Spannungen und Kriege bestimmten über Jahrhunderte das Verhältnis der Deutschen zu Frankreich. Die Pfalz und Zweibrücken hatten als Grenzland in Kriegszeiten besonders zu leiden. Denn die französischen Herrscher waren seit jeher an der Pfalz als Eroberungsgebiet interessiert.
Schon 1673 überfiel „Sonnenkönig“ Ludwig XIV. die Pfalz. Französische Truppen wüteten auch in Zweibrücken und Umgebung, brannten die Stadt nieder und sprengten den Turm der Alexanderskirche. Ludwig XIV. besetzte von 1680 bis 1697 das Herzogtum Zweibrücken. Nach dem Frieden von Rijswijk und dem französischen Verzicht auf die Pfalz begann hier die segensreiche Schwedenzeit. In der Französischen Revolution wurde Zweibrücken von französischen Truppen besetzt, was das Ende des Herzogtums Zweibrücken bedeutete. Herzog Karl II. August flüchtete vom Karlsberg nach Mannheim; sein Schloss bei Homburg ging wie das Herzogtum in Flammen auf.
Am 1. Oktober 1837 wurde auf dem Zweibrücker Hauptfriedhof ein Gedenkstein für Napoleon Bonaparte errichtet.Foto: Maria Rimbrecht
Und dann kam Napoleon. Französische Truppen hatten 1798 das linksrheinische Gebiet besetzt; die Pfalz wurde französisches Staatsgebiet. Zweibrücken gehörte nun zum Département Donnersberg. Für die Pfalz, vor allem für das städtische Bürgertum, begann eine Zeit der zaghaften Mitbestimmung. Rechtsprechung und Verwaltung wurden getrennt; es gab Rede-, Vereins-, Gewerbe-, und Pressefreiheit. Napoleons Code civil wurde später Grundlage für das Bürgerliche Gesetzbuch in Deutschland. Im Freiheitskampf gegen Napoleon 1813/14 entstand unter deutschen Nationalisten der Begriff der Erbfeindschaft. Die Armeen der antifranzösischen Koalition, Deutsche und Russen, besetzten 1814 die Pfalz.
Spielball feindlicher Mächte
Zweibrücken gehörte nun zum Königreich Bayern. Das selbstbewusste Bürgertum wollte an den freiheitlichen Rechtsgrundlagen des Code civil festhalten; so entstand die liberale Bewegung mit Zweibrücken als Ausgangspunkt. Im Zuge der Industrialisierung wurde Zweibrücken Wirtschaftsstandort. Im Krieg mit Frankreich 1870/71 siegte Preußen. Der Anschluss Elsass-Lothringens an das Deutsche Reich 1871 löste Zweibrücken aus seiner Grenzlage und schuf neue Absatzmärkte. Aber der Erste Weltkrieg beendete den Aufschwung in Zweibrücken, das ab 1. Dezember 1918 erneut vom „Erbfeind“besetzt wurde. Die Franzosen blieben bis 1930. Die Nazis agitierten und nutzten die allgemeine antifranzösische Stimmung, und so hatte Zweibrücken mit Karl Ernst Collofong schon ab 1932 einen nationalsozialistischen Bürgermeister.
Nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs kapitulierte Frankreich am 22. Juni 1940 vor den Deutschen. Hass und Ressentiments blieben. So ist am 10. März 1941 im Zweibrücker Heimatbrief „Rund um den Exe“, herausgegeben von der NSDAP-Kreisleitung, vom Versailler Vertrag als „Teufelswerk“ zu lesen. Die Franzosen werden dort als „neiderfüllte Gegner“ bezeichnet; die Deutschen seien „die Besseren und Stärkeren“.
Neuer Name für Kaserne ist bezeichnend
Kurz vor der deutschen Kapitulation am 8. Mai 1945 wurde Zweibrücken beim Bombenangriff zum großen Teil zerstört. Am 20. März 1945 rückten US-Truppen in die Stadt ein. Aber schon am 10. Juli zogen sie auf Druck der Franzosen ab. Frankreich bestand auf einer eigenen Besatzungszone, zu der die Pfalz gehörte. Ende Juni 1945 übernahm die französische Garnison die Kreuzberg-Kaserne und benannte sie in „Caserne Turenne“ um – nach einem Heerführer, der 1674 die Pfalz erobert und verwüstet hatte. Der Start in die neue französische Besatzungszeit war für Zweibrücken nicht so einfach wie mit den Amerikanern.
Die Vorschriften und Reglementierungen wurden strenger, die Verwaltungsstruktur änderte sich. Aus der US-Stadtkommandantur wurde eine französische Kreisdelegation. Der Beirat der Stadt wurde zum Bürgerratskomitee; die Kreisdelegation wählte aus einer Liste von Bürgermeister Ignaz Roth Personen aus, die ihr für die demokratische Selbstverwaltung geeignet erschienen. Die Ernährungslage war katastrophal, die Ernte musste ohne Arbeitskräfte und Maschinen eingebracht werden, für die Wasser-, Elektrizitäts- und Gasversorgung musste gesorgt und Wohnungen gebaut werden. Das alles unter den kritischen Blicken der Franzosen, die bürokratischer als die Amerikaner waren. Die Franzosen, die unter Nazideutschland gelitten hatten und verarmt waren, waren den Bewohnern des besetzten Gebietes zunächst nicht gut gesonnen. Auch die Zweibrücker waren skeptisch. Wohnungen waren knapp; die Einheimischen konnten keinen Wohnraum abtreten. Zudem mussten für die Besatzer Kasernen und Sportplätze gebaut und Privathäuser für die Offiziere hergerichtet werden. 1946 hielten sich eine Million Franzosen in ihrer Besatzungszone auf – Militärs und deren Angehörige –, was die katastrophale Versorgungslage verschärfte.
Das französische Offizierskasino saß in der Villa Froelich.Foto: Maria Rimbrecht
Bei der Stadtverwaltung musste ein Übersetzungsbüro eingerichtet werden. Broschüren für die Soldaten warnten vor zu engen Kontakten mit der Bevölkerung. Doch dies war wenig erfolgreich, denn im Besatzungsgebiet wurden viele Ehen zwischen französischen Soldaten und deutschen Fräuleins geschlossen.
Das Verhältnis entspannt sich
Mit der Zeit entspannte sich das Verhältnis der Pfälzer und Zweibrücker zu den Franzosen. Der französische Militärgouverneur Brozen-Favereau versprach Oberbürgermeister Ignaz Roth im November 1947 Hilfe beim Bau von Häusern und Schulen. Schon am 30. August 1946 war das Land Rheinland-Pfalz gegründet worden, was, wie es heißt, eine überwiegend französische Entscheidung war.
Ab Herbst 1950 suchten amerikanisch-französische Militärkommissionen in Rheinland-Pfalz nach Standorten für den Bau von düsenjägertauglichen Flugplätzen. Einer von sieben ausgesuchten Standorten war Zweibrücken – auf dem Schmalscheid, der als großer Exerzierplatz bekannt war. 1951 begannen französische Militäringenieure und deutsche Baufirmen mit dem Bau eines Militärflughafens. Auf dem Gelände befanden sich damals noch viele Reste des Westwalls, der ab 1938 zur Abwehr der Franzosen gebaut worden war. Jetzt sprengten die Franzosen die Bunker und verfüllten die Schützen- und Panzergräben. Doch dann übernahmen nicht sie den Fliegerhorst, sondern übergaben ihn 1953 an die Kanadier, die Royal Canadian Air Force, mit dem 3. Jagdgeschwader.
Weiße Kaserne wird Notunterkunft
Als die Amerikaner 1951 in die Pfalz und nach Zweibrücken zurückkehrten, mussten sie mit der Besatzungsmacht Frankreich um Gelände verhandeln. Die Weiße Kaserne in der Mosebach- und 22er Straße wurde bis 1951 vom französischen Militär und der Stadt gemeinsam als Notunterkunft für Flüchtlinge genutzt. Danach nutzten die Franzosen die Kaserne bis zu ihrem Abzug 1977 als Caserne Berthézène.
1953 wechselten die Franzosen aus der Kreuzberg-Kaserne, die die Amerikaner übernahmen, in die Niederauerbach-Kaserne. Wie sich der Zweibrücker Heinz Burkhardt erinnert, wurden für die Militärangehörigen Wohnblocks an der Rennwiese – im sogenannten „Franzosenviertel“ oder Cité Provence – und in der Trautmannstraße gebaut. Die französischen Offiziere hatten ihr eigenes Kasino in der Zeilbäumerstraße. Einen zweifelhaften Ruf hatte das Offizierskasino in der Jakob-Leser-Straße, die ehemalige Villa Froelich. Diese ist heute Teil des Wichernhauses.
Begrüßungsbanner bei der Pfingstbegegnung 2019.Foto: Maria Rimbrecht
Bald näherte man sich einander an. Mit der Zeit entstanden viele Freundschaften zwischen Zweibrückern und Franzosen. Seit der Europa-Erklärung von Jean Monnet und Robert Schuman am 9. Mai 1950 sind die Bundesrepublik und Frankreich Motor der Integration. 1953 wurde in Speyer der Grundstein für die deutsch-französische Friedenskirche St. Bernhard gelegt. Am 24. September 1959 wurde in Zweibrücken und am 24. Juni 1960 in Boulogne die Partnerschaft beider Städte besiegelt. Das deutsch-französischen Verhältnis trat in eine neue hoffnungsvolle Phase.
Zweibrücken bedauert den Abzug der Franzosen
Hans Ammerich schildert in der Schrift „Zweibrücken. Die alte Herzogstadt in Geschichte und Gegenwart“, wie sehr die Zweibrücker den Abzug der Franzosen 1977 bedauerten. „Ihr disziplinarisches Verhalten, ihre offene, ehrliche Art und ihre Zuverlässigkeit“ waren geschätzt.
Heute, nach dem Wegfall der Grenzen, sind die Beziehungen und Verflechtungen eng wie noch nie: Deutsche wohnen im nahen Frankreich oder machen dort Urlaub, Franzosen arbeiten in Zweibrücken und Umgebung. Zuletzt wurde der Zweibrücker „Saarländer-Franzosen-Tag“ am 15. August um einen Tag verlängert. Die Aussöhnung zwischen Frankreich und Deutschland war die Voraussetzung für ein geeintes Europa. Diese Freundschaft muss gepflegt werden.