Wohl ein letztes Mal wurde die Kindertagesstätte Nordstraße am 24. September Thema im Stadtrat. Da kam die Petition des Elternbeirats der Kita zum Aufruf, die die sofortige Aufhebung der Schließungsentscheidung zum Inhalt hatte. Im Juni hatte die Stadt nach einem ziemlich deutlichen Gutachten der DEKRA die sofortige Schließung der Kindertagesstätte angeordnet. Bis Juli wurden die Kinder auf andere Einrichtungen verteilt. Nur eine nicht ganz unwichtige Frage beschäftigte den Petitionsausschuss, für den am 24. September dessen Vorsitzende Beate Ehms noch einmal ans Pult trat.

Die Eltern der Kinder aus der Kita Nordstraße hatten sehr wohl mitbekommen, dass Leipzigs Haushalt in schweres Fahrwasser geraten ist. Längst war bekannt, dass die Verwaltungsspitze händeringend nach Einsparungen im Umfang von 100 Millionen Euro suchte, um den im März beschlossenen Doppelhaushalt bei der Landesdirektion Sachsen genehmigt zu bekommen. 

Und in ihrer Petition äußerten die Eltern auch die Befürchtung, dass noch weitere Kindertagesstätten allein aus Sparzwängen in nächster Zeit geschlossen werden. Es gibt tatsächlich solche Schließungen. Doch sie stehen mit einer anderen unerwarteten Entwicklung in Zusammenhang: dem drastischen Geburtenrückgang in Leipzig. In der Nordstraße war es etwas anders. Hier sorgte vor allem die veraltete Elektrik dafür, dass die Stadt aus Sicherheitsgründen schnell reagieren musste.

„Am 10. Juni 2025 wurden wir Eltern völlig überraschend informiert, dass die Kita Nordstraße bereits zum 8. August 2025 geschlossen werden soll – mit nur acht Wochen Vorlaufzeit. Grundlage dieser Entscheidung ist ein Prüfgutachten aus dem Mai 2025, das Mängel an der Elektroanlage festgestellt haben soll. Die Stadt möchte diese aus finanziellen Gründen nicht beheben.

Eine Einsicht in die Unterlagen wurde uns bisher nicht gewährt. Laut Aussage der DEKRA kann das Gutachten nicht die alleinige Grundlage für die Schließung sein. Für die Kinder hat das gravierende Auswirkungen: 135 Kinder sollen nun kurzfristig auf fünf verschiedene Einrichtungen im Stadtgebiet verteilt werden. Ein gemeinsamer Umzug in ein Interimsobjekt im Sozialraum sei laut Stadt aufgrund der Kurzfristigkeit nicht möglich.

Die Interimskita der Stadt in der Reichelstraße wurde an einen freien Träger vergeben, dessen Sanierung frühestens Ende 2026 beginnt. Ein übergangsmäßiger Umzug in dieses Gebäude würde der Stadt und auch den Familien ausreichend Zeit einräumen, echte Alternativen zu finden“, hatten die Eltern in ihrer Petition geschrieben.

Und sie merkten auch an, dass die Eile zum Schluss so eigentlich nicht erklärlich war. Denn: „Die Stadt Leipzig wusste über die Mängel bereits Ende 2024 Bescheid. Warum sich die Stadt zu diesem Zeitpunkt keinerlei Gedanken darüber gemacht hat, was im Falle der Bestätigung der Mängel mit der Kita geschehen soll, kann seitens der Stadt nicht beantwortet werden.

Statt vorschneller Maßnahmen mit erheblichen Nachteilen fordern wir eine transparente und sachlich fundierte Bewertung und das Prüfen aller alternativen Möglichkeiten – im Sinne der Kinder, Familien und Beschäftigten. Ein solcher Umgang mit Kindern, Eltern und auch den Pädagogen kann nicht geduldet werden.“

Warum wurde nicht schon im Herbst 2024 reagiert?

Die Frage bewegte dann auch den Petitionsausschuss, der zwar der Argumentation des Amtes für Jugend und Familie folgte, aber genauso darüber rätselte, warum da nicht schon im Herbst 2024 gehandelt wurde. Oder gar noch früher.

Denn – so Beate Ehms – erste Hinweise darauf, dass die Bedingungen in der Kita problematisch sein könnten, habe es schon 2019 gegeben. Im Herbst 2024 bestätigte sich dann bei einer städtischen Begehung, dass die Stadt würde handeln müssen. Aber sie beauftragte erst einmal noch ein Gutachten bei der DEKRA, das dann aber erst im Mai 2025 vorlag. Und genau das war die Nachfrage von Beate Ehms: Warum kam das Gutachten erst so spät, wenn man im Herbst schon wusste, dass man würde handeln müssen?

Aber die Frage konnte Jugendbürgermeisterin Vicki Felthaus in der Ratsversammlung am 24. September nicht genauer beantworten. Wurde das Gutachten zu spät beauftragt? Hat es die DEKRA zu spät abgearbeitet?

Am eigentlichen Kern des Ganzen änderte sich trotzdem nichts. Die Stadt hat aktuell nicht das Geld, um in solchen Fällen schnell zu handeln und beispielsweise die komplette Elektrik aus dem vergangenen Jahrhundert auszuwechseln.

Betreiber zur sofortigen Reaktion verpflichtet

Die Schließung war aus Sicht der Verwaltung unumgänglich: „Im Rahmen einer Prüfung durch einen externen Sachverständigen der DEKRA wurde am 5. Mai 2025 ein gravierender Mangel an der elektrischen Anlage festgestellt. Insbesondere fehlt ein durchgängiger Fehlerstromschutz (RCD). Der Sachverständige kam zu dem Schluss, dass ein Weiterbetrieb der Anlage nicht sicher sei. Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV Vorschrift 3) verpflichtet Betreiber in solchen Fällen zur sofortigen Reaktion – unabhängig davon, ob es bereits zu einem Schaden gekommen ist“, zitiert der Petitionsausschuss die Stellungnahme des Amtes für Juhgend und Familie.

„Eine Fortsetzung des Betriebs hätte bedeutet, dass Stadt Leipzig als Betreiberin der Einrichtung wissentlich ein Risiko für Leib und Leben der betreuten Kinder und Beschäftigten in Kauf genommen hätte. Dies ist mit der Betreiberverantwortung, den Anforderungen der Unfallkasse und den Haftungsgrundsätzen im öffentlichen Dienst nicht vereinbar.

Die Entscheidung zur Schließung wurde daher unmittelbar nach Vorlage des Gutachtens, unter Einbeziehung der beteiligten Fachämter (u. a. Amt für Gebäudemanagement, Amt für Schule) getroffen. Eine Aussetzung oder Verzögerung dieser Entscheidung ist aus rechtlichen Gründen ausgeschlossen.“

Die Eltern hätten natürlich auch das Recht, Einsicht in das Gutachten zu nehmen. Nur sei es der Stadt unmöglich, die Gründe für die Schließung der Einrichtung kurzfristig zu beseitigen.

„Die Stadt Leipzig hat seit Bekanntwerden der Prüfergebnisse intensiv geprüft, ob eine technische Nachbesserung oder Sanierung der Elektroanlage möglich wäre, um den Betrieb – zumindest übergangsweise – aufrechtzuerhalten. Das Ergebnis dieser Prüfung ist jedoch eindeutig“, stellte das Amt für Jugend und Familie fest.

„Eine vollständige Neuinstallation der Elektroanlage ist nur im Rahmen einer umfassenden Sanierung realisierbar, da mit einer Neuverkabelung zwingend auch Eingriffe in Wandstrukturen, Brandschutzmaßnahmen und bauliche Folgemaßnahmen einhergehen. Dies würde einen Zeitraum von mindestens zwei bis drei Jahren beanspruchen, in dem das Gebäude nicht nutzbar wäre.

Vor diesem Hintergrund ist eine Sanierung technisch nicht im laufenden Betrieb umsetzbar, wirtschaftlich nicht vertretbar und mit Blick auf die bereits beschlossene Neubauplanung auch nicht zielführend.“

Womit denn auch dem Petitionsausschuss kein Spielraum mehr blieb, der dann der Ratsversammlung die Beschlussempfehlung vorlegte, die Petition abzulehnen. Das sah im Grunde auch die Ratsmehrheit so. 13 Ratsmitglieder enthielten sich ihrer Stimme, die Mehrheit folgte der Empfehlung, die Petition abzulehnen.