayer haben die neue Isarbrücke längst entdeckt. (Foto: Florian Peljak)
„Wir hatten ja schon einmal Baurecht nach dem ersten Planfeststellungsbeschluss“, sagt seine Kollegin Heiß über die ersten Pläne für die Erweiterung Anfang der Nullerjahre. Dies sei eine Zeit gewesen, so die Expertin für Straßenbau, in der noch „etwas hemdsärmliger“ geplant worden sei. „Früher ging es einfacher, aber es wurden dabei auch nicht alle Belange berücksichtigt wie heutzutage“, sagt Heiß.
Dass im Jahr 2004 aber nicht sofort mit dem Ausbau des Föhringer Rings begonnen wurde, hatte zunächst einen anderen Grund, der immer wieder Großprojekte ausbremst oder verzögert. Es fehlte schlichtweg das Geld. „Damals musste die Stadt München priorisieren und hat erst einmal den Bau des Richard-Strauss-Tunnels vorgezogen“, sagt Pfister.
Mit diesen Verzögerungen begannen sich aber die Anforderungen an die Planungen von Infrastrukturprojekten zu verändern, politische Vorgaben änderten sich – und die Erweiterung des Föhringer Rings musste immer wieder überarbeitet werden. Genau genommen gingen sie von vorn los. In der sogenannten Planfeststellung spielt dabei ein Wort eine entscheidende Rolle: die Tektur. Also die Änderung in Planungen.
Bei der Staatsstraße 2088 gab es drei solcher Tekturen, die das Projekt noch einmal nach hinten schoben. Mit der ersten wurde der Lärmschutz entlang des Föhringer Rings mit aufgenommen. Die zweite behandelte insbesondere naturschutzrechtliche Vorgaben – etwa den Schutz von Fledermäusen mit sogenannten Kollisionswänden. Die dritte beinhaltete unter anderem ein Konzept für Baustraßen im angrenzenden Englischen Garten.
„Wir befinden uns hier mit der Isar und dem E-Garten in einem wahnsinnig sensiblen Bereich“, sagt Heiß. „Und seit 2004 hat sich gerade beim Naturschutz sehr viel getan.“ Zudem hätten andere Belange rund um den Föhringer Ring beachtet werden müssen: Der Energieversorger Uniper betreibt am Mittleren Isarkanal ein Wasserkraftwerk, unter dem Ring verlaufen Telekommunikationsleitungen zu den Medienkonzernen Sky und RTL nach Unterföhring – und auch die Interessen der Betreiber des Wirtshauses Aumeister hätten berücksichtigt werden müssen. „Wenn wir die Zufahrt komplett gesperrt hätten, hätte dies wahrscheinlich große Einbußen beim Umsatz bedeutet“, sagt Pfister.
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Von diesem Oktober an sollen nun westlich der alten und neuen Isarbrücke die ersten Rodungsarbeiten beginnen, die für die Erweiterung auf vier Fahrspuren notwendig sind. Dies seien sensible Eingriffe in die Natur, die so gering wie möglich gehalten werden sollen, so Heiß. Im Winter soll dann entlang der Fahrbahn eine Baustellenausfahrt betoniert werden, ehe voraussichtlich im Frühjahr der Verkehr auf die neue Herzog-Heinrich-Brücke umgelegt und die Arbeit an der westlichen Fahrbahn beginnen wird. Die Erweiterung der Fahrbahn östlich der Isar auf Unterföhringer Gemeindegebiet wird erst im Anschluss erfolgen, sodass mit einer Inbetriebnahme des vierspurigen Föhringer Rings 2029 oder 2030 zu rechnen sein dürfte, sagt Abteilungsleiterin Heiß. Kosten dürfte der Ausbau letztlich etwa 75 Millionen Euro, sowohl die Gemeinde Unterföhring als auch die Stadt München schießen jeweils fünf Millionen Euro zu.
Die alte Herzog-Heinrich-Brücke wird indes noch etwas durchhalten müssen, auch wenn auf ihr kein Verkehr mehr rollt. „In der Brücke sind wichtig Leitungen verlegt, die müssen erst auf die neue Brücke umgelegt werden“, erläutert Pfister. Das Ende ihrer Lebensdauer aber habe sie seit Langem erreicht, gleichwohl vor etwas mehr als 20 Jahren beim ersten Planfeststellungsbeschluss ein Neubau überhaupt nicht vorgesehen war. „Aber es ist jetzt wichtig, dass wir den Verkehr von der Brücke herunterbekommen“, sagt Heiß. Eigentlich, so die Expertin, seien Brückenbauwerke auf eine Lebenszeit von 70 bis 80 Jahre ausgelegt. „Aber der Verkehr hat im Großraum im Laufe der Zeit derart zugenommen, dass solche Vorhersagen nicht mehr einzuhalten waren“, sagt Heiß.
Die neue Brücke wurde für deutlich mehr Fahrzeuge gebaut, als gegenwärtig auf dem Föhringer Ring unterwegs sind. Dennoch, so Heiß, soll sie mindestens so lange halten wie die alte Herzog-Heinrich-Brücke und einen weiteren Zweck erfüllen: den Mittleren Ring entlasten.

