Das Sozialgericht hat dem Klinikum Stuttgart eine bestimmte Form der Stammzelltherapie untersagt. Das will sich nun wehren. Auch das Land prüft rechtliche Schritte.

Es braucht mindestens 40 Transplantationen pro Jahr

Doch es haperte an Patientenzahlen. Die sind aber wichtig, weil der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) – wichtigstes Organ der gemeinsamen Selbstverwaltung im Gesundheitswesen – festgelegt hat, dass nur Kliniken, die mindestens 40 Patienten pro Jahr mit einer allogenen Stammzelltherapie behandeln, auch die Lizenz dafür erhalten. Diese konnte das Klinikum Stuttgart in seiner Prognose für 2025 Ende vorigen Jahres nicht vorweisen. Mit Unterstützung der Landesregierung erwirkte es jedoch eine Ausnahmegenehmigung in dieser Sache.

Sehr zum Ärger zweier weiterer Krankenhäuser der Stadt: Auch das Diakonie-Klinikum Stuttgart (Diak) und das Robert Bosch Krankenhaus Stuttgart (RBK) bieten seit mehr als zehn Jahren die allogene Stammzelltransplantation an – mit stabilen Patientenzahlen oberhalb der Mindestmenge. Mit dem Klinikum Stuttgart als Konkurrent in dieser Sparte würden diese Transplantationszahlen künftig nicht mehr zu halten sein, befürchten die beiden Krankenhäuser.

Gericht weist Landesregierung in seine Schranken

Das Diak ist gegen das Vorgehen des Landes vor Gericht gezogen. „Unserer Auffassung zufolge besteht für Krankenhäuser, die eine positive Prognose für die vorgegebenen Mindestmengen erhalten haben, Rechtsschutz“, sagt der Diak-Geschäftsführer Bernd Rühle. „Als Haus mit der längsten Erfahrung in der Stammzelltherapie in Stuttgart freuen wir uns darüber, dass das Sozialgericht diese Rechtsauffassung bestärkt.“ Auch sei man „zuversichtlich, dass im noch ausstehenden Hauptverfahren eine Klärung im Sinne einer hochwertigen und gesicherten Patientenversorgung erfolgen wird“.

Zunächst ist es nur ein einstweiliger Rechtsschutz, den das Sozialgericht dem Diakonie-Klinikum zugestanden hat. Eine Verletzung eigener Rechte des Diaks als ortsansässiges Krankenhaus durch die dem Klinikum Stuttgart erteilte Ausnahmegenehmigung könne nicht ausgeschlossen werden, argumentiert das Gericht. Weiter ist das Gericht davon ausgegangen, dass die Klage des Diaks aufschiebende Wirkung habe. Über das Hauptsacheverfahren muss noch entschieden werden, sagt der Sprecher des Sozialgerichts, Marco Martin. Bis dahin darf die erteilte Ausnahmegenehmigung des Landes für das Klinikum Stuttgart nicht umgesetzt werden. Sprich: Im dortigen Krebstherapiezentrum dürfen keine weiteren allogenen Stammzelltherapien ausgeführt werden.

Sozialministerium will sich juristisch zur Wehr setzen

Der Gerichtsbeschluss kann daher als eine erste Niederlage für das Land gewertet werden. Im Sozialministerium werden nun die weiteren rechtlichen Schritte dagegen geprüft: „Wir sind der Meinung, dass die Anfechtungsklage eines konkurrierenden Anbieters keine aufschiebende Wirkung hat“, so der Ministeriumssprecher Markus Jox. „Der Beschluss bestätigt aus unserer Sicht, dass über Regelungen des Gemeinsamen Bundesausschusses, die eigentlich die Vergütung betreffen, ein ganz maßgeblicher Einfluss auf die Landeshoheit zur Krankenhausplanung erfolgt.“

Bislang geht die Geschäftsführung des Klinikums Stuttgart von keinen unmittelbaren Auswirkungen auf die Patientenversorgung aus. Fest steht: „Wir gehen gegen diese aufschiebende Wirkung entsprechend vor und werden jede Einschränkung für die uns anvertrauten Patienten abwehren, die weiterhin die bestmögliche Behandlung in schwieriger Lage zugesichert bekommen“, sagt der Sprecher Stefan Möbius.

Klinikum Stuttgart sucht weiter nach Kooperationspartnern

Auch ist man im Klinikum Stuttgart zuversichtlich, die allogene Stammzelltherapie bald fortführen zu können: Um die Patientenzahlen über die Mindestanforderung des G-BA zu bringen, arbeiten die Ärzte des Zentrums für Zelltherapie seit Frühjahr 2025 mit dem Marienhospital Stuttgart zusammen. Deren Patienten, die eine allogene Stammzelltransplantation benötigen, werden im Klinikum stationär versorgt. „Die Entwicklung ist sehr positiv mit starken Kooperationspartnern und erfolgreichem Ausbau der Angebote“, so Möbius.

Stammzellen
Stammzellen sind Vorläuferzellen aller Blutzellen: Sie befinden sich im Knochenmark und können sich zu verschiedenen Zellen des Blutes entwickeln. Bei schwerwiegenden Erkrankungen des Blutes wie Blutkrebs kann die Transplantation von Blutstammzellen eine aussichtsreiche Therapie sein.

Transplantation
Nach Angaben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte benötigen pro Jahr mehr als 3300 Menschen eine sogenannte allogene Stammzelltransplantation. Dabei erhält der Patient Knochenmark oder Blutstammzellen eines Spenders. Sie kommt meist bei der Behandlung der akuten und chronischen Leukämien zum Einsatz. Bei der autologen Transplantation werden dem Patienten eigene Stammzellen übertragen, die ihm vor Beginn der Chemotherapie entnommen wurden. Sie wird bei der Behandlung von Tumoren des Knochens und Knochenmarks sowie bei Lymphomen eingesetzt – etwa bei 3600 Patienten pro Jahr.

Komplikationen
Bei der allogenen Stammzelltransplantation kann es zu lebensgefährlichen Komplikationen kommen, sagt Illerhaus – etwa, dass die mittels Transplantat übertragenen Immunzellen den Körper des Empfängers als fremd erkennen und angreifen. Diese Immunreaktion kann sich gegen Haut, Leber und Darm und andere Organe richten.

Stammzellspender
Es kann sich jeder im Alter zwischen 17 und 55 Jahren als Stammzellspender registrieren – etwa bei der Deutschen Knochenmarkspenderdatei DKMS (dkms.de). Zwar dürfen 17-Jährige noch nicht spenden, werden aber ab dem 18. Geburtstag in der Datei aktiviert.